50 Jahre Autobahn in Deutschland
unter besonderer Berücksichtigung des Alsfelder Raumes

Von Bürgermeister a.D. Georg Kratz, Alsfeld (1988)

Vorwort

Am 19.05.1935 wurde der erste Teilabschnitt der damaligen Reichsautobahn Frankfurt-Darmstadt eröffnet, am 30.06.1938 die erste Teilstrecke bei Alsfeld mit einem direkten Anschluss (heute Alsfeld-Ost) und am 04.12.1938 die Gesamtstrecke Gießen-Alsfeld. Zwanzig Jahre später, Ende November 1958, konnte der zweite Autobahnzubringer Alsfeld-West eingeweiht werden.

Damit erhielt Alsfeld eine überragende Verkehrslage, die auf die Entwicklung der Stadt einen bedeutenden Einfluss genommen hat.

Es waren außergewöhnliche Anstrengungen unternommen worden, um dieses Ziel zu erreichen. Es war überhaupt sehr schwierig gewesen, durchzusetzen, dass die Autobahn direkt bei Alsfeld gebaut wurde. Dies soll im folgenden Beitrag aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Autobahn für den Alsfelder Raum aufgezeigt werden. [01]

Die Idee Autobahn

Es ist unbestreitbar, dass die Idee zum Autobahnbau nicht von den Nationalsozialisten ausging; es ist aber ebenso unbestreitbar, dass die Durchsetzung der Idee von der Reichsregierung unter Adolf Hitler mit allem Nachdruck betrieben wurde. Für den Bereich Alsfeld haben sich besonders Fabrikant Georg Dietrich Bücking, Bürgermeister Dr. Völsing und später Kreisleiter Klostermann, Kreislandwirt Otto Geiß, Ortslandwirt Müller, Kreisdirektor Dr. Schönhals und Bäckermeister Klingelhöffer eingesetzt.

Autobahnen waren schon lange vor Hitlers Machtantritt vorbereitet und geplant. Das kann auch anhand der Akten der Stadt, beginnend mit einem Brief des Ehrenbürgers Georg Dietrich Bücking vom 08.11.1926 an den damaligen Bürgermeister Dr. Völsing, bewiesen werden. In Verbindung mit den erfolgreichen Bemühungen seit Frühjahr 1954 für den Bau des 2. Autobahnzubringers an der Pfefferhöhe war der Verfasser auf diese Akten gestoßen.

Zwei nur für Autos bestimmte Straßen gab es schon, bevor Adolf Hitler am 23.09.1933 am Mainufer bei Frankfurt in einem eigens dafür aufgeworfenen Sandhaufen den ersten Spatenstich zum Autobahnbau tat. Bereits 1932 hatte der damalige Oberbürgermeister Dr. Adenauer bei Köln das Band zur Freigabe einer autobahnähnlichen, vierspurigen Autostraße zwischen Köln und Bonn durchschnitten. Eine zweite Autostraße gab es noch mit der Avus bei Berlin. Beide Straßen kann man jedoch nicht, das ist überwiegend die Meinung der Fachleute, als direkte Vorläufer der Autobahn bezeichnen.

Autobahnen waren schon lange vor Hitlers Machtantritt vorbereitet und geplant. Die Nationalsozialisten hatten dies 1933 schnell an sich gerissen. In der Geschichte der Autobahn braucht man heute nicht mehr sehr lange zu forschen. Die Idee „Autobahn“ ging vom Oberbürgermeister Dr. Landmann in Frankfurt aus. Man gründete auf seine Initiative die „Hafraba“, förmlich: „Verein zur Förderung der Autostraße Hamburg-Frankfurt-Basel“, der am 06.11.1926 aus der Taufe gehoben wurde. Der o.g. Brief von Georg Dietrich Bücking an Bürgermeister Dr. Völsing stammte vom 08.11.1926, er wurde nur zwei Tage nach Gründung der Hafraba in Frankfurt verfasst.

In seinem Mitteilungsblatt vom 01.10.1928 schrieb der Verein: „Länder, Provinzen, Städte und Handelskammern vereinigten sich mit Industrie, Handel, Schifffahrt und Privaten, dem motorischen Verkehrsmittel eigene Wege zu geben, um dieses Verkehrsmittel wirtschaftlich und volkswirtschaftlich so zu nutzen, dass die ihm innewohnenden Kräfte wirklich gebraucht und nutzbar gemacht werden können.

Das Frankfurter Wirtschaftsamt hatte so zügig gearbeitet, dass schon 1930 die Pläne für den schon angesprochenen Streckenabschnitt Frankfurt-Darmstadt fertig in den Schubladen der Hafraba lagen. Es ging darum, mit der Schnellstraße dem Auto generell und ganz allgemein freie Bahn zur Entfaltung zu schaffen.

Das war für den demokratischen Staat, der zudem durch den verlorenen Krieg und die Weltwirtschaftskrise mit fast 6 Millionen Arbeitslosen schwer belastet war, keine einfache Aufgabe. Das sollte sich mit dem Machtantritt Hitlers am 30.01.1933 schnell ändern.

Der Autobahnbau war der große, die Bevölkerung mitreißende Funke und, wie Hitler damals sagte, „nicht nur die Einleitung zum Bau dieses größten Straßennetzes der Welt, sondern zugleich wieder ein Markstein für den Bau der deutschen Volksgemeinschaft“. Hitler ließ sich – und wurde es auch – ungeniert für „seine“ Autobahnidee feiern, den historischen Tatsachen zum Trotz, denn die Pläne wurden am 06.04.1933 von dem Geschäftsführer der Hafraba bei einem Gespräch in der Reichskanzlei Hitler vorgelegt und die Übernahme der Idee nahegelegt. Hitler tat dies. Fünf Monate später fand schon der erste Spatenstich in Frankfurt statt. Die Autobahnen wurden damit zu den „Straßen des Führers“.

Die Väter der Autobahnidee aus den zwanziger Jahren begeisterte die Vorstellung, der Autobahn möglichst alles fernzuhalten, was ihr an Fahrzeugen oder gar Menschen in die Quere kommen könnte, was auch bei der Abhandlung der Entwicklung im Alsfelder Raum deutlich wird. Besonders jeglicher Querverkehr wurde dann auch strikt untersagt, keine Rotlampe durfte den Verkehr stoppen. Tankstellen und Imbissstellen – überwiegend einfacher Art – sowie Parkplätze, in der Regel an landschaftlich schönen Stellen, wurden bald errichtet.

Die Strecke Frankfurt-Darmstadt wurde auch alsbald nicht nur von der Deutschen Reichsbahn und der Post mit windschnittigen Omnibussen befahren, sie wurde zugleich Teststrecke der großen Automobilwerke wie Mercedes-Benz und Auto-Union. Rudolf Caracciola fuhr 1938 mit seinem Silberpfeil, einem zwölfzylindrischen Mercedes, mit 432,69 km in der Stunde die höchste Geschwindigkeit; Bernd Rosemeyer wurde mit seinem sechszylindrischen DKW nach einer Brückendurchfahrt vom Seitenwind aus der Bahn geworfen und verunglückte bei Langen-Mörfelden tödlich. Seine Frau, die Fliegerin Elly Beinhorn, und Freunde haben ihm dort an einem Parkplatz einen Gedenkstein errichtet.

Die Verwirklichung der Autobahn zwischen Gießen und Kassel und im Raum Alsfeld

Der erste Vorgang, wie es in der Verwaltungssprache heißt, ist das schon Erwähnte Schreiben des Ehrenbürgers Georg Dietrich Bücking, dem Alsfeld auf vielen Gebieten so unendlich viel zu danken hat. Georg Dietrich Bücking gab damals den Hinweis, dass am 6. November 1926 die Satzung des Vereins „HAFRABA e.V.“ – mit der Unterzeichnung „Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hamburg-Frankfurt-Basel“ – verabschiedet worden sei. Es empfehle sich, dass die Stadt dieser Organisation ihre Aufmerksamkeit widme. Bürgermeister Dr. Völsing, der erst in der zweiten Phase des Autobahnbaues Wesentliches für den Autobahnbau tat, verfügte handschriftlich: „In dieser Angelegenheit empfiehlt sich eine Rücksprache mit dem Hessischen Verkehrsreferenten im MdI, Regierungsrat Dr. Krebs.“ Diese Rücksprache fand schon wenige Tage später statt, so dass am 27.11.1926 zu Papier gebracht werden konnte: „Nach Mitteilung von Dr. Krebs ist die Angelegenheit noch im Vorstadium der Entwicklung. Über die neue Automobilstraße (HAFRABA) könne noch nichts Bestimmtes gesagt werden. Voraussichtlich würde sich diese an die Strecke Hamburg-Hannover-Kassel-Marburg-Gießen-Frankfurt-Basel halten. Es würde eine 12 bis 15 Meter breite Straße geben mit Schrankenabschluss, wie bei der Eisenbahn an Übergängen.“

Georg Dietrich Bücking wurde entsprechend unterrichtet. Er schrieb erneut an die Stadtverwaltung, aber am 03.03.1927 sagen die Akten: „Beruht, die Linie für die HAFRABA liegt fest. Alsfeld kommt dafür nicht in Betracht.“

Doch schon am 15.08.1927 wird trotz der Verfügung „beruht“ erneut eine Aktennotiz gefertigt, und zwar darüber, dass Bürgermeister Dr. Völsing gelegentlich der Teilnahme an einer Sitzung des Hessischen Verkehrsverbandes in Darmstadt von Reg.-Rat Dr. Krebs darauf aufmerksam gemacht worden sei, nunmehr sei der gegebene Zeitpunkt gekommen, in dem die Stadt Alsfeld ihre Eingaben wegen der Linienführung der HAERABA über Alsfeld vorbringen könne. Am gleichen Tage wurde die Gesellschaft HAFRABA in Frankfurt wie folgt angeschrieben: „Soviel uns bekannt geworden ist, soll die geplante Automobilstraße von Kassel über Marburg nach Gießen geführt werden. Wir möchten gegenüber dieser Idee darauf hinweisen, dass dagegen ernstlich der Plan erwogen werden müsste, ob die Linienführung zweckmäßiger nicht über Kassel-Ziegenhain-Alsfeld-Gießen und weiter nach Süden zu nehmen wäre. Wir gestatten uns, zur Begründung unserer Anregung zunächst darauf hinzuweisen, dass auch die Führung der Main-Weser-Bahn ursprünglich über Alsfeld geplant war, die jedoch damals aus territorialen — landesherrlichen — Rücksichten leider scheiterte. Für diese Führung, die u.E. nicht nur für die Stadt Alsfeld allein, sondern auch für Hessen überhaupt von Wichtigkeit ist, spricht unbedingt die Tatsache, dass sie sich dem Gelände besser anpasst als die Führung Kassel-Marburg-Gießen. Wir möchten noch darauf hinweisen, dass die von uns angeregte Führung auch die kürzeste Verbindung zwischen Kassel und Gießen darstellt, wobei weiter zur berücksichtigen wäre, dass von Wabern bis Alsfeld kaum eine Steigung zu überwinden ist, was bei Automobilstraßen sehr in die Waagschale fallen dürfte. Diese Führung ist auch die natürlichere, denn sie geht dem Flusstale (Schwalm) nach und bedeutet die Wiederaufnahme einer alten Heeresstraße für den Verkehr von Norden nach Süden. Aus diesen Erwägungen bitten wir den Verwaltungsrat der „Hafraba“, den von uns gemachten Vorschlag, der auf die natürlichere Linienführung auf dieser Strecke abzielt, in ernstliche Erwägungen zu ziehen. Für eine gefl. Mitteilung der ergehenden Entschließung wären wir dankbar.

Gleichzeitig ging ein Bericht an das Hessische Ministerium des Innern in Darmstadt mit der Bitte, die Stadt Alsfeld bei ihren Wünschen gebührend zu unterstützen. Bereits am 25. August ging folgendes Antwortschreiben der „Hafraba“ bei der Stadt ein:

„Von vielen Städten und Interessenten sind Anfragen um Überlassung von den Kilometerabschnitten der jeweils in ihren Bezirken gelegenen Strecken ergangen. Um einer ganzen Anzahl eingegangener Einsprüche und Vorschläge zur Änderung der Linienführung in der richtigen Art gerecht zu werden, hat der Vorstand festgelegt, dass die Prüfung derartiger Einsprüche nur möglich ist, wenn die Gegenvorschläge in genau derselben Weise angefertigt werden, wie die Projektierung seitens unserer technischen Bearbeiter.

Damit Ihre Bearbeiter in der Lage sind, Gegenvorschläge zu machen, sind wir bereit, Kopie des betr. 20-Kilometer-Abschnittes herstellen zu lassen, die wir Ihnen zum Selbstkostenpreis (voraussichtlich Mk 85.- bis 95.-) überlassen.

Die Gegenvorschläge wären dann in derselben Art aufzustellen, also Kostenberechnung, Lageplan, Höhenplan und Massenermittlung.

Die von Ihnen eingereichten Gegenvorschläge würden alsdann unserem technischen Ausschuss und danach unserem verkehrswirtschaftlichen Ausschuss zur Prüfung für die Annahme oder Ablehnung übergeben.

Wir bitten um gefl. Mitteilung, ob wir das für Sie in Frage kommende Kilometerheft anfertigen lassen dürfen.

Wir lassen Ihnen anbei unsere Broschüren zugehen und würden uns sehr freuen, wenn wir Sie als Mitglied zu unserem Verein begrüßen dürften.“

Die Stadtverwaltung übersandte nun das Schreiben der HAFRABA in Abschrift an Georg Dietr. Bücking zur gefl. Kenntnisnahme und dem Stadtbauamt mit der Anfrage: „Wir sehen Ihrer Äußerung entgegen, ob die darin (nämlich in dem Schreiben der HAFRABA) verlangten Unterlagen für die von uns beantragte Abänderung der Strecke Kassel-Gießen überhaupt zu beschaffen sind. Uns erscheint dies“, so heißt es weiter, „eine unmögliche Arbeit bei den uns zur Verfügung stehenden beschränkten Mitteln.“

Während das Stadtbauamt wie folgt Stellung nahm: „Die Hafraba verlangt für die von der Stadt vorgeschlagene Strecke ein fertig ausgearbeitetes Projekt, das sie dann nur zu prüfen hat. U. E. entstehen der Stadt hierdurch einige Tausend Mark Kosten, die sie allein tragen muss, ohne dass sie die Gewissheit hat, dass ihrem Vorschlag entsprochen wird. Wenn die übrigen an dem Vorschlag der Stadt Alsfeld interessierten Gemeinden die Kosten würden tragen helfen, könnte man der Sache eher nähertreten.“ Dagegen ist das Schreiben von Georg Dietrich Bücking vom 10.09.1927 besonders bedeutsam. Es lautet:

„Ich erhielt Ihr gefl. Schreiben vom 05.09. mit einer gedruckten Abhandlung über die Autostraße Frankfurt/Main-Basel mit Abschrift des Berichts der Hafraba vom 23.08. Ich möchte hierzu nun folgendes bemerken: Die geplante Autostraße geht, wie aus Seite 16 ersichtlich ist, von Kassel über Fritzlar, Jesberg, Kirchhain, Marburg. Diese Strecke ist der Luftlinie nach ziemlich gerade und dürfte auch keinen großen Terrainschwierigkeiten begegnen. Trotzdem wäre der m.E. kürzere Weg (genau kann ich dies nicht bestimmen) über Homberg/Efze, Ziegenhain, Alsfeld, Gießen unter Umgehung der Stadt Marburg. Es würde sich nun darum drehen, bei dem Landratsamt in Homberg/Efze und bei demjenigen in Ziegenhain anzufragen (auch Kreisamt Alsfeld), ob dieselben sich an der Eingabe, die Autostraße entlang dem Flusstal der Schwalm zu verlegen, beteiligen wollen.

Was den Wert der Autostraße selbst anbetrifft, so verweise ich auf den nachstehenden amerikanischen Bericht von Washington:

„Im Personenverkehr der Eisenbahnen ist der Abschluss allerdings weniger befriedigend dank der Abwanderung in die zahlreichen Autobusse für Nahverkehr und ins Privatauto für weite Strecken; sogar der Pullmannzug hat die Wirkungen dieser Verkehrsverschiebung zu verspüren.

Aus diesem auszugsweise gegebenen Bericht geht hervor, dass dem Autoverkehr eine große Zukunft vorbehalten ist, dass es unstreitig von großem Vorteil wäre, wenn die Autostraße Alsfeld berührte. ich selbst besitze keine topographische Karte, aus der ich die Höhe genau erkennen könnte, soviel mir aber bekannt, sind die Berge, die zwischen Kassel und Marburg über Fritzlar liegen, sicherlich ungünstiger wie der den Flusslauf verfolgende Weg über Homberg/Efze und Ziegenhain. Richtiger wäre Wabern-Ziegenhain; alsdann würde aber Homberg nicht berührt, das in einem Seitental an einem kleinen Nebenfluss der Eder liegt.– Meines Erachtens wäre es verdammte Pflicht und Schuldigkeit des im Vorstand befindlichen Regierungsrats Dr. Krebs in Darmstadt, sich der Sache energisch anzunehmen, damit die Fehler, wie sie bei Erbauung der Main-Weser-Bahn sowie auch noch bei Erbauung der Oberhessischen Eisenbahn seinerzeit gemacht wurden, vermieden werden. Bei der Oberhessischen Eisenbahn hat die Köln-Mindener Gesellschaft die Linienführung Alsfeld-Hersfeld als die kürzeste direkte Strecke von Ost nach West vorgeschlagen. Da saß aber in der Zentralstelle in Darmstadt ein Herr Fink, ein geb. Lauterbacher, der die Linienführung über Lauterbach-Fulda durchsetzte. Wenn dies unter der Beamtenregierung, wo ein Ressort auf das andere Rücksicht nahm, möglich war, so sollte eine gewisse Beeinflussung unter dem demokratischen Regierungssystem sicherlich möglich sein, sofern der gute Wille hierzu vorhanden ist.

Ich bitte, meine Anregung zu befolgen und unter keinen Umständen die Sache liegen zu lassen. Ich weiß aus Erfahrung, dass ein steter Tropfen den Stein höhlt, und würde es für richtig halten, wenn die Stadt hier einen Fachmann (Wegebauer) zuzöge, der dieselbe entsprechend beraten könnte.“

Entsprechend der Stellungnahme des Stadtbauamts wurden 1927 lediglich der Magistrat und der Kreisausschuss von Ziegenhain angeschrieben, ob sie sich an einer gemeinsamen Eingabe, aber auch an den entsprechenden Kosten beteiligen wollten. Die Stadt Ziegenhain lehnte mit Schreiben vom 10.11.1927 und der Kreisausschuss mit Schreiben vom 29.11.1927 ab.

Der entscheidende Satz im Schreiben des Kreisausschusses Ziegenhain lautete wörtlich: „Kreisausschuss sieht keinen Vorteil für den Kreis Ziegenhain in einer anderweitigen Verlegung der Autostraße, er hat deshalb auch keine Neigung, Abänderungsvorschläge zu machen.“

Während der Hessische Minister des Innern zusagte, die Anregungen der Stadt Alsfeld vom 15.08.1927 einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen und die HAFRABA am 04.11.1928 auf die Alsfelder Anregung einging, gleichzeitig aber auch bat, die Stadt Alsfeld möge Mitglied der HAFRABA werden, beschloss die Finanzkommission am 24.01.1928 abschließend: „Von einem Beitritt zur HAFRABA soll abgesehen werden.“ In Alsfeld ruhte nun etwa sechs Jahre die ganze Angelegenheit.

Erst der Baubeginn der Reichsautobahn auf der Main-Neckar-Strecke im Herbst 1933, mit dem ein neuer Abschnitt deutscher Verkehrsgeschichte eingeleitet wurde, gab auch in Alsfeld neue Impulse. Wiederum war es Georg Dietrich Bücking, der am 03.11.1933 ein an seine Firma gerichtetes Schreiben der Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V. an die Stadtverwaltung weiterleitete. Es ging um die Mitgliedschaft der Stadt bei dieser Gesellschaft, einer Gesellschaft, der es – so weisen es die Akten aus – oblag. alle Vorbereitungen vor allem hinsichtlich der Linienführung für den Bau der Reichsautobahn zu treffen. Der Mitgliedsbeitrag für die Städte betrug ½ Rpfg. je Kopf der Bevölkerung. Doch man konnte sich zunächst hier noch nicht entschließen. Das Ausschreiben wurde unter dem 22.01.1934 mit dem Vermerk „Zu den Akten“ versehen.

In der zweiten Phase jedoch, eingeleitet durch ein Schreiben der Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen vom 26.10.1934 mit den Worten: „Vor Festlegung der für die Reichsautobahn Frankfurt-Gießen-Hersfeld vorgeschlagenen Linienführung ist eine örtliche Besichtigung des Raumes von Alsfeld notwendig. Hierzu sollen alle zuständigen Stellen eingeladen werden“, entwickelte die Stadtverwaltung, vor allem Bürgermeister Dr. Völsing und alle sonst dazu berufenen Stellen und Organisationen, eine besondere Aktivität. Schon für den 16.11.1934 wurde in den Sitzungssaal des Rathauses zu der notwendigen Besprechung eingeladen. Am 09.11.1934 ging der Plan über die mögliche Linienführung im Raume Alsfeld bei der Stadtverwaltung ein. In dem Begleitschreiben heißt es u.a.: „Die Führung nördlich von Alsfeld ist etwas länger, liegt aber besser im Gelände als die südliche Führung, ist also, wenn es sich nur um die Autobahn handelt, der südlichen Führung vorzuziehen. Bei der nördlichen Führung muss der Zugang an die Straße Angenrod-Leusel-Alsfeld, bei der südlichen Führung an den Rabenberg gelegt werden. Die Durchfahrung von Alsfeld kann durch Umgehungsstraßen, die im Zusammenhang mit dem Stadterweiterungsplan zu planen sind, vermieden werden.

Ich bitte, zu dem Plan Stellung zu nehmen und die Wünsche der Stadt meinen Sachbearbeitern, die bereits am Freitag, dem 16.11.1934, vorm. vor 11 Uhr dort vorsprechen werden, mitzuteilen.“

Die städtischen Gremien entschieden sich in einer sofort einberufenen Sitzung der Finanzkommission für die südliche Linienführung. Das höchst interessante Protokoll über die Sitzung vom 16.11.1934 lautet:

„Zur Stellungnahme lagen zwei Linien nördlich und eine südlich von Alsfeld vor. Die beiden nördlichen Linien, die unmittelbar hinter der Alsfeld nordwestlich umfahrenden Bahnlinie liegen und Alsfeld in ihrem weiteren Verlauf an der einzigen nicht von Bahnen eingeschlossenen Seite von der Feldmark trennen, wurden von den Vertretern von Alsfeld abgelehnt. Aber auch die erst während der Besprechung von der Sektion Kassel vorgelegte weiter nördlich liegende über Reibertenrod, Elbenrod führende Linie wurde von Alsfeld abgelehnt, weil sie wertvolles Südhanggelände durchfährt und so weit von Alsfeld abliegt, dass, um an die Autobahn zu kommen, erst der Ort Eudorf mit seiner langen, engen Wohnzeile durchfahren werden muss. Die Vertreter der Landesbauernschaft der Provinzialdirektion Oberhessen, der Kreisdirektion Alsfeld und Professor Knapp schlossen sich diesem ablehnenden Standpunkte an und traten für die Südlinie ein, die nach Angabe des Bürgermeisters der Stadt Alsfeld weniger und vor allem weniger wertvolles Gelände in Anspruch nimmt, den Zugang zur Autobahn in die Nähe von Alsfeld legt, die Zufahrt dorthin ohne Bahnkreuzungen und Ortsdurchfahrten ermöglicht und Alsfeld im Süden neben einer die Stadt dort schon einschnürenden Bahnlinie umfährt; also keinerlei Störung für die Entwicklung der Stadt mehr verursacht.

Die Südlinie führt über Zell, Altenburg, Eifa. Gegen diese Führung sprach sich der Vertreter der hessischen Forstverwaltung aus, während Herr Warnitz von der O.B.K. Kassel erklärte, dass er, ohne die Linie geprüft zu haben, nicht abschließend Stellung nehmen könne. Sie sei aber schwieriger als die nördliche, erfordere mehr Bahnkreuzungen und würde deshalb auch teurer als diese. Diese Auffassung vertrat auch der Vertreter der GEZUVOR Sektion Kassel, Dipl.-Ing. Denner.

Stadtrat Niemeyer erwiderte, dass hier so wichtige Interessen des Reichsnährstandes und der Stadt Alsfeld vorliegen, die auch dann berücksichtigt werden müssen, wenn bei Ausführung der Südlinie einige Schwierigkeiten in Kauf genommen werden müssen, wobei vorauszusetzen ist, dass die hierdurch entstehenden Kosten in tragbaren Grenzen bleiben.

Gegen die bisher geplante Weiterführung der Linie im Zuge des Schwarzwasser- und Jossatales und am Ostrande des Fuldatales hat die Landesbauernschaft Kurhessen Einspruch erhoben. Es ist deshalb die schon erwähnte Nordlinie über das Knüllgebirge ausgearbeitet. Es besteht aber die Möglichkeit, die von Alsfeld verlangte Südlinie von Eifa in Richtung Görzhain zu führen und dort an die geplante Nordlinie anzuschließen. Geschieht das, so werden sowohl die Wünsche der Landesbauernschaften Kurhessen und Hessen-Nassau und die der Stadt Alsfeld erfüllt. Die Sektion 8 Rhein-Main übernimmt es, die Übergangsstrecke von der Süd- zur Nordlinie schnellstens zu bearbeiten.

Auf die Schwierigkeiten der Nordlinie östlich Görzhain wurde mehrfach hingewiesen. Sie verkürzt zwar den Weg Frankfurt-Kassel um etwa sieben Kilometer, den Weg Frankfurt-Eisenach um etwa eineinhalb Kilometer, ohne dass sie deshalb, da die Strecke in Richtung Fulda später doch gebaut werden muss, weniger Baulänge erfordert.

Die mehrfach erwähnten Schwierigkeiten bestehen in erheblichen verlorenen Steigungen (unmittelbar vor dem Fuldatal ist noch eine verlorene Steigung von 150 Metern beim Übergang über den Bergrücken zwischen Aula- und Fuldatal zu überwinden) und der schwierigen Führung an den steilen Hängen des Ibratales mit seinen tiefeingeschnittenen Quertälern.

Doch es traten erneut Schwierigkeiten auf, Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Autobahnverwaltungen in Kassel und Frankfurt entstanden. Der damalige Reichsnährstand verwandte sich entschieden für die Wünsche der Stadt Alsfeld. So forderte die Landesbauernschaft in einem Brief vom 13.12.1934 an die oberste Bauleitung in Frankfurt kategorisch für den Raum Alsfeld die vorgenannte südliche Linienführung.

Am 23.01.1935 erging folgende Bekanntmachung: „Nachdem die Freigabe der durch den Kreis Alsfeld führenden Teilstrecke der Reichsautobahn Frankfurt-Gießen-Hersfeld durch den Herrn Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen zur weiteren Bearbeitung erfolgt ist, wird mit den Vermessungsarbeiten im Gelände alsbald begonnen. Die Hauptlinie führt von Bernsfeld zwischen Bleidenrod und Burg-Gemünden hindurch, an Maulbach und Ober-Gleen vorbei und alsdann zwischen Angenrod und Leusel hindurch, an Reibertenrod vorüber zur Kreisgrenze. Eine Variante, die neben der Hauptlinie bearbeitet wird, führt von Bernsfeld zwischen Bleidenrod und Burg-Gemünden hindurch, nördlich an Ehringshausen vorüber und geht alsdann zwischen Zell und Romrod und zwischen Alsfeld und Altenburg hindurch über Eifa zur Kreisgrenze. Die nähere Linienführung geht aus einer Übersichtskarte hervor, die für die Interessenten auf dem Kreisamt Alsfeld offen liegt.“

Der 22.03.1935 brachte dann die Entscheidung zugunsten der südlichen, d. h. der jetzigen

Linienführung. Am 11.04.1935 gab die Stadt – nachdem zuvor der damalige Ortslandwirt Willi Müller nochmals gehört worden war und nach Rücksprache mit seinen Landwirten keine Einwendungen erhob – ihre Zustimmung zu dem Entwurf. Die Geburtsstunde für den Verlauf der Autobahn um Alsfeld herum, die immer wieder als eine der besten bezeichnet wird, hatte geschlagen, und schon bald wurde die größte Baustelle eingerichtet, die Alsfeld seit dem gesehen hat. Oberbaurat Erban kam nach Alsfeld, in dem sich bald alles nur noch um den Autobahnbau drehte. Dank seiner Energie, seiner Tat- und Schaffenskraft, seiner ausgezeichneten menschlichen Qualitäten wurde ein besonderes Vertrauensverhältnis mit den Baufirmen, mit den am Bau beschäftigten Arbeitskräften, der Bevölkerung der Stadt und allen in Frage kommenden Behörden geschaffen, die es ermöglichten, dass die Teilstrecke der Autobahn um Alsfeld schon am 30.06.1938 dem Verkehr übergeben werden konnte, während die Eröffnung der Gesamtstrecke Gießen-Alsfeld am 04.12.1938 erfolgen konnte und damit zugleich die Strecke Darmstadt-Alsfeld fertiggestellt war. Insgesamt hatte das Autobahnnetz im Deutschen Reich 3.000 fahrbereite Kilometer. Am 04.04.1939 wurde die Straßenmeisterei gerichtet.

Alsfeld hatte seine Autobahn, die Stadt war für den großen Verkehr erschlossen, die Voraussetzungen für den Aufschwung des Gemeinwesens auf vielen Gebieten waren geschaffen. Zugleich war aber auch eine der schönsten Strecken der Autobahn überhaupt entstanden. Der Autobahnbau selbst hatte sich in wenigen Jahren schon entscheidend gewandelt. Von der mehr starren, konstruktiven Form der ersten Bahn im Rhein-Main-Gebiet hatte sich die Autobahn – durch das bergige Gelände begünstigt – durch ihr Einfügen in die Landschaft zu einem echten Bestandteil dieser Landschaft gewandelt. Den Erbauern dieser Straße gebührt das Lob, dass sich ihr Werk so ausgezeichnet in die Landschaft einfügt, dass es an keiner Stelle als Fremdkörper wirkt. Bei der Anlage dieser Bahn blieb, ob sich Brücken über weite Täler schwingen oder die Bahn durch Basaltstein gezwängt werden musste, die Großartigkeit – so meinte es einmal Ministerpräsident von der Natur erhalten, ja man könnte fast sagen Hassel bei einem Besuch in Alsfeld – die Natur wird durch die Autobahn erst wirkungsvoll unterstrichen.

Von welchem anderen Punkt hätte man einen so einzigartigen Blick über das Tal der Ohm oder der Fulda als von der Autobahn, die hier kühn ihre Brücken, die oft sogar durch Basaltsteinverkleidung der Landschaft angepasst sind, schlägt. Von woanders her würde man so ganz im Banne der schönen, mittelalterlichen Stadt mit ihren Zinnen und Dächern stehen, als von dem weißen Band der Autobahn, das in weitem Bogen Alsfeld umfährt, um von Meter zu Meter die Schönheiten unserer Stadt in einem anderen – womöglich noch schönerem – Blickpunkt erscheinen zu lassen.

So wurden viele Reisende erst durch die Autobahn auf die reizvolle, mittelalterliche Stadt aufmerksam gemacht und Stadt und Gebiet Alsfeld für den Fremdenverkehr erschlossen. Alles konnte aber durch den unseligen Krieg nicht mehr genutzt werden. Deshalb erkannten auch viele damals noch nicht, was heute Allgemeingut geworden ist, nämlich, dass die Autobahn eine neue Phase im Auf- und Ausbau der Stadt Alsfeld bedeutet hat. Es ist immer so gewesen, dass bei allen neuen Verkehrsplänen und neuen Verkehrsadern die letzten Auswirkungen nicht im entferntesten geahnt werden oder geahnt werden können. Im Jahre 1928 wurden die Pläne der Hafraba teils noch als Utopia bezeichnet und deshalb zu den Akten gelegt.

Dass eine derartige Entwicklung aber vorausgesehen wurde, zeigte sich bei einem schon vor vielen Jahren stattgefundenen Gespräch im Bundesverkehrsministerium. Ministerialrat Heller, der zuständige Referent für die Bundesstraßen und Bundesautobahn in Hessen, sagte damals, dass man sich im Reichsverkehrsministerium in Berlin beispielsweise schon 1938 im klaren gewesen sei, dass die Stadt Alsfeld aus verschiedenen Gründen heraus einen zweiten Autobahnzubringer, in erster Linie auch bedingt durch die etwas unglückliche Lage der ersten Zubringeranlage, benötige.

Bau des 2. Autobahnzubringers

Anfang April 1948 erfuhr die Stadt Alsfeld erstmals, dass sich das Autobahnamt Frankfurt mit der Errichtung eines 2. Zubringers zur Autobahn in der Gemarkung Alsfeld befasse. Dem Vernehmen nach war geplant, hierfür Gelände an der neuen Liederbacher Straße in Anspruch zu nehmen. Hiergegen erhoben sowohl der Bürgermeister als auch die Gemeindevertretung der Stadt Alsfeld noch im gleichen Monat Einspruch, weil durch die beabsichtigte Maßnahme die als Industriegelände vorgesehenen städtischen Grundstücke an der neuen Liederbacher Straße zum größten Teil (mit 4 ha) verloren gegangen wären. Nach dem Kriege wurde die Notauffahrt an der Pfefferhöhe als Zufahrt zur Bahn von den Kraftfahrzeugen in Anspruch genommen, vor allem auch deshalb, weil die Brücke der B 49 noch in den letzten Kriegstagen gesprengt worden war und so die Autobahn von den Fahrzeugen gekreuzt werden musste. Die städtischen Gremien vertraten daher die Auffassung, dass geprüft werden sollte, ob nicht diese Notauffahrt mit geringen Mitteln verkehrssicher gestaltet werden könne. Am 06.12.1948 fand in der Straßenmeisterei Alsfeld erstmals eine gemeinsame Besprechung seitens Vertretern der Stadt Alsfeld mit dem Autobahnamt und dem Kulturamt Lich statt. Hierbei wurde seitens des Autobahnstraßenamtes endgültig darauf verzichtet, den 2. Zubringer an der neuen Liederbacher Straße anzulegen und als Ersatz dafür das Gelände an der Pfefferhöhe vorgesehen. Die bereits vorhandene Ausfahrt auf der Romröder Seite sollte ausgebaut und der neue Zubringer auf der Alsfelder Seite kurz vor der Straßenbrücke angelegt werden. Die Durchführung der Arbeiten war für 1949 vorgesehen.

Da sich jedoch große Schwierigkeiten hinsichtlich der Geländebeschaffung ergaben, fanden dann neue Verhandlungen statt mit dem Ziele, den 2. Zubringer doch an der alten Liederbacher Straße anzulegen. Da diese Straße etwa niveaugleich mit der Autobahn liegt, versprach man sich dadurch eine wesentliche Kostenersparnis. Im April 1950 erstellte dann das Autobahnamt Frankfurt einen neuen Plan, in dem vorgesehen war, dass die 2. Anschlussstelle Alsfeld unter Benutzung der alten Liederbacher Straße mit Großtankstelle und Parkplatz geschaffen werden sollte. Die Stadt führte daraufhin die nicht ganz unkomplizierten Grundstücksverhandlungen durch und zahlte darüber hinaus dem Hauptanlieger eine Barentschädigung. Dann war längere Zeit große Ruhe hinsichtlich des Projektes eines 2. Autobahnzubringers, was zur Folge hatte, dass sich im Oktober 1953 auch das öffentliche Forum der Stadt Alsfeld eingehend mit der baldigen Durchführung dieser Angelegenheit befasste. Es wurde eine Resolution verfasst und diese allen beteiligten Behörden zur Stellungnahme und mit der Bitte um baldige Weiterverfolgung der Angelegenheit übersandt. insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass die Kreisstadt Alsfeld durch ihre Lage an der Autobahn und gleichzeitig als Schnittpunkt von drei mit starkem Güterverkehr belasteten Bundesstraßen als Knotenpunkt des Straßenverkehrs im oberhessischen Raum anzusehen ist. Bisher führte der gesamte Verkehr in Richtung Marburg und in das westfälische Industriegebiet über die Bundesstraße 62 durch die Stadt Alsfeld, womit eine erhebliche Verkehrsgefährdung in den schmalen Straßen verbunden sei. Darüber hinaus vertrat man den Standpunkt, dass die Ausführung des 2. Zubringers eine bessere verkehrsmäßige Erschließung des oberhessischen Raumes ermögliche und damit zu einer wirtschaftlichen Belebung unseres Gebietes beitragen würde.

Nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister von Alsfeld im Februar 1954 hat sich der Verfasser mit den zuständigen Stellen, vor allem dem Bundesministerium für Verkehr in Bonn, dem hessischen Verkehrsministerium in Wiesbaden, dem Autobahnamt in Frankfurt, dem Straßenbauamt in Gießen und ganz besonders mit Bundesminister Seebohm, dem Hessischen Minister für Verkehr, Franke, sowie den Bundestagsabgeordneten Pfarrer Gontrum und Merten und dem Landtagsabgeordneten Börger in Verbindung gesetzt. Große Unterstützung fand die Stadt Alsfeld beim Autobahnstraßenamt Frankfurt durch die Leiter Oberbaurat Erban, der schon 1935 im Bereich Alsfeld tätig war, und Oberbaurat Jagersberger sowie beim Straßenbauamt Gießen durch die Oberbauräte Knöll und Schwarz.

Die erste Besprechung fand bereits im März 1954 bei dem Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr in Wiesbaden statt. Es schlossen sich mehrere Vorsprachen in Bonn, in Wiesbaden und in Frankfurt an. Hier war es dann insbesondere wiederum Oberregierungsbaurat Erban, der die Bemühungen der Stadt Alsfeld nach besten Kräften unterstützte. Nachdem die neuen Planunterlagen, die den Bau an der Pfefferhöhe vorsahen, dann auch die Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums gefunden hatten, vor allem durch Ministerialrat Heller und Oberregierungsrat Vogt, sowie mehrere, zwar gut gemeinte, aber den Gesamtinteressen doch zuwiderlaufende Eingaben von Alsfeld aus der Welt geräumt waren und auch die schwierigen Grundstücksverhandlungen dank dem Verständnis der betroffenen Bauern, Landwirte und sonstigen Grundstückseigentümer zu einem guten Ende gebracht werden konnten, wurde dann im September 1955 mit dem Bau des 2. Autobahnzubringers in Alsfeld begonnen. Die südliche Rampe der Anschlussstelle Alsfeld-West wurde bereits am 15.03.1957 für den Verkehr freigegeben.

Die Stadt Alsfeld weiß wohl zu würdigen, welche technischen, aber auch finanziellen Schwierigkeiten bis zur – aber auch nach Inangriffnahme der Arbeiten – überwunden werden mussten und dass darüber hinaus durch die notwendig gewordene Verlegung und das Anheben der B 49 Mehrkosten in Höhe von 300.000 Mark entstanden sind.

Autobahn und Fremdenverkehr

„Raststadt an der Autobahn“, so nennt sich Alsfeld seit vielen Jahren, um zusammen mit seinem traditionellen Werbespruch „Heimstatt althessischer Bau- und Handwerkskunst“ und inzwischen noch „Europäische Modellstadt für Stadtsanierung“, die Touristen auf sich aufmerksam zu machen. Aus der Gegenüberstellung dieser drei Bezeichnungen ist schon zu erkennen: Alsfeld zehrt von seiner großen Tradition und bringt sie in Verbindung mit seiner günstigen Verkehrslage an der Autobahn mit seinen zwei Zubringern in unmittelbare Stadtnähe. So ist es kein Wunder, dass die Stadt, vor allem nach dem letzten Kriege, der so viel mittelalterliches Kulturgut zerstört hat, immer stärker von Fremden besucht wird. Zwar hat der Fremdenverkehr in den letzten Jahren allgemein eine beachtliche Zunahme erfahren. Bei den Alsfeld aufsuchenden Gästen handelt es sich überwiegend um Durchreisende. Sie erfreuen sich an den kulturhistorisch wertvollen Meisterbauten der vergangenen Jahrhunderte oder an den Schätzen unseres Heimatmuseums, erleben die anheimelnde Atmosphäre der Kleinstadt, zugleich Europäische Modellstadt für Stadtsanierung, und das heute noch lebendige Brauchtum, wie etwa das allabendliche Maiblasen von dem Turm der Walpurgiskirche oder das „Christkindwiegen“, wenn am Heiligen Abend die andächtige Bevölkerung auf dem Marktplatz steht, den Blick zu dem Lichterbaum auf dem Umgang des Turmes gerichtet und der frohen Weise zuhört, die die Geburt des Heilandes verkündet. Es sind aber auch viele Gäste, die Alsfeld wegen seiner verkehrsgünstigen Lage aufsuchen, mitten zwischen Hamburg und München oder Kassel und Frankfurt (Main) liegend, am Schnittpunkt von drei Bundes- und vielen Landstraßen. Die Werbeschriften machen immer wieder auf die günstige Lage aufmerksam. Leider hat die Rhönautobahn durch die Verkürzung nach München die Bedeutung von Alsfeld als Raststadt an der Autobahn gemindert.

Die Fremdenverkehrswerbung, die Betreuung der Fremden, vor allem durch die Fremdenführer, das Erhalten des Überkommenen und das Beleben mit neuem, fortschrittlichem Geist lässt sich die Stadtverwaltung besonders angelegen sein. Das hat zur Folge, dass die gemeldeten Übernachtungen in der Stadt von 12.226 im Jahre 1952 auf 31.838 in 1957 angestiegen und 1985 bei 43.000 in der Kernstadt und 12.000 in den Stadtteilen, die seit der Gebietsreform zu Alsfeld gekommen sind, liegen.

Schlussbetrachtung

Alsfeld hat mit seiner vorbildlichen Stadtsanierung, den Auszeichnungen als Landes- und Bundessieger beim Wettbewerb „Bürger, es geht um deine Gemeinde“ und als Europäische Modellstadt für Stadtsanierung und Denkmalschutz das Wort von Goethe beherzigt, das früher an der Rückseite des Rathauses stand und lautet:

„Manches Herrliche der Welt
ist in Krieg und Streit zerronnen,
wer beschützet und erhält,
hat das größte Los gewonnen.“

Im Stadtbild, als dem Ausdruck der geistigen Haltung der Bürger, spiegeln sich Tradition und Gegenwart. Das Stadtbild interpretiert am deutlichsten die Vergangenheit, aber weist mit seiner Stadtentwicklungsplanung in die Zukunft.

Die Geschichte von Alsfeld, aber besonders die Bemühungen, die traditionsreiche Stadt mit ihrem charaktervollen Gesicht und dem einmalig schönen Blick von der Autobahn auf die Stadtsilhouette, die durch die Stadterweiterungen nach dem letzten Kriege glücklicherweise kaum gelitten hat, haben es verdient, Ereignisse zu würdigen, die für die Stadtentwicklung Alsfelds von so großer Bedeutung waren und sind. Dazu gehörte der Autobahnbau im Bereich der Stadt Alsfeld mit der hervorragenden Verkehrslage, die Alsfeld damit erhalten hat. Möge für die Zukunft der Anblick der Stadt vom Band der Autobahn her so erhalten bleiben.

Anmerkung:

[01] Für den Druck überarbeitetes Manuskript eines Vortrages, den der Verfasser am 13.03.1986 anlässlich der Jahreshauptversammlung des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld im Regionalmuseum gehalten hat. Georg Kratz, Ehrenmitglied des Vereins sowie langjähriges Vorstandsmitglied m seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Stadt Alsfeld von 1954 bis 1967 und als Landrat des Landkreises Alsfeld von 1967 bis 1972, hatte sich um den Bau des zweiten Autobahnzubringers besonders eingesetzt und auf Grund des Aktenstudiums die Geschichte des Autobahnbaus bei Alsfeld nachvollziehen können. (Anmerkung der Schriftleitung)

Erstveröffentlichung:

Georg Kratz, 50 Jahre Autobahn in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Alsfelder Raumes, in: Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld, 13. Reihe, Nr. 13, 1988, S. 229-238.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von seinen Rechtsnachfolgern genehmigt.

[Stand: 06.06.2024]