10 Jahre Aufbauarbeit in Alsfeld

Von Assessor Georg Kratz, Bürgermeister der Kreisstadt Alsfeld (1959)

Wenn man sich mit der Aufbauarbeit der letzten 10 Jahre in unserer Stadt Alsfeld befasst, so muss man, ob man will oder nicht, bei einer solchen Rückschau kurz einen Blick auf den Zweiten Weltkrieg und seine Folgeerscheinungen werfen, weil man nur dann die ungemein großen Schwierigkeiten ermessen kann, denen wir teils heute noch gegenüberstehen. Die Stadt hatte zu Beginn des Krieges etwa 6.000 Einwohner, die Etatsumme betrug rd. 500.000 RM, das Gewerbesteueraufkommen 250.000 RM, die Schulden eine Million RM. Schon damals reichten die vorhandenen Schulsäle nicht aus. Die Kanalisationsanlage war noch nicht in Ordnung. Es fehlte ein großer Hochbehälter, so dass ständig Wasserschwierigkeiten auftraten. Das Elektrizitätswerk war aufgegeben. Durch die Finanznot bei relativ geringen Steuern und Gebühren konnten wichtige Erschließungsmaßnahmen – man denke nur an Wallgasse, Schellengasse, Straße „In der Rambach“, Rambachsiedlung, Marburger Straße, Schillerstraße, Grünberger Straße, Hochstraße, Georg-Dietrich-Bücking-Straße u.a.m. – nicht durchgeführt werden. Hinzu kam, dass während des Krieges infolge der einschränkenden Bestimmungen Instandsetzungen, Neu- oder Erweiterungsbauten nicht vorgenommen werden durften oder auch wegen fehlender Arbeitskräfte nicht vorgenommen werden konnten. Dadurch waren auch die städtischen Gebäude in einem furchtbar heruntergewirtschafteten Zustand.

Dies alles blieb im Grunde genommen bis zum Jahre 1950 so. Die etwa in diesem Jahre zu Ende gehende Periode der Entsagungen – oft sogar des Leides – war eine ungemein schwere Zeit, nicht nur für jeden Einzelnen, sondern genau so schwierig und oft unüberwindbar für die Stadtverwaltung, die sich bemühte, – das wollen und dürfen wir heute nicht übersehen – in all dem Chaos, das der Krieg und die Nachkriegszeit mit sich brachte, ordnend, helfend und gestaltend einzugreifen. Damals konnte es sich bei diesem Ordnen, Helfen und Eingreifen nur darum handeln, die Forderungen des Tages zu erfüllen und einigermaßen Gelassenheit zu bewahren. Denn im allgemeinen musste man daran zweifeln, ob die Schwierigkeiten überhaupt zu überwinden sein dürften; ob es möglich sein würde, nicht nur die Wunden an unserem Volkskörper zu heilen, sondern auch einigermaßen befriedigende Lösungen für die Beseitigung des angestauten Nachholbedarfs und der erforderlichen Ausweitungen auf Grund des Bevölkerungszuwachses zu finden. Doch heute können wir erfreut feststellen, dass der mit Wagemut, Initiative und Optimismus vor allem seit dem Jahr 1950 unternommene Versuch mehr als erfolgreich war.

Stadtverordnetenversammlung und Magistrat
Foto: Sammlung Georg Kratz

Dabei hat sich auch wieder einmal gezeigt, was unser deutsches Volk zu leisten in der Lage ist, noch vielmehr, was eine örtliche Gemeinschaft leisten [Seite 12] kann, wenn sie von dem Willen beseelt ist, gemeinsam Hand anzulegen und aufzubauen, damit wieder geordnete Verhältnisse einkehren. Dass dabei sehr wohl abzuwägen war über die Art der Dringlichkeit der Maßnahmen und des einzuschlagenden Weges, ist eigentlich selbstverständlich. Hier traf das Wort eines großen Deutschen zu, der einmal sagte:

„Ein Baurat muss bauen wollen, ein Schulrat sieht die Welt vom Standpunkt des Erziehers an; alle mögen recht haben von ihrem Standpunkt aus. Aber der Verwaltungsbeamte und der Politiker müssen die finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und die kulturellen Bedürfnisse abwägen und die auf den verschiedenen Gebieten vorhandenen Mittel zu ihrer Verfügung in das bestmögliche Verhältnis bringen. Das kann aber grundsätzlich nicht vom Standpunkt einer Spezialverwaltung aus, sondern nur von der allgemeinen Verwaltung her erreicht werden.“

Dieses Abwägen zwischen Stadtverordnetenversammlung, Magistrat und Bürgermeister führte in unserer Stadt zunächst dazu, dass man folgende Hauptprobleme in den Vordergrund stellte: Bau von Wohnungen, Straßen, Schulen, Wasserversorgungsanlagen, Kanalbau, Straßenbeleuchtung, Kindergarten, Schwimmbad, Sporthalle, Sportplatz, kulturelle Einrichtungen und vieles andere mehr. Die Dringlichkeitsstufe ergab sich aus folgendem: Die Bevölkerungszunahme in unserer Stadt zwischen dem 01.09.1939 und dem 01.09.1952 betrug rund 3.000 Personen, obwohl im gleichen Zeitraum nur etwa 150 Wohnungen ausgebaut oder neu erstellt werden konnten. Von 9.150 Einwohnern im Jahre 1952 ist diese Zahl bis heute auf fast 10.000 angestiegen. In diesem Zeitraum konnten durch das Zusammenwirken aller beteiligten Stellen weitere 900 Wohnungen bezugsfertig errichtet werden bzw. werden in diesem Jahr noch bezugsfertig.

Rodenbergsiedlung – Freiligrathstraße
Foto: Sammlung Georg Kratz

Diese Wohnungen wurden hauptsächlich in der Krebsbach- und Rodenbergsiedlung, daneben in der Eduard-Becker-Straße und im Gebiet rechts der Schwabenröder Straße, der sog. Nebenerwerbssiedlung, und nunmehr im neuen Baugebiet Hochstraße errichtet. So entstanden in den letzten Jahren drei völlig neue Stadtbezirke. Voraussetzung dabei war neben der Bereitstellung des erforderlichen Geländes und der später nach zu behandelnden Erschließungsmaßnahmen auch die Beschaffung von zinsbilligen Baufinanzierungsmitteln sowohl für die Baugesellschaften – vor allem Alsfelder Bau- und Siedlungsgenossenschaft und HEGEMAG – als auch für Privatpersonen. Im Krebsbachgebiet erwarb die Stadt 66.000 qm Gelände, ließ es parzellieren und stellte es alsdann den Baulustigen wieder zur Verfügung. In dieser Siedlung, die mit dem Bau eines Kindergartens abgeschlossen wurde, wohnen heute rund 330 Familien mit etwa 1.000 Personen in schönen, sonnigen, lichtdurchfluteten Wohnungen.

Die im Jahre 1955 im Krebsbachgebiet zu Ende gekommene Bebauung erfüllte die Stadt mit neuen Sorgen wegen der Bereitstellung weiteren [Seite-13] Baugeländes. Deshalb war es ein Hauptanliegen der städtischen Organe, mit allem Nachdruck die Aufstellung und Verabschiedung der Bauleitpläne zu betreiben, damit die Erschließungsmaßnahmen plan- und sinnvoll vorgenommen werden, gleichzeitig ober auch neues Baugelände zu schaffen und dies den Bauinteressenten zur Verfügung zu stellen. Die Bauleitpläne, die Herr Regierungspräsident Arnoul am 21. November 1955 durch seine Unterschrift in unserem Sitzungssaal in Kraft setzte, bieten die Gewähr dafür, dass die städtebauliche Entwicklung in Alsfeld kontinuierlich und planvoll erfolgt.

Die Beschaffung des Baugeländes durch die Stadt erfolgte Zug um Zug. Alles in allem wechselten von 1952 bis heute durch Handlungen der Stadt etwa 1.100.000 qm Gelände den Besitzer. Diese beachtlichen und so ungemein schwierigen Geländetransaktionen, die von allen beteiligten Organen und in besonderem Maße von den Beamten der Stadtverwaltung ein Höchstmaß an Einfühlungsvermögen, aber auch Beherrschung der Materie, voraussetzten, erfolgten

a) um eine vernünftige Bodenpolitik zu betreiben, d.h., den Preis zu halten, und

b) um die Erschließung des Geländes so rationell wie möglich zu gestalten, also Baulücken, wie sie in der Wallgasse und anderen Straßen zu finden sind, zu vermeiden. [Seite-14]

Bürgermeister Georg Kratz (Mitte) mit seinen Sachbearbeitern
Foto: Sammlung Georg Kratz

Inzwischen sind auch das Rodenberggebiet und das Baugebiet rechts der Schwabenröder Straße bebaut und von etwa 1500 Mitbürgern bewohnt.

Das Ausmaß des gesamten Aufbaues mag man daran erkennen, dass die Stadt von 1949 bis 1959 – ausgenommen die Kosten des eigentlichen Wohnungsbaues, die auf rd. 18 Mill. DM geschätzt werden – über den außerordentlichen Haushalt und den Finanzplan des Wasserwerks Investitionen von etwas mehr als 10 Mill. DM vorgenommen hat. Davon entfallen 950.000 DM auf die Zeitspanne von 1949 bis 1953 und 9.100.000 D M von 1954 bis heute. Wir erkennen aber auch aus diesen beachtlichen Zahlen, dass die Anforderungen an die Kommunen im Rahmen der sog. Daseinsvorsorge immer größer werden. Professor Forsthoff hat diese Entwicklung in seiner 1958 herausgekommenen Schrift „Die Verwaltung als Leistungsträger“ klar vorausgesehen. Das Schwergewicht in den öffentlichen Verwaltungen, vor allem bei den Kommunalverwaltungen, sind nicht mehr die eigentlichen Hoheitsaufgaben, sondern die auf Betreuung, Versorgung und Sozialgestaltung gerichteten Aufgaben.

So wurden in den letzten 10 Jahren – abgesehen von den laufenden Aufwendungen – für

a) die Wasserversorgung 2.100.000 DM
b) die Abwasserbeseitigung 2.900.000 DM
c) den Bau von drei Schulen und größeren Verbesserungen in den alten Schulgebäuden 2.000.000 DM
d) den Straßenbau 1.500.000 DM
e) Jugendförderung (Schwimmbad, Sporthalle, Sportplatz usw.) 450000 DM
f) Straßenbeleuchtung 150.000 DM
g) sonstige städt. Einrichtungen, städt. Häuser u.a.m. 900.000 DM aufgebracht.

Bei diesen Bauvorhaben hat die Stadt von 1951 bis heute 50.000 Tagewerke Notstandsarbeiten durchgeführt und auch dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Ankurbelung der Wirtschaft geleistet, um nicht zu sagen, selbst aktive Konjunkturpolitik betrieben.

In den genannten Investitionsbeträgen sind nicht enthalten die Aufwendungen des Bundes für den neuen Autobahnzubringer Alsfeld-West oder gar für Baumaßnahmen des Bundesgrenzschutzes.

Die dargetanen Aufbauleistungen wurden vorgenommen, weil uns eine unabweisbare Notwendigkeit dazu veranlasste.

Wir mussten die Versorgungsschwierigkeiten bei unserer Wasserversorgung endlich beseitigen. Es war ein unhaltbarer Zustand, dass wir noch vor wenigen Jahren nachts die Wasserzufuhr sperren mussten, um am Tage die Versorgung aufrechterhalten zu können. Es war unhaltbar, dass wir für unsere fast 10.000 [Seite-15] Einwohner schlechtes, hygienisch nicht einwandfreies Wasser anlieferten, das wir teilweise sogar Oberflächenwasser an unsere Bevölkerung abgeben mussten.

Die Investitionen in Höhe von 2,1 Mill. DM für die Wasserversorgung belasten uns trotz der Zuschüsse und günstigen Darlehen seitens des Bundes, des Landes und der Arbeitsverwaltung sehr. Aber sie mussten aufgewandt werden, da wir uns ansonsten schuldig gemacht hätten an unserer Bevölkerung, aber auch an unserer Wirtschaft, deren weitere Entwicklung durch die nicht ausreichende Wasserversorgung sehr gehemmt worden wäre. Die Stadt stellt nämlich in ganz beachtlichem Umfang Wasser für unsere Industrie zur Verfügung.

Mit dem Problem der Wasserversorgung hängt aber auch eng das der Abwasserbeseitigung zusammen. Denn Wasser wird im allgemeinen nicht verbraucht, sondern nur gebraucht, d.h., wir müssen das verschmutzte Wasser über unsere Kanalisation einer zentralen Anlage zuleiten, um es dort zu reinigen. Unsere alte Kläranlage aus dem Jahre 1931 war seit langem zu klein und unzureichend geworden. Wir müssen uns bei unseren Unterliegern, vor allem bei unserer Nachbargemeinde Eudorf bedanken, dass sie so großes Verständnis für unsere schwierige Situation aufgebracht haben und nicht schon seit Jahren gegen die erhebliche Verschmutzung der Schwalm angingen.

Die neue vollbiologische Kläranlage erreicht zwar einen Reinigungsgrad von mehr als 90 %, erfordert aber andererseits nicht nur 1,3 Mill. DM Baukosten, sondern auch laufend Betriebskosten – vor allem für Strom – von 65.000 DM jährlich, ganz abgesehen von den Zins- und Tilgungsbeträgen und den Aufwendungen für die laufende Betreuung von ca. 28 km Kanalisationsanlagen. Der neue Hauptsammler erweitert das Netz um 8 km.

Die Schulverhältnisse in unserer Stadt waren besonders schlecht. Die Klassen sind z.Z. noch nicht nur mehr als überbesetzt, sondern der Unterricht muss teilweise in besonders engen und dunklen Räumen, so etwa in einer Baracke, im Haus der Jugend und im Kasinogebäude durchgeführt werden. Die Zahl unserer Schüler hat sich, da wir ja in der Mittelschule Schüler aus vielen Kreisgemeinden und Gemeinden des Kreises Ziegenhain beherbergen, seit 1939 verdoppelt. Deshalb war der Schulneubau mit einem Aufwand von 1,1 Mill. DM unumgänglich notwendig.

Ähnliche Dringlichkeitsgrade lagen bei allen anderen durchgeführten Maßnahmen vor. So war es auch nicht länger zu vertreten, dass beispielsweise in der vom Turnverein angemieteten kleinen Halle an Regentagen oft vier Klassen unserer Schulen gemeinsam Turnunterricht hatten oder der Lindenplatz an manchen Tagen als Festplatz, für Viehmärkte usw. und an anderen wiederum als Schulsportplatz benutzt wurde.

Wenn unsere Gemeinden – das gilt abgewandelt für alle, nur mit anderen Relationen – vor die Lösung so schwerwiegender Probleme gestellt werden, [Seite-16] vor Probleme, die keinen Aufschub duldeten und angepackt werden mussten, denn unsere Heimatvertriebenen mussten wohnraummäßig und mit Arbeitsplätzen versorgt und eingegliedert werden, unsere Bevölkerung musste in ausreichendem Maße und hygienisch einwandfreies Wasser erhalten, unsere Abwasserbeseitigung war in Ordnung zu bringen, um damit Seuchengefahren vorzubeugen, unsere Kinder haben Anspruch auf gut belichtete, freundliche Schulräume in ausreichender Größe, alles Aufgaben, die unaufschiebbar waren, dann blieb es nicht aus, dass wir trotz großzügiger Hilfen von Bund, Land, Kreis und vielen anderen Stellen – für die wir besonders dankbar sind – diese Belastungen nicht nur auf die Schultern der jetzigen Generation legen. Denn wir schufen diese Einrichtungen nicht nur für die Jetztzeit, sondern auch für die nach uns Kommenden.

3,8 Mill. DM Schulden bei einem Durchschnittszins von 4,2 % und einer Laufzeit von im allgemeinen 10 bis 20 Jahren ist die negative Bilanz dieser unabweisbaren Aufgaben. Stadtverordnetenversammlung und Magistrat haben nicht leichtfertig, sondern in voller Verantwortung die damit verbundenen Belastungen auf sich und unser Gemeinwesen genommen, weil sie erkannten, dass die geschaffenen Einrichtungen unserer Bevölkerung im Rahmen der Daseinsvorsorge gegeben werden mussten, Einrichtungen, die für die Fort- und Aufwärtsentwicklung unserer Stadt notwendig waren.

Unsere städtischen Körperschaften haben so im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten alles unternommen, was der ständigen Verbesserung unserer Einrichtungen und der steten Aufwärtsentwicklung unserer Stadt dient. Unsere Bürger, aber auch die vielen Fremden, die täglich zu uns kommen, werden feststellen, dass es sich bei unserer Stadt zwar um ein traditionsgebundenes aber doch fortschrittliches Gemeinwesen handelt, das durch unermüdliche Arbeit von Bürgerschaft und Verwaltung ein sauberes, freundliches Bild bietet. Hier dürfte das Wort Johann Wolfgang von Goethes zutreffen:

„Denn was wäre das Haus, was wäre die Stadt, wenn nicht immer Jeder gedächte, mit Lust zu erhalten und zu erneuern.
Und zu verbessern auch, wie die Zeit uns lehrt und das Ausland!
Sieht man am Hause doch gleich deutlich, wes Sinnes der Herr sei,
Wie man, das Städtchen betreffend, die Obrigkeiten beurteilt.
Denn wenn die Türme verfallen und Mauern,
Wo in den Gräbern Unrat sich häuft, und Unrat auf allen Gassen herumliegt,
Wo der Stein aus der Fuge sich rückt und nicht wieder gesetzt wird,
Wo der Balken verfault und das Haus vergeblich die neue Unterstützung erwartet:

Der Ort ist übel regieret.“ [Seite-18]

Denn es kann ein lebendiger Organismus wie eine Stadt nur gedeihen, wenn alle Bürger und die für sie tätigen parlamentarischen Körperschaften sowie alle Beamten und Angestellten für ihr Gemeinwesen treu und vertrauensvoll zusammenstehen. Dies scheint mir – von wenigen Anlässen abgesehen – im allgemeinen für unsere Arbeit zutreffend zu sein.

So glaube ich sagen zu dürfen, dass die Stadtverordnetenversammlung und ihre Mitglieder, aber auch der Magistrat und die Stadtverwaltung, stets sachlich und uneigennützig dem Allgemeinwohl dienend zusammengearbeitet haben. Deshalb können wir mit dem Ergebnis dieser Arbeit wohl zufrieden sein, ein Ergebnis, das aber auch nur durch den Aufschwung in Bund und Land und durch den unermüdlichen Fleiß unserer Bürger erreicht werden konnte.

Wir lösten Probleme, die uns vor zehn Jahren unerreichbar schienen. Diese Erfolge haben wir errungen, weil wir eine klare und konsequente Kommunalpolitik betrieben haben, eine Kommunalpolitik, die nur ab und zu erkennen ließ, dass sie von Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern verschiedener politischer Richtungen getragen wurde. Denn es kommt auf die sachliche Aufbauarbeit und nicht darauf an, dass man Gegensätzlichkeiten herausstellt. So sollten wir es auch in Zukunft halten. Wir müssen das Verbindende und nicht das Trennende sehen. Es kommt auch nicht darauf an, von welcher Seite ein anstehendes Problem zuerst angepackt und gelöst wird. Unsere Bevölkerung misst die städtischen Gremien nach dem Ergebnis der gemeinsamen Arbeit insgesamt, wobei es gleichgültig ist, ob dieses Ergebnis auf die Initiative einzelner Organe oder der Gesamtheit zurückgeht. Die zu beschreitenden Wege mögen verschieden sein, wichtig ist das gemeinsame Ziel. Dabei sind wir uns bewusst, dass unsere Selbstverwaltung, für die wir so betont eintreten, auch einen hohen Grad von Selbstverantwortung bedeutet, ja, dass diese Selbstverantwortung sowohl finanzielle Opfer erfordert, aber auch des Öfteren sogar mit einschließt, den Mut zu unpopulären Entscheidungen zu haben, Entscheidungen, die aber für die Fortentwicklung unseres Gemeinwesens unerlässlich sind. Gerade im kommunalen Leben ist es nicht selten, dass anfänglich lebhaft angegriffene Maßnahmen schon nach kurzer Zeit als Zeichen des Mutes, des Fortschrittes und des gesunden Menschenverstandes gepriesen werden, Maßnahmen, die, wenn sie nicht zur rechten Zeit getroffen worden sind, sich oft besonders nachteilig für die Gemeinschaft auswirken.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von seinen Rechtsnachfolgern genehmigt.

Erstveröffentlichung:

Kratz, Georg, 10 Jahre Aufbauarbeit in Alsfeld, in: Magistrat der Stadt Alsfeld (Hrsg.), Festschrift: 10 Jahre Aufbauarbeit der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1959, S. 11-21.

[Stand: 14.02.2024]