Von Dr. Herbert Jäkel, Alsfeld (1992)
Das markante Bauwerk aus Stein, das gegenüber der weltbekannten Kulisse von Weinhaus, Kirchturm und Rathaus steht, und zwar in der Diagonalen zum dominierenden Kirchturm, ist ein weiteres baugeschichtlich großartiges Zeugnis des 16. Jahrhunderts am historischen Marktplatz von Alsfeld. Aber es ist nicht nur ein geschichtlich wertvolles Bauwerk, ein architektonisches Erbe erster Qualität, sondern ein Gebäude, das schon immer zu dem Leben dieser Stadt gehörte, in dem sich seit vier Jahrhunderten Tätigkeiten und Vorgänge vollzogen, die einen wesentlichen Teil des städtischen Lebens ausmachten. Es spielte im Leben der Bürger eine deutliche, wenn auch wechselhafte Rolle. Es war existent, weil es im täglichen Gebrauch war, es war aber auch desolat, wenn es das nicht war.
Unter dem Einfluss der europäischen Denkmalschutzbewegung (1973-1975) wurde das Hochzeitshaus im Rahmen der Altstadtsanierung – dank der Beschlüsse der städtischen Gremien, gefördert durch die Willensäußerung von Mitbürgern, begünstigt und letztlich ermöglicht durch das Konjunkturförderungsprogramm der Bundesregierung – wieder in den funktionalen Zustand zurückgeführt, für den es vor über 40O Jahren durch den Rat und die Bürgerschaft erbaut worden war. Hiermit ist erneut ein unter Denkmalschutz stehendes, städtebaulich wie historisch wichtiges Bauwerk mit neuem Leben erfüllt worden, ohne dass es zerstört oder durch einen „modernen“ Neubau ersetzt worden ist. Der so zu sehende Denkmalschutz ist keineswegs rückwärts orientiert, sondern weist in die Zukunft, ist durchaus progressiv im Sinne „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit“.
Der Renaissancebau
Das 1564 bis 157l erbaute Hochzeitshaus, das in der großen Zeit des sich politisch wie wirtschaftlich emanzipierenden Bürgertums zu Beginn der Neuzeit als Fest- und Tanzhaus geschaffen wurde, war nach der Errichtung des Rathauses (1512-1516) und des Weinhauses (1538) das dritte eindrucksvolle städtische Gebäude am Marktplatz, das innerhalb eines halben Jahrhunderts erstellt wurde. Durch die bewusste Absicht seiner Erbauung stand es mit den beiden anderen Gebäuden in einem wichtigen funktionalen Zusammenhang des städtischen Lebens: denn „weinkäufliches Verlöbnis“, [Seite-363] Bürgeraufnahme, Meisterprüfung, Ehevertrag, Trauung und Hochzeit spielten sich neben der Kirche gerade in diesen Gebäuden ab.
Es ist schon faszinierend, wenn man sich intensiver mit dem Hochzeitshaus beschäftigt, seine Bedeutung analysiert und seine Geschichte studiert, wozu auch Gefühl, Verständnis und Liebe gehören. Das von dem Steinmetzmeister Hans Meurer erbaute Hochzeitshaus bildet mit seiner interessanten Fassadenarchitektur eine städtebaulich äußerst wichtige Komponente zur Gestaltung des Marktplatzes, und zwar gerade in der schwierigen Südwestecke und gegenüber den anderen markanten Bauwerken; denn es erhielt zum Marktplatz hin eine dritte Giebelfront, wodurch die an der Marktplatzecke zusammenstoßenden Fronten mit einem schmalen, aber prunkvollen Erker verbunden werden konnten. Dieser reich gestaltete Erker beherrscht eindeutig diese Platzfront. Und genau das ist die noch heute so wirkende künstlerisch und architektonisch bestechende Leistung des Baumeisters Hans Meurer, der schon als Polier am Neubau des Weinhauses mitgewirkt und dem der Rat der Stadt den Auftrag für das Hochzeitshaus erteilt hatte.
In den Formen der Renaissance erbaut, mit sorgfältig profilierten Fenstergewänden und Gesimsen, reich ornamentierten Brüstungsplatten am Erker, prachtvoll gestalteten Portalen, klarer horizontaler Gliederung, dreistufigen, durch Pilaster und Gesimse gegliederten und durch Bögen und Voluten geschwungenen Giebeln sowie mit vielen Details, wie Bildnismedaillons, Halbräder mit Delphinen und Schellenzierrat, lateinischer Inschrift über das Erbauungsjahr, hessisches und Alsfelder Wappen, Kugeln und Steinmetzzeichen, versehen, verdeutlicht sich an diesem Bau echte Stadtbaukunst unserer Vorfahren. Ihre Hinterlassenschaft ist ein Erbe, das unsere Stadt und unsere Zeit sehr bewusst und in deutlicher Verantwortung übernommen hat, und zwar in einer Zeit, wo in anderen Städten noch fleißig abgebrochen und zerstört wurde. Und das hebt Alsfeld über viele andere Städte hinaus, auch wenn es woanders weit bedeutendere Renaissancegebäude gibt.
Seine Erbauung
Wie verschiedene Vermerke im Ratsbuch der Stadt Alsfeld nach den Untersuchungen von Karl Dotter erkennen lassen, standen an der Stelle des Hochzeitshauses vorher zwei Häuser. Am 15. Januar 1562 erwarb die Stadt das Haus des Heintz Hoffgarten für 550 Gulden. Das Haus gehörte von 1553 bis 1557 dem Bürger Seil Urtzel. Es stand unmittelbar an der Ecke der Mainzer Gasse und Baugasse. Das „alte Geholtz“ wurde an Gerlach Leußler für 63 fl. verkauft. Am 12. Juni 1562 hatte der „erbar Rath mit den vier Mannen vor Zünften und Gemein“ auch das nächste Haus in der „Menzergassen [Seite-364] gelegen“ dem Vormund von „Hen Thomas Borgenides Kindern“ für 250 fl. abgekauft. Den hinten anschließenden Bau verkaufte die Stadt für 25 fl. an Hansen Kaldenschnee. Aus einem verlorengegangenen Register über die Erbauung des Hochzeitshauses, das der Verfasser der Gilsa‘schen Chronik noch benutzt hatte, schrieb der Stadtschreiber Johann Nikolaus Neumann 1695 in das Ratsprotokoll folgendes ab: „Anno 1564 ist der Neue Bau zu bauen angefangen und 1571 fertig geworden, kostet 3.034 fl. 6 alb 5. Heller, laut Register“. Im Medaillon über dem Ostportal steht die Jahreszahl 1565. Die lateinische Inschrift am Erker zitiert ebenfalls die Jahreszahl 1565, womit wohl die Errichtung des Mauerwerks datiert ist. Doch zogen sich die Bauarbeiten noch bis 1571 hin, der Innenausbau sogar noch länger. 1599 hatte z.B. Michael Finck fünf Anrichten für die Küche und ein „Gegutter under den neuen Bau“, wie man das Hochzeitshaus oft, sogar bis heute nannte, zu machen.
Auf dem Hochzeitshaus befand sich früher eine Wetterfahne, die aus der Zeit der Erbauung stammte. Sie zeigt einen Löwen und vor ihm den Buchstaben A, aber ohne Jahreszahl. Das Original befindet sich im Regionalmuseum Alsfeld, eine Nachbildung wieder auf dem Hochzeitshaus. Eine spätere Veränderung fand an der Seite der Mainzer Gasse durch das Einbrechen eines weiteren Portals statt. Hier befand sich das gleiche Doppelfenster wie rechts vom Hauptportal – die oberen Ecken der Fenstergewände waren noch vorhanden, aber ihre Wiederherstellung scheiterte am Einspruch des Denkmalpflegers. Ferner waren anstelle des großen Fensters im Dachgeschoss auf der Baugassenseite je ein Fenster links und rechts daneben – auch deren Wiederherstellung hätte die Fassadenstruktur aufwerten können.
Wechselvolle Geschichte – wechselvolle Nutzung
Das Erdgeschoss, eine Halle mit vier imposanten Sandsteinsäulen und ursprünglich zwei Portalen, diente einst den Metzgern als Fleischschirn. Die Metzgerzunft zahlte nach den Rechnungen von 1674 bis 168l an die Stadt 4 fl. 10 alb „aus der Fleischschirn unterm neuen Bau“. Im ersten und zweiten Obergeschoß befanden sich die eigentlichen Festräume. Im ersten Obergeschoß nahm die sogenannte Hochzeitsstube zwei Drittel des ganzen Geschosses ein, wobei die beiden Holzsäulen etwa in der Raummitte standen. Der sehr geräumige Dachboden diente als Universitätsfruchtspeicher. Im Keller wurden die Speisen und Getränke bei Hochzeiten aufbewahrt.
Wie Karl Dotter durch seine vielen Quellenstudien bereits 1933 darstellen konnte, wurde das Hochzeitshaus – wie der Name besagt – für Hochzeiten der Bürger und für die festlichen Gelage der Stadträte bei der Herrenkür etwa bis 1756, aber mit zahlreichen [Seite-365] Unterbrechungen, benutzt. Schon im Dreißigjährigen Krieg kam es zu starken Einschränkungen. 1622 dürfte das Hochzeitshaus erstmals anlässlich der Besetzung der Stadt durch Truppen des Herzogs Christian von Braunschweig militärischen Zwecken gedient haben. Es war wohl auch wiederholt Zufluchtsort bei den wirren Kriegszeiten. In den Pestzeiten, wie 1590 und 1635/1636, wird das Gebäude leer gestanden haben. Von 1643 bis 1649 lag der Feind dort im Quartier und muss übel gehaust haben. Unter dem 25. Mai 165l verzeichnet das Ratsprotokoll „dass die oberste Stub ofm neuen Bau, so durch die Rosischen und hessischen Völker 1640 verwüstet worden, wieder renoviert worden, und ist dem Weißbindergesellen solche über Holz zu binden, zu weißen und um die Wand mit grüner Farb in Tafelung zu setzen, die Seite grün zu streichen, zugleich die Tür- und Fensterrahmen grün anzustreichen und mit (?) zu verfertigen vor und um 16 Reichstaler verdinget und bezahlet worden“. Schließlich war die Stadt um all ihr Silbergeschirr gekommen.
In den Jahren 1685 bis 1692 folgten wieder starke Truppendurchmärsche und damit Belegungen des Hochzeitshauses, mit dem Siebenjährigen Krieg ab 1757 Einquartierungen auf Einquartierungen, so dass das Hochzeitshaus durch Truppen von Freund und Feind ständig belegt war und 176l sogar ein englisches Lazarett aufnehmen musste. Darüber berichtete der Rat an die Regierung: „Es lag bald dieses bald jenes Regiment im Quartier, in 5 Wochen wohl 16 und mehr Regimenter. Diese Regimenter haben viele Kranken zurückgelassen. Es ist ein förmliches Hospital errichtet worden. 400 englische Kranke sind zusammengebracht worden. Nicht allein dieses, sondern auch das Weinhaus und viele andere Bürgerhäuser lagen voll hannöverscher Kranken“. Als das Lazarett aufgehoben wurde, wollte sich aus Angst vor Ansteckungen niemand im Hochzeitshaus aufhalten. Es stand leer und unbenutzt.
1783 Schlug die Regierung vor, das Gebäude zu einer Wohnung für den fürstlichen Rat Bender einzurichten, doch die Zünfte lehnten ab:
„1. es müsste, wenn die Verlegung zustande käme, eine neue Fleischschirn gebaut werden.
2. ist der Universitätsfruchtboden darauf befindlich.
3. Stehen die 2 Stadtspritzen in dem Haus und müsste dann ein neues Spritzenhaus gebaut werden.
4. Keller, in welchem die Bürgerschaft ihr Bier aufbewahrt.
5. Sollte ein Krieg entstehen, so würde solches zu einem Magazin und Lazarett wie im vorigen Krieg unentbehrlich sein.
6. Wenn ein Bürger baute, so wurde ihm das Hochzeitshaus als vorübergehende Wohnung angewiesen.
7. ist es möglich, dass ein Unglück in unsren Kirchen sich vorlegen und dadurch der [Seite-366] Gottesdienst gehemmt werden könnte und also kein andrer Platz zu Haltung desselben in der ganzen Stadt befindlich als in eben besagtem Haus.
8. Bei einem Brand müsste es die Zuflucht der Armen und Elenden sein können.“
Auch der Stadtrat lehnte ab.
Im Koalitionskrieg 1792-1797 wurde das Hochzeitshaus wieder mit Truppen stark belegt; besonders schlimm war die Einquartierung 1797, als die Franzosen ohne Unterbrechung bis zum 12. Dezember 1798 [12.12.1798] 578 Tage in Alsfeld lagen.
Als Alsfeld 1803 Garnisonstadt für das Füsilier-Bataillon der Brigade Landgraf werden sollte, schlug die Stadt vor: „Wir haben den Vorteil eines großen Gebäudes, welches vorhin zu öffentlichen Festen gebraucht, seit vielen Jahren aber nicht benutzt wurde. Dieses lässt sich zu einer ganz vorzüglichen Kaserne einrichten, welche wenigstens für 60 Mann geräumig, hoch, luftig, gesund und an dem Marktplatz gelegen ist“. Die Stadt erklärte sich sogar bereit, im Erdgeschoß eine „Hauptwache“ einzurichten. Den Marktplatz bezeichnete man schon als „Barraden-Platz“. Da die militärischen Behörden den Vorschlag akzeptierten, wurde das Hochzeitshaus mit einem Kostenaufwand von 3.057 fl. 4 Kreuzer und 1 Pfennig zu einer Kaserne umgebaut. Als aber die Garnison 1805 wieder abzog, stand das Gebäude erneut leer.
Die Stadt vermietete 1809 das Erdgeschoß an den Stadtadjutanden Johannes Bücking und an den Zollverwalter Friedrich Bücking, die ein Salzmagazin einrichteten. Davon rühren die starken Zerstörungen der Sandsteinsäulen her. 182l wollte man das zweite Stockwerk zu einer Lehrerwohnung einrichten mit einer Schulstube für 100 Mädchen. 1824 vermietete die Stadt die beiden mittleren Etagen und den kleinen Raum im Erdgeschoss, die sog. Schirn, an den Fabrikanten Wilhelm Eduard Hyppolite. Da sich im zweiten Obergeschoss seit Jahren das Alsfelder Gefängnis befand, behielt sich die Stadt diesen Raum vor. 1825 reparierte der Dachdeckermeister Jakob Rößner den Dachstuhl. 1829 zog auch eine Lagerhausgesellschaft mit den Kaufleuten Frieß und J. H. Waldeck ein. 1836 vermietete die Stadt das Salzmagazin. 1852 wurde im Keller ein Bierlager, 1846 im Erdgeschoß eine Fruchthalle eingerichtet.
Der in Rastatt gefangengenommene Bonner Professor und Freiheitskämpfer Gottfried Kinkel hat auf dem Gefangenentransport nach Preußen in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1849 in der Gefängniszelle im Hochzeitshaus übernachtet. Die jungen Leute vom Gesangverein hatten ihm ein Ständchen gebracht.
1873 zog schließlich die Landwirtschaftliche Winterschule ein, 1891 die neugegründete Gewerbeschule bis 1902 und nach Wegzug der Landwirtschaftlichen Winterschule 1913 das Museum des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, das bisher [Seite-367] im Weinhaus untergebracht war. Das Erdgeschoß wurde vom städtischen Bauamt bis 1950 als Geräteraum benutzt. Nachdem das Hochzeitshaus 62 Jahre lang als Museum gedient hatte, wurde es im Frühjahr 1976 vom Museumsgut, das bis zur Fertigstellung des neuen Regionalmuseums in der Rittergasse ausgelagert werden musste, geräumt und umgebaut, um es wieder z.T. seiner ursprünglichen Nutzung zuzuführen.
Hochzeiten und festliche Gelage von einst
Wie der Name besagt, war das Hochzeitshaus tatsächlich für die Hochzeiten und Festlichkeiten, die vorher im Rathaus, auf dem „Danzbotten“ (heute Sitzungssaal), stattfanden, erbaut worden. Es hatte damit einen festen Platz im Lebenslauf der Bürger, vor allem da, wo sich der Familienstand entscheidend änderte. Karl Dotter hat dies eindrucksvoll dargestellt:
Das „weinkäufliche Verlöbnis“ wurde im Weinhaussaal begangen. Wollte ein Bräutigam in den Ehestand treten, erwarb er zunächst beim Rat das Bürgerrecht und suchte zugleich um Aufnahme in die Zunft nach. Vor der Eheschließung wurde der Ehevertrag beim Stadtschreiber aufgerichtet. Punkt 1 bestimmte für diejenigen, denen „es zu wissen nötig“, dass die beiden Verlobten sich einander „nehmen, haben und behalten, auch ihre Ehe durch priesterliche Kopulation konfirmieren lassen wollen“; Punkt 2 enthält im Einzelnen, was der Bräutigam mit in die Ehe bringt; Punkt 3 zählt die Mitgift der Braut auf; Punkt 4 bestimmt, wie es im Todesfalle „ohne Hinterlassung lebendiger Leibeserben“ gehalten werden soll.
Mit dem „Gang zur Kirchen über die Straßen“, oft mit Musikbegleitung, schritt man zum Traualtar. Hier wurde die Orgel gespielt, wobei sich der sog. Zimbelstern drehte. Der Organist bekam die sog. „Brautsuppe“. Bei den Schenkhochzeiten oder vornehmen Hochzeiten wirkte auch der Turmmann mit seiner Kapelle (Stadtmusik) oder das Collegium musicum mit. Nach der kirchlichen Trauung ging man über den Marktplatz zur Hochzeitsfeier in das Hochzeitshaus, mit Musik und dem Jauchzer der Burschen auf der Straße.
Die Zahl der Gäste war groß, manchmal bis zu hundert Personen. Das Festessen und der Tanz waren die Hauptbestandteile der Hochzeitsfeier. Aus dem städtischen Weinhaus wurden die Getränke geliefert. Die Stadt hatte einen eigenen Koch und stellte das Geschirr. 1598 sollten von jedem Dutzend Schüsseln 12 Pfennig gegeben werden. Ein „Orator“ hielt die Festrede. [Seite-368]
Zum Tanz spielten Stadtmusik und Gesellen. 1592 engagierte der Rat noch einen besonderen Spielmann für Hochzeiten, wobei Aufgabe und Entlohnung genau festgelegt wurden.
In gehobener Stimmung gab es auch oft Streit, der in den Gerichtsbüchern seinen archivalischen Niederschlag gefunden hat. Daraus geht so manche „Begebenheit“ hervor. Als Waffen benutzte man Leuchter, Kannen, Gläser und Teller. Es gab Prügel, wobei auch Braut und Bräutigam nicht verschont blieben. Im Februar 1582 hat „Cathrin, Hans Korbers Tochter, auf ihrem Ehrentag Hans Rebentischs Sohn Lorenz mit einem Leuchter ins Gesicht geschlagen“. Im Jahre 1583 wird vermerkt: „Johann Schlanhofs Knecht hat auf Johannes Lenthen Hochzeit mit Johannes Stoern eines Kranzes halber sich gezankt und miteinander geschlagen“. 1586 heißt es: „Werner Wolf hat Johannes Schmerglumpfen auf Seil Welckers Hochzeit mit einer Kanne auf den Kopf geschlagen“. Im Jahre 1600 erhielt Kurt Volpert aus Schwabenrod 6 alb 8 Heller Strafe, weil er „auf einer Hochzeit Hensel Fauln aufs Maul geschlagen“.
Auf der Hochzeit des Alsfelder Rektors Justus Bücking genannt Kimpel im Herbst 1600 entstand ein heftiger Streit zwischen dem Junker Johann von Gilsa und seinem Stiefvater, dem wohlhabenden Bäckermeister, Ratsherrn und späteren Bürgermeister Kurt Schlanhof, der seine verwitwete Mutter geheiratet hatte. Bei einer anderen Hochzeit im Jahre 1607 hatte Johannes Holtzmöller „Ungepür mit Gläserbrechen gehalten“ und als ihm der Bürger Hermann Keul gewehrt habe, er solle die Gläser nicht zerbrechen, habe Holtzmöller gesagt: „Du Schelm und Schafdieb, was gehet es dich an! und sobald mit einer Kann Wein auf den Kopf geschlagen, dass ihm das Blut herausgeflossen“. Für das Gläserbrechen erhielt der Übeltäter 7 alb Strafe, weil er Keul einen Schelm und Schafdieb gescholten 2 alb, und für das Schlagen ebenfalls 2 alb Strafe.
Auch die Spielleute blieben nicht verschont. 1606 hatte der Weißgerber Henrich Hann. dem Turmmann Werner „in Gegenwärtigkeit aller Hochzeitleut mit einem steinernen Maßkrug […] beinahe mordlicherweise an sein Haupt geworfen, dass er lange Zeit zum Arzt gehen müssen“.
Der Bettelvogt musste Bettler abweisen, der städtische Beamte Ordnung halten und ungebetene und unerwünschte Gäste fernhalten. Auch für diese Fälle gibt es Eintragungen, wie 1587: „Der Hennsellern Tochter hat auf Curt Klopfels Hochzeit ungeladen getanzt, 5 alb Strafe“, oder 1601: „3 alb 4 Heller Strafe für Peter Urstadt, dass er auf einer Hochzeit mit einer ungeladenen Jungfrauen getanzt“. [Seite-369]
Während gegen Mitternacht Braut und Bräutigam mit Musik in deren Wohnung gebracht wurden, feierten die Gäste meist bis in den Morgen weiter. Manche Hochzeitsfeier erstreckte sich über eine ganze Woche. Daher gab es Hochzeitsordnungen. 1537 bestimmte Landgraf Philipp. dass die Zahl der Gäste auf 10 Mägde und 10 Knechte festgelegt werde. 159l bestimmte der Rat der Stadt, dass keine Kinder teilnehmen dürfen. 1671 wurde wegen „also dem grausamen Nachtlermen, die sonderlich bey Hochzeiten furgangen“, das Spielen bis 9 Uhr festgesetzt und für diejenigen, die „mehrenteils die Nacht hier beym Saufen sitzen bleiben“ und daher morgens den Gottesdienst versäumten, 1 fl. Strafe festgesetzt. Nach dem Ratsprotokoll vom 25. Juli 1727 hatte der „Bürgermeister folgendes proponiert:
1. dass künftighin das junge Volk oder sonst niemand, welcher nicht geladen, nicht mehr wie bisher aus böser Gewohnheit geschehen, auf eine Hochzeit gehen und dem Tanz beiwohnen, sondern sich des Baues oder Hochzeitshauses gänzlich meiden soll und zwar bei 5 fl. Strafe.
2. dass das junge Volk, besonders die Handwerksbursche und andere, wer es auch sein mag, um 9 Uhr abends, sodann die ganze Nacht durch, von der Straße bleiben soll, gleichfalls bei 5 fl. Strafe“.
Das Hochzeitshaus wurde auch gerne bei der Herrenkür benutzt, d. h. bei der Wahl des Bürgermeisters oder der Ratsmitglieder. Da fanden zum Teil recht festliche Gelage statt. Da die Wahlen jedes Jahr stattfanden und immer wieder neue Bürger in das Schöffenkollegium aufgenommen worden sind, waren solche Feiern an der Tagesordnung. Als z.B. Curdt Schlanhoff in das Schöffenkollegium aufgenommen wurde, gab er am 22. September 1593 ein Essen, das aus Huhn, gewürztem Essen, Wurzelfleisch, dreierlei Braten, Käse und Kuchen bestand. Am folgenden Tag gab es noch einen „Schepffen-Imbiss“: Sauerkraut und grünes Schweinefleisch, grünes Trockenfleisch mit Peterseligenkraut, gedörrtes Rindfleisch mit Senf, Braten, Käse und Kuchen.
Das größte Ereignis
Das wohl gewaltigste Fest fand, wie von Galéra anführt, am 19. Juni 1664 [19.06.1664] nach der Einweihung der renovierten Dreifaltigkeitskirche statt. Wie die Abrechnungen aussagen, speisten am ersten Tisch 25 vornehme Gäste; die fürstlichen Abgesandten, die Junker, die Beamten, der Inspektor, der Medikus, auswärtige Pfarrer. Der zweite Tisch war „für etzliche wenige Weiber“ der Herren vom ersten Tisch – es waren 13 – reserviert gewesen. Am dritten Tisch saßen 24 Personen: Schultheiß, Forstschreiber, [Seite-370] acht Pfarrer, Rektor, Konrektor und fünf Studiosi. Am vierten Tisch saßen 16 Herren, am fünften, dem Männertisch, 10 Bürger, am sechsten 8 Personen, am siebten Tisch 12 Knaben, am achten die Musikanten von Alsfeld, Darmstadt und Zwingenberg. An weiteren Tischen saßen noch 29 Offiziere und Bediente, der Bettelvogt, zwei Stadtdiener, beide Küchenweiber, arme Leute. Das Gesinde, die Knechte und Mägde, wurden auf der „understen Neuen Baustub“ gespeist. Für die Wein- und Bierfässlein waren drei Schenken angestellt, für das Eingießen zwei Wein- und Bierausträger, für das Silber-, Zinn- und Gläsergeschirr ein Tafeldecker. Die Gläser waren in Marburg, die Römer in Frankfurt gekauft worden. Bürgermeister Hartmann, Bäckermeister, hatte dafür zu sorgen, dass auf zwanzig Tischen Brot, Wecken, 25 Butter- und 25 Knupfenkuchen sowie Brezeln vorhanden waren.
Die Kosten beliefen sich auf 249 fl. 21 alb 6 hlr, die von den wohlhabenden Bürgern vorgeschossen wurden. Georg Wick gab 122 Gulden für Wein, Bier, Karpfen, Gänse und Hühner, Johannes Finck 95 Gulden für Schwein, Rind, Kalb, Schinken, Speck, Butter, Johann Georg Steub 14 Gulden für Forellen, drei Hasen und Gewürze (Zimt, Ingwer, Pfeffer, Rosinen, Hutzucker, Mandeln, Nelken, Konfekt, Salz, Eier usw.). Die etwa 180 Personen verzehrten vom Mittag bis in den Abend ein Schwein, einen Zentner Rindfleisch, einen Zentner Kalbfleisch, sechs Schinken von zusammen zwanzig Pfund, einen Zentner Karpfen, drei Ohm und 13 Maß Wein, ebenso viel Bier.
Restaurierung – Modernisierung – Nutzungsänderung
Unter dem Einfluss der vom Europarat und von EUROPA NOSTRA initiierten Denkmalschutzbewegung mit der dreijährigen Kampagne von 1973 bis zum Höhepunkt des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975, in der Alsfeld eines der 51 europäischen Pilotprojekte und Modellstädte war, hatten die politischen Gremien der Stadt Alsfeld 1975 beschlossen, das Hochzeitshaus – nach Aus- und Umzug des Heimatmuseums des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld in das Regionalmuseum in der Rittergasse – möglichst seiner ursprünglichen Funktion und Nutzung wieder zuzuführen.
Für die Absicht, das Hochzeitshaus mehr in die urbanen Lebensnotwendigkeiten einzubeziehen, gab es schon seit Jahren die verschiedensten Vorstellungen. Nach einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Gießen 1974 reichten die Meinungen von unterirdischen Garagen und öffentlicher Toilette bis zum Kaufhaus und Tanzlokal. Lediglich die Anregungen für ein Café und für Verwaltungsräume entsprachen der schon lange von einem Arbeitskreis für Altstadtsanierung und Denkmalpflege vorgeschlagenen neuen Nutzung.
[Seite-372] Dank der Initiative der Arbeitsgemeinschaft historischer Fachwerkstädte und des Landeskonservators konnte erreicht werden, dass die Baumaßnahme in das Konjunkturförderungsprogramm der Bundesregierung aufgenommen wurde. Die Arbeiten erfolgten unter Einbeziehung des benachbarten Fachwerkhauses in zwei Bauabschnitten. Der 1. Bauabschnitt war mit 1 Million DM Baukosten in das Programm zur Stärkung von Bau- und anderen Investitionen, Sonderprogramm Stadtsanierung, vom Oktober 1975 gekommen und von Bund und Land mit je 40 Prozent bezuschusst worden. Der 2. Bauabschnitt erfuhr bei einer weiteren Baukostensumme von 1 Million DM ebenfalls eine Förderung durch das Programm für Zukunftsinvestitionen (ZIP) mit je 33,4 Prozent von Bund und Land. Die Gesamtkosten für Umbau, Restaurierung und Inneneinrichtung des Hochzeitshauses und des Fachwerkgebäudes Mainzer Gasse 2 betrugen 3,1 Millionen DM, wozu die Stadt Alsfeld aus Eigenmittel 1.632.000 DM aufgebracht hat.
Die Bauarbeiten begannen 1976 und hatten zunächst zu umfangreichen und zeitraubenden Sicherungs- und Betonarbeiten an den Stütz- und Grundmauern sowie zum Ausbau der alten Geschoßdecke zwischen Erd- und erstem Obergeschoß geführt. Die Geschossdecke wurde höher verlegt und durch eine Betondecke ersetzt. In dem durch zwei alte Gewölbe gegliederten Keller des Hochzeitshauses entstand eine Wein- und Bierstube, im Erdgeschoss mit seinen vier mächtigen Sandsteinsäulen ein Tagescafé mit einer Galerie und im 1. Obergeschoss der Hochzeitshaussaal in einstiger Größe. Leider konnte durch die schnellen Bauarbeiten die frühere Bemalung dieses Saales nicht mehr festgestellt werden. Das 2. Obergeschoß und das Dachgeschoss wurden für die Verwaltung des städtischen Bauamtes eingerichtet. Im Nachbarhaus, mit Durchbrüchen verbunden, sind Verkaufsladen und Backstube der Bäckerei und Conditorei untergebracht worden.
Das Äußere des Hochzeitshauses erfuhr eine wesentliche Veränderung. Der noch in den 20er-Jahren verputzte, dann freigelegte und steinsichtig berappte Renaissancebau wurde wieder verputzt, nur die Werksteine der Portale, Fenster, Gesimse, Giebel und des Erkers blieben sichtbar und erhielten z.T. eine farbliche Fassung nach den festgestellten Farbspuren. Der einstimmig vom Bauausschuss gefasste Beschluss, das durch Reste der oberen Gewände belegte Doppelfenster links des Portals an der Mainzer Gasse und damit die originale Fassadenstruktur der Renaissance wiederherzustellen, wurde von dem zuständigen Denkmalpfleger abgelehnt. Nach dessen Vorstellungen musste auch die bestehende Ortsatzung geändert werden, um den Einbau einer Ganzglastüre zu ermöglichen. Auf den Willen der Denkmalpflege ging auch die Inneneinrichtung der Erdgeschosshalle zurück, um ganz deutlich eine moderne Konzeption in einem wertvollen historischen Gebäude durchzusetzen.
[Seite-375]Noch im Jahre 1978 wurden die Büroräume des Stadtbauamtes bezogen, 1979 konnte der Außenputz angebracht und die Inneneinrichtung fertiggestellt werden. Etwas länger dauerte die Herstellung des Hochzeitshaussaales. Mit Marktkeller, „Café im Hochzeitshaus“ und städtischen Verwaltungsräumen wurde ein wertvolles Baudenkmal einer neuen Nutzung zugeführt. Das war ein weiterer Beitrag zur funktionalen Erhaltung der Altstadt im Sinne der Urbanität und für die Bedeutung des Marktplatzes als der historischen Mitte der Stadt Alsfeld.
Quellen
Meyer-Barkhausen, Werner: Alsfeld, in: Alte Städte in Hessen, Band 1, Marburg 1927.
Dotter, Karl: Das Hochzeitshaus zu Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 6. Reihe, Nr. 22, 1933, S. 185-197.
Galéra, Karl Siegmar Baron von: Die Geschichte der Stadt Alsfeld. Von den Anfängen bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges, Eigenverlag der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1974, S. 221 ff.
Großmann, Dieter: Alsfeld. Aufnahmen von Erich Müller, 2. Auflage, 1976, S. 24-27.
Jäkel, Herbert: Verschiedene Berichte in der Oberhessischen Zeitung (12.06.1976, 13.09.1976, 27.09.1976. 29.06.1978)
Erstveröffentlichung
Jäkel, Herbert: Das Hochzeitshaus zu Alsfeld. Nicht nur ein Baudenkmal zum Anschauen – auch ein Teil der Urbanität, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen, Band 77, Gießen 1992, S. 361-376.
(Der Oberhessische Geschichtsverein Gießen e.V. – Geschäftsstelle – Stadtarchiv Gießen, Rathaus, Berliner Platz 1, 35390 Gießen, Telefon: +49 (0) 641 306 15 49, E-Mail: , Internet: www.ohg-giessen.de – hat die Veröffentlichung des Textes von Dr. Herbert Jäkel auf www.Geschichtsforum-Alsfeld.de gestattet. Herzlichen Dank!) (Original-Abruf-Adresse im Internet: http://dx.doi.org/10.22029/jlupub-3737)
[Stand: 01.01.2024]