Von Karl Dotter, Alsfeld (1933)
Am Marktplatz, Ecke der Mainzer Gasse und der Baugasse. Eingang von der Baugasse. Grundbuch: Nr. 131 alt, Nr. 573 neu. Im Volksmund „der Bau“ genannt. Erbaut 1564-1571. Eigentümerin: die Stadt Alsfeld. Zur Zeit [1933] Museum des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld.
Über das Hochzeitshaus oder den „Bau“, wie er im Volksmunde genannt wird, sind keinerlei zusammenhängende Akten aus der Entstehungszeit vorhanden. Es war auch seither unbekannt, was an Stelle des jetzigen Baues früher gestanden hat. Es erhebt sich die Frage: Hat an Stelle des Hochzeitshauses einmal ein älterer Bau gestanden, der den gleichen Zwecken diente wie das spätere Gebäude? Die Antwort auf diese Frage lautet verneinend. [Seite-186] Die Angaben, die über die Zeit der Erbauung des Hochzeitshauses gemacht werden, stimmen nicht immer miteinander überein. Die Angabe der Gilsaschen Chronik, wonach das Hochzeitshaus in den Jahren 1564-1571 erbaut worden sein soll, ist richtig. Der Verfasser stützt sich offenbar auf ein jetzt verlorenes oder unauffindbares Register über die Erbauung des Hauses, das auch der Alsfelder Stadtschreiber Johann Nikolaus Neumann im Jahre 1695 benutzt hat, als er in das Ratsprotokoll schrieb: „Anno 1564 ist der Neue Bau zu bauen angefangen und 1571 fertig worden, kostet 3.034 fl. 6 alb. 5 Heller, laut Register.“ [01] Er selber bemerkt dazu, dass er diese Notiz aus einer vorhandenen Rechnung abgeschrieben habe.
Mit dieser Angabe stimmt auch die Inschrift am Hause überein, die folgendermaßen lautet:
„Annos quingentos si ter conjugere tentas –
Et bis ter denos addere quinque simul –
Tempus habes certum domus haec quoque publica primum –
Conditur auspicia maxime, Christe tuo.“
(Nimm 500 dreimal und setze sechsmal 10 und zugleich 5 hinzu, so erfährst Du, wann der Bau errichtet wurde.) Die hier genannte Zahl 1565 findet sich auch über dem Ostportal nach der Baugasse zu.
Unrichtig ist die von Meyer-Barkhausen ausgesprochene Vermutung, wonach das Hochzeitshaus in den Jahren 1561-1565 erbaut worden sein soll. [02] Er stützt seine Behauptung auf eine in den verbrannten Stadtrechnungen enthaltene Angabe aus dem Jahre 1561, wo Arbeiten im „Neuen Bau“ erwähnt werden. Die Bezeichnung „im neuen Bau“ ist aber mit Vorsicht aufzunehmen. Sie wird im 16. Jahrhundert auch mit Bezug auf andere Bauwerke der Stadt gebraucht.
Die Frage, was an Stelle des jetzigen Hochzeitshauses früher gestanden hat und wann dasselbe frühestens erbaut worden sein kann, wird neuerdings durch eine bisher unbeachtete Notiz im „Ratsbuche der Stadt Alsfeld“ geklärt. [03] Es heißt auf Seite 110:
„Anno d. 1562 den 15. Januari ist Heintz Hoffgarten die Behausung am Markt, so Seil Urtzels gewesen, durch ein ehrbaren Rat und die vier Mann von Zünften und Gemein abgekauft worden, davor ime fünfhalb Hundert Gulden, Inhalt Brief und Siegel, bezahlt worden und seint Seil Urtzels Hausfraue darzu zu Irer Gepurde zwanzigk zwei Gulden vergnüget.
Anno eotem ist dieselbige forderst Behausung Gerlach Leußlern das alte Geholtz verkaufft worden um 63 fl., welcher innerhalb zweier Jahr bezahlen soll; hat 50 fl. bezalt.
Es stand aber an Stelle des heutigen Hochzeitshauses noch ein zweites Gebäude. Dies geht aus folgendem Eintrag des Ratsbuches hervor:
„Anno d. 1562 den 12. Juni hat ein erbar Raht mit den 4 Mannen von Zünften und Gemein Christopher Gilsemann und Hen Thomas Borgenides Kindern medtlin Vormunde, ihre Behausung in der Menzergassen gelegen, an vorgemeltem Haus, abgekauft, davor sie ihnen 2½ Hundert Gulden Landeswährung bezahlet.
Anno eotem ist der hinterste Bau an vorgemeltem Haus Hansen Kaldenschnee verkauft worden um 25 fl.“
An der Stelle des heutigen Hochzeitshauses standen also vor dem Jahre 1562 zwei Bürgerhäuser. Das eine, unmittelbar an der Ecke der Mainzergasse und der Baugasse gelegene Gebäude gehörte von 1553-1557 dem Bürger Seil Ortzel (Urtzel). Von 1559-1562 war Heinz Hoffgarten Besitzer des Hauses. [04] Das Nachbargebäude in der Mainzergasse erscheint 1557 im Besitze des Bürgers Borgenicht.
Erbauer des Hochzeitshauses war der Steinmetzmeister Hans Meurer, auf den die am Hause befindlichen Buchstaben H. M. S. hinweisen. Beachtenswert sind die an dem Gebäude in reichlicher Zahl vorhandenen Steinmetzzeichen. Der Renaissanceerker nach dem Marktplatze zu trägt außer der erwähnten Inschrift die beiden Wappen von Hessen und Alsfeld. Über einem Rundbogenportal in [Seite-187] der Baugasse erblickt man eine menschliche Gestalt mit einer Schellenkappe. Sie stellt anscheinend die Freude, die weltliche Lust, dar, während die am Kreuz erhöhte Schlange auf die durch den Kreuzestod Christi überwundene Sünde hinweisen soll.
Der unterste Stock gleicher Erde diente in alter Zeit den Metzgern als Fleischschirn. Er war später Spritzenraum, Aufbewahrungsplatz für Geräte usw. Im 2. und 3. Stock waren die eigentlichen Festräume. Die Raumeinteilung in älterer Zeit ergibt sich aus beiliegendem Plan. Sie ist heute anders als damals.
Welchen Zwecken das Hochzeitshaus später diente, werden wir noch sehen. Der sehr geräumige, heute ausgebaute Dachboden diente in alter Zeit als Fruchtspeicher. Er war der Universitätsfruchtboden; später war er an Alsfelder Bürger vermietet. Die Baurechnungen aus den Jahren 1674-1681 machen darüber folgende Angaben:
„5 fl. 10 alb. die Metzgerzunft aus der Fleischschirn unterm neuen Bau.
1 fl. 13 alb. H. Johann Georg Steub für den Gebrauch des Bodens auf dem neuen Bau.“
Vom Jahre 1677 ab benutzte der Alsfelder Stadtschreiber Heinrich Pfaff den Dachboden. Unter dem Gebäude befinden sich sehr geräumige Keller, in welchen man in alter Zeit die Speisen und Getränke bei Hochzeiten aufbewahrte. Später wurden die Kellerräume an Alsfelder Bürger vermietet.
Nach der baulichen Fertigstellung des Hochzeitshauses, im Jahre 1571, scheint das Gebäude noch nicht gleich in Benutzung genommen worden zu sein. Jedenfalls hat die Vollendung der Inneneinrichtung auch noch einige Zeit in Anspruch genommen.“ [05] Denn als der Stadtschreiber Henrich Bücking jun. im Frühjahr 1572 Hochzeit hielt, feierte man diese nicht in dem Bau, sondern auf dem Rathause.
Einst galt das Versprechen mit Handschlag und Mund,
Da hatte die Feder noch Ruh’.
Schloss damals ein Pärchen den eh’lichen Bund,
So brauchte man wenig dazu.
Man schrieb im Kontrakt bei der Liebe Schwur
Statt Namen und Titel ein Kreuzlein nur,
Das Kreuz kam nicht nach so wie heut’.
Das war eine köstliche Zeit!
(Lortzing, Der Waffenschmied)
Von der ersten Liebe bis zum Verlöbnis und Ehestand war ein weiter und oft dornenvoller Weg. Hatte sich ein Paar zum Lebensbunde die Hand gereicht, so wurde zuerst das „weinkäufliche Verlöbnis“ gefeiert. In der Wohnung oder auch im Weinhaus ging es bei solchen Gelegenheiten hoch her. [Seite-188]
Wollte man nun in den Ehestand treten, so erwarb in der Regel der Bräutigam zunächst das Bürgerrecht. Die Eintragung desselben in die Alsfelder Bürgerliste durch den Stadtschreiber fällt gewöhnlich mit dem Jahr der Verheiratung zusammen. 1633, Oktober 8. [08.10.1633] meldet das Ratsprotokoll folgendes: „Ist von Herrn Beamten samt einem ehrbaren Rat beschlossen worden, dass hinfürters keiner, so sich allhier für einen Bürger angibt, er sei ausländisch oder einheimisch, eingesegnet oder kopuliert werde, er habe darzuvor sein Bürgergeld entrichtet.“ Zu gleicher Zeit suchte der junge Ehemann um seine Aufnahme bei der Zunft nach. Der eigentlichen Eheschließung ging die Aufrichtung eines Ehevertrages voraus. Dies wurde niemals versäumt. Er wurde vor dem Alsfelder Stadtschreiber abgeschlossen. Das Alsfelder Stadtarchiv besitzt aus der Zeit von etwa 1701-1820 Hunderte solcher Eheverträge. Sie sind in familiengeschichtlicher Hinsicht von großer Bedeutung. Sie nennen nicht nur die Ehegatten selber, sondern auch ihre Eltern, Vormünder und Verwandten, auch geben sie einen vorzüglichen Einblick in die beiderseitigen Vermögensverhältnisse. Der Ehevertrag ist in der Regel in 4 Punkten abgefasst. Punkt 1 bestimmt für diejenigen, denen „es zu wissen nötig“, dass die beiden Verlobten sich einander „nehmen, haben und behalten, auch ihre Ehe durch priesterliche Kopulation konfirmieren lassen wollen,“ Punkt 2 enthält im Einzelnen, was der Bräutigam mit in die Ehe bringt; Punkt 3 zählt die Mitgift der Braut auf. Der letzte 4. Punkt bestimmt, wie es im Todesfalle, „ohne Hinterlassung lebendiger Leibeserben“ gehalten werden soll. Die späteren Eheverträge enthalten hier oft eine hübsche poetische Redewendung: nämlich: „Im Todesfalle setzen beide Verlobte Schleier bei Hut und Hut bei Schleier.“ Der Schleier ist das Kennzeichen für die Braut, der Hut das Attribut des Mannes. Die Redewendung will daher besagen: Eines soll des anderen Besitz in diesem Falle [Seite-189]
erben. Die Eheverträge enthalten dann am Schlusse die Unterschriften der beiderseitigen „Zeugen und Beistände.“
Waren alle Vorbedingungen erfüllt, so schritt man zu dem Trauungsakte. Eine Ziviltrauung wie heute kannte man damals nicht. „Der Gang zur Kirchen über die Straßen“, erfolgte in feierlicher Weise, oft unter Musikbegleitung. Die Trauung vor dem Pfarrer vollzog sich im Allgemeinen in den heute noch üblichen Formen. Orgelspiel fehlte nicht dabei. Im Jahre 1703 dagegen klagt der Organist, dass das Orgelspielen bei Hochzeiten stark eingestellt worden sei. Die alte Orgel in der Walpurgiskirche hatte eine merkwürdige Einrichtung, eine Art Spielerei, den sogenannten Zimbelstern, der nur bei Hochzeiten gebraucht wurde. Eine mechanische Einrichtung löste diesen Stern aus, sodass er sich rasch umherdrehte. Er war noch im Jahre 1720 im Gebrauch. Für ihre Mühewaltung erhielten der Organist, der Opfermann (Kirchendiener) und der Kalkant besondere Vergütungen.
Das Schulsalbuch vom Jahre 1682 bestimmt darüber: „Wann die Orgel bey einer Hochzeitspredigt allein geschlagen und nicht musiziert wird, bekommt der Organist für sich allein 2 Kopfstück sambt einem Trunk und Stück zu essen.“ (die sogenannte „Brautsuppe“) Später wurde diese durch einen Geldbetrag abgelöst. Um 1806 bekam der Organist bei einer Hochzeit für sein Spiel 30 Kreuzer und an Stelle der Brautsuppe 10 Kreuzer Vergütung. Der Kalkant erhielt von einer Kopulation 10 Kreuzer und der Opfermann (Kirchendiener) 30 Kreuzer.
Es gab sogenannte „Schenkhochzeiten“ oder vornehme Hochzeiten und einfache Hochzeiten. Bei ersteren wirkte meist auch der Stadtmusikus mit seiner Kapelle oder das Collegium musicum mit. „Wann eine vornehme Hochzeit ist“, so berichtet das Salbuch von 1682, „da wird der Direktor musices sambt den Musikanten umb [Seite-190] eine Musik in der Kirchen angesprochen und bekommen pro labore einen Trunk, sambt einem Stück zu essen.“
Nach der kirchlichen Trauung trat man den Gang über die Straße zur Hochzeitsfeier im Hochzeitshause an. Dabei fehlte nicht die Musik über die Gasse. Der „Jauchzer“ der Burschen auf der Straße spielte dabei eine große Rolle. Kleine Hochzeitsfeste einfacher Leute wurden im Wohnhause abgehalten. Die Zahl der geladenen Gäste im Hochzeitshause richtete sich nach den Vermögensverhältnissen der Gastgeber. Gäste bis zu 100 waren keine Seltenheit. Die Hauptbestandteile der Hochzeitsfeier bildeten das Festessen auf dem Bau und der Tanz. Die Getränke wurden aus dem städtischen Weinhause geliefert. Die Stadt hatte lange Jahre einen eigenen Stadtkoch, der in einer besonderen Uniform bei festlichen Gelegenheiten aufwartete. [06] Die Stadt stellte zu dem Festessen das erforderliche Geschirr. 1598, Juni 16. [16.06.1598] ist abgehandelt, weil die Stadt Zinnwerk machen lassen, dass hinkünftig, wer Schüsseln brauchen will, soll vom jeden Dutzend geben 12 Pfennig.“ Die Verrechnung der Einnahmen war Sache des Baumeisters. 1651 meldet das Ratsprotokoll, dass „durch die in unserem Vaterlande entstandene große Kriegsunruhe die Stadt Alsfeld um all ihr Silbergeschirr gekommen“ sei. Beim frohen Festesmahle wurden Reden gehalten. Der Beruf des „Orators“ erscheint einmal in den Stadtakten. (1680 Johann Georg Lipp, Orator)
Dem Tanze wurde nach überstandenem Mahle ausgiebig gehuldigt. Der Stadtmusikus und seine Gesellen mussten fleißig dazu aufspielen. Am 26. Mai 1592 wurde neben dem Turmmann noch ein besonderer Spielmann für Hochzeiten von dem Rate engagiert. Das Ratsprotokoll meldet darüber folgendes „Auf Ansuchen Reitz Bauers haben Bürgermeister und Rat ihnen angenommen uf hochzeitlichen Ehrendagen, ob Bräutigam und Braut zween Spielmenner haben wollen, und er Reitz Bauer, ohn dieses u. g. F. und Herrn sein Pit ein Drommen halten muss. Wan dann Schenkhochzeiten sein, sollen die Hochzeiter ihme Reitz Bauern mit seinen Gespilen geprauchen und ihm von Weinkauf und Hochzeit zu Lohn geben 10 alb., ob aber die Hochzeitere zu den Schenkhochzeiten ihnen Reitz Bauern nicht haben, sondern eines andern gebrauchen wolten, soll gleichwohl Reitz Bauer seinen Lohn haben, doch mehr nicht als siebenthalben alb. und ist ihm hiermit auferlegt, dass sie die Spielleute zu den Schenkhochzeiten von denen gebetenen Gästen keine Geschenke aufheben oder Deller uffsetzen sollen, auch sich nicht über die Diesch drängen, sondern ihres Essen mit den Dienern gewärtig sein.“
1614-1635, Oktober 5. gestorben, Jost Arzt, Koch, geboren 1579, vermählt mit Elisabeth Rim. Grabstein auf dem Alsfelder Friedhof. 1614 erhielt er von der Stadt eine silberne Haube mit dem Stadtwappen zum Geschenk.
1655-1670 Hans Arzt, Stadtkoch; vermählt mit Anna Schopbach.
1685 Pfründner im Hospital.
Bereits 1527/1528 erscheint ein Koch, Jorge Meister. (Vgl. Kastenregister.)
1533 Bürger in Alsfeld.
Am 17. Juli 1626 wurde der Alsfelder Bürger Meister Kaspar Fischer von dem Rate zu einem Turmmann und Musicum angenommen. In seinem Vertrage heißt es bezüglich seiner Mitwirkung bei Hochzeiten: „Soll auch, da er allhier auf Hochzeiten aufwartet, 2 Reichstaler haben von vermöglichen Leuten, so Schenkhochzeiten halten; was aber unvermöglich, soll mit ihm handeln.“
Hatte der Wein aus dem städtischen Weinhause die Gemüter erhitzt, so gab es nicht selten Streit; ja sogar Prügel wurden verabreicht. Beliebte Waffen waren dabei die Leuchter, Kannen, Gläser oder Teller, mit denen man warf. Auch die Spielleute bezogen ab und zu ihre Prügel. Sogar der Bräutigam oder die Braut wurden mitunter handgreiflich. Die Gerichtsbücher melden uns darüber allerlei. 1582 im Februar hat „Cathrin, Hans Korbers Tochter, auf ihrem Ehrentag Hans Rebentischs Sohn Lorenz mit einem Leuchter ins Gesicht geschlagen. 1583 rügt der Bettelvogt: „Hans Decher hat auf Jost Opels Hochzeit Weiganten den Steindecker zum zweitenmal abgestoßen“, und „Johann Schlanhofs Knecht hat auf Johannes Lenthen Hochzeit mit Johannes Stoern eines Kranzes halber sich gezankt und miteinander geschlagen.“ 1586 wird gerügt: „Werner Wolf hat Johannes Schmerglumpfen auf Seil Welckers Hochzeit mit einer Kanne auf den Kopf geschlagen.“ [Seite-191] Im Jahre 1600 sind die Klagen über schlimmes Verhalten bei den Hochzeiten besonders häufig. „Henrich Lipp hat auf einer Hochzeit Peter Reichwein zu Boden geworfen und ein Messer ausgezogen.“ – Hermann Obermann erhält 6 alb. 8 Heller Strafe, weil er „auf dem Tanzboden zu einem Weinkauf dem Ufmerker zu Drotz gejauchzet.“ – Die gleiche Strafe erhielt Kurt Volpert aus Schwabenrod, weil er „auf einer Hochzeit Hensel Fauln aufs Maul geschlagen.“ Als ihn einer heimgehen hieß, warf er ihn kurzerhand in die Liederbach. – „Max Wagener, Knecht, ist zu seines Meisters Kirchgang mit Valtin Urben seines Jauchzens halben uneinig worden.“
Im Herbst des Jahres 1600 entspann sich anlässlich der Hochzeit des Alsfelder Rektors Justus Bücking genannt Kimbel [07] ein heftiger Streit auf dem Hochzeitshause, der sich auf der Straße und in den Nachbarhäusern fortsetzte. Die Hauptbeteiligten an diesem Zanke gehörten vornehmen Leuten der Stadt an. Es waren der Ratsherr und spätere Bürgermeister Kurt Schlanhof [08] und sein Stiefsohn, Junker Johann von Gilsa. [09] Der angesehene und begüterte Bürgermeister und Bäcker Kurt Schlanhof hatte 2 Jahre zuvor eine zweite Ehe mit Maria, der Witwe Werners von Gilsa eingegangen. Vielleicht mag Johann von Gilsa, der damals 28 Jahre alt war, seiner Mutter oder auch seinem Stiefvater Schlanhof wegen dieser Ehe gegrollt haben. Jedenfalls kam es bei der oben erwähnten Hochzeit zu einem hitzigen Streit, in dem der junge von Gilsa keine hübsche Rolle spielte. Als Schlanhof das Hochzeitshaus verließ, um sich nach seiner Wohnung am Markte [10] zu begeben, verfolgte ihn Gilsa und beschimpfte und bedrohte ihn. Der Streit setzte sich im Hause des Rentschreibers Leußler, der neben dem Hochzeitshause wohnte, [11] fort und fand sein Ende erst, als Schlanhof seine Wohnung erreicht hatte. Starker Weingenuss mag den jungen Gilsa zu seiner Handlungsweise verführt haben. Vor Gericht bedauerte er sein Vorgehen und gab seinem Stiefvater die erforderliche Genugtuung. [12] 1602 wurde bei einem Hochzeitsfest wieder der Leuchter als Waffe gebraucht.
Im Mai 1604 entstand anlässlich einer Verlöbnisfeier auf dem Weinhause ein heftiger Streit. Der Bettelvogt Kaspar Formhals rügte, „dass zu Weigeln Sohns hochzeitlichem Weinkauf (er) Achtung ufs Dantzen gehabt, hat des Keisers Sohn aus der Reibertenrod, wie zwen Reihen gedanzet, ein Unwillen angefallen. Wie nun Kaspar Formhals solches gesehen, hat er ihm den Unwillen verboten oder sollt des Danzens aufhören. Hat des Keisers Sohn ihn, Kasparn, sobald zu schlagen bedrohet. Nach der Hand, wie das Volk verlaufen, haben des Keisers und Klaus Koereln Sohn von Schwabenrod Kasparn in der obersten Weinstuben bloe und blutig geschlagen. Wie sie aus dem Weinhaus gangen, hat sie Antonius Oedlingk angeredet, warum sie als Junggesellen den Mann so übel geschlagen, hat des Keisers Sohn geredet, er Antonius lüge es wie ein Schelm und sollt ihn Gottes Sakrament schänden, auch sein Wehr ausgerauft und Dongessen zu gehauen, dass ihm Dönges nach dem Brauhaus entweichen müssen. Demnach haben beide Knecht Casparn vorm Hovertor bey Lorenz Bückings Garten noch einmal bei Nacht nahe au den Doht geschlagen, dass Hermann Herbst und Weiden Hans Casparn erretten müssen.“ Die beiden Uebeltäter kamen gelinde davon. Mit 7 bzw. 5 Albus Strafe wurde ihr Vergehen geahndet. [Seite-192] 1605 wiederum im Mai rügte Kaspar Formhals, der Aufmerker, den Michel Fink, dass er auf Jeremias Lippen Hochzeit Johannes Bonzen uf dem Neuen Bau in der Unterstuben auf die Erde geworfen und ein Heilergeschrey von Weibern aus ermeltem Ehrentag erreget. Am gleichen Tage rügte der Aufmerker, dass Antonius Spengeller und Jost Stumpfen Bäckerknecht auf Elias Böckings Hochzeit sich auf dem Markt geschlagen und einen Tumult angefangen.
Mitunter wurden gelegentlich solcher Hochzeiten auch alte Schulden beglichen. Henrich Hahn hatte sich bei einer Hochzeit ungezogen gegen die Spielleute benommen und den Turmmann mit einem steinernen Maßkrug geworfen. Werner Koch, der Turmmann wartete auf eine passende Gelegenheit, ihm die Sache heimzuzahlen. Als dann Kurt Schörlings Tochter Hochzeit hielt, hat er seinen Gegner „abends auf freier Straße bloe und blutig geschlagen, ihm den Kragen vom Leib gerissen, mit höhnischen spöttischen Worten ausgeschrieen, ihn mit seinem Schlagen dermaßen zugerichtet, dass er 4 Wochen nicht arbeiten können.“ Freilich ging dieser Akt der Selbstjustiz für den Turmmann nicht straflos aus.
Verstimmung und Ärger machte auch vor dem eigenen Bruder oft nicht halt. „1607 hat Peter Urstadt seinen Bruder Philipp auf Jeremias Wicken Hochzeit durch die Fenster geworfen und Philippsen Weib unnütze Worte gegeben.“ Zur gleichen Zeit rügt Kaspar Formhals den Johannes Bapst, dass er „auf Johannes Fiddelers Hochzeit Hans Bruchley mit verächtlichen Worten angedastet, einen großen Tumult erregt, auch denselben endlich geschlagen und verwundet, dass er zum Arzt gehen müssen.
1607 klagte der Bürger Hermann Keul, „dass er beneben ehrlichen Bürgern auf dem Neuen Bau auf Henrich Hans Sohn Ehrentag über Tisch gesessen, wäre Johannes Holtzmöller genannt Gundermann von seinem Tisch aufgestanden, zu Keuln und seiner Gesellschaft über ihren Tisch sich gesetzt und Ungepür mit Gläserzerbrechen gehalten. Als ihm Keul gewehrt, er sollte die Gläser nicht zerbrechen, hat Holtzmüller zu Keuln gesagt: Du Schelm und Schafdieb, was gehet es dich an! Und sobald mit einer Kann Wein auf den Kopf geschlagen, dass ihm das Blut herausgeflossen.“ Für das Gläserzerbrechen erhielt der Übeltäter 7 alb. Strafe, weil er ihn einen Schelm und Schafdieb gescholten 2 alb., und für das Schlagen ebenfalls 2 alb. Strafe.
1608 auf der Hochzeit des Forstschreibers Erasmus Diel beleidigte Henrich Lipp den Reitz Bapst mit übeln Schimpfworten, und beide warfen sich mit Gläsern und Tellern.
Auch die Spielleute bezogen ab und zu ihre Prügel. 1572, am 8. Mai heißt es: „Weigand Wechter rügt, es habe sich zugetragen, dass er auf dem Rathaus zur Hochzeit des Stadtschreibers beim Tanz gewesen, da sei Augustinus Jesus kommen und sonder alle Ursache ihm auf das Maul geschlagen zu zweimalen, dass er also sich zur Gegenschützung hat stellen müssen und ihm der Fiddeln, dieweil daran ein Stück gewesen, geschlagen.“ 1597 beklagt sich der Turmmann und Stadtmusikus über ungezogene Gäste. Im Oktober 1606 meldet das Gerichtsbuch: „Werner der Turmmann rügt Henrich Hann den Weißgerber, dass er zu Stoffel Kicks Sohns Hochzeit uf dem neuen Bau, ohnerachtet dass die Spilleudt ihre Freiheit haben, habe er Hann keine Ursache gegeben, doch habe Hann in Gegenwärtigkeit aller Hochzeitleut mit einem steinernen Maßkrug ihm Werner beinahe mordlicherweis an sein Haupt geworfen, dass er lange Zeit zum Arzt gehen müssen. Der Übeltäter kam mit der gelinden Strafe von 5 alb. davon.
Der Festestrubel im Hochzeitshause lockte immer eine Schar ungeladener und unerwünschter Gäste herbei. Vor der Türe sammelten sich die Bettler und suchten auch etwas von den Brosamen zu erhaschen, die von des Reichen Tische fielen. Hierbei musste der Bettelvogt die Ordnung aufrecht erhalten. Bei solchen Gelegenheiten gab es auch öfters Streit und Zank. Der Beamte, der „Aufmerker“ oder der „Bettelvogt“, hatten es dann nicht leicht. Es drängten sich nicht nur ungeladene Burschen und Mädchen. die gerne auf eine billige Art tanzen wollten, unter die Gäste, sondern auch Kinder, die mit ihrem Geschrei unbequem wurden. Klagen dieser Art sind sehr häufig.
1582 meldet das Gerichtsbuch: „Der Schopach hat einen Unwillen auf dem Dantzbotten angefangen, war nicht geladen, Paul Thiell desgleichen getan. Diese nachfolgenden haben ungeladen getanzt: Enders Steiffe, Johannes Winholt, Johannes Wolfs Knecht, Johannes Wicken des Jungen Knecht, der Decher.“ – [Seite-193]
1587: „Der Hennsellern Tochter hat auf Curt Klopfels Hochzeit ungeladen getanzt, 5 alb. Strafe. – 1585: „Gerhard Lobers Tochter hat auf Heinz Obermanns Tochter Hochzeit ungeladen getanzt, 6½ alb. Strafe.“: – 1590: „Auf Ruel Webers Tochter Hochzeit hat Johannes Schlanhofs Knecht gedanzt. Dum (?) und Dummes Schnurche auf Ruel Webers Dochter Hochzeit getanzt. Ist ein geringer Kirchgang und nicht viel Handels gewesen, auch nichts Ungebührliches geschehen, derhalben keine Buß erkannt.“ 1596: „Elias Lobers Sohn, Nawheintzen Jung, Georg Schrumpfen medelein, dass sie wider Verbot ihren Eltern auf des Steinmöllers Hochzeit nachgefolget.“ – 1597 klagt der „Ufmerker“, dass einer 2 Kinder auf den Bau geschickt habe, deren sich nicht zu erwehren war; sie seien „als unter die Leut gekrochen.“ – 1597 gelegentlich einer Hochzeit, „als die Schützen auf das Weinhaus gangen“ wurde einer angehalten, weil er ungeladen tanzte. Er entschuldigte sich damit, er habe sich für berechtigt gehalten, da „sein Bruder doch auf die Hochzeit geschenkt habe.“ – Dass auch der Hochzeitsgast, der mit einem Ungeladenen tanzte, bestraft wurde, beweist ein Vorfall aus dem Jahre 1601: „3 alb. 4 Heller Strafe für Peter Urstadt, dass er auf einer Hochzeit mit einer ungeladenen Jungfrauen getanzet.“ – Im gleichen Jahre, im April, wird wieder über das Eindringen von Kindern bei einer Hochzeit auf dem neuen Bau geklagt. – 1618 im Februar rügt der Aufmerker, dass er auf Peter Knöttels Hochzeit folgende ungeladenen Personen beim Tanze erwischt habe: Dietrich Bleymeister, Curt Wolfs Tochter, Reitz Babsten Tochter, Henrich Diehls Stieftochter, Peter Riedmollers Stieftochter, Helwig Finken Stieftochter. Von der Strafe mit je 5 alb. erhielt der Aufmerker, wie üblich die Hälfte.
Im Hochzeitshause selber sorgte ein städtischer Beamter für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung. Zwischen 1676-1691 erscheint ein besonderer Saalwächter auf dem Neuen Bau. (Vgl. Beilage: Saalwächtereid)
Gegen Mitternacht wurden Braut und Bräutigam mit Musik nach ihrer Wohnung gebracht. Die Gäste feierten aber bis in den Morgen hinein weiter. Nicht selten erstreckte sich die Hochzeitsfeier über eine ganze Woche. Da sich diese Gewohnheit mit der Zeit zu einem Übelstand herausbildete, welcher der Unmäßigkeit und Völlerei Vorschub leistete, wurden ab und zu Hochzeitsordnungen erlassen.
Die erste Hochzeitsordnung Landgraf Philipps des Großmütigen datiert vom Jahre 1537. Sie lautet: „Der Artikel der Hochzeit soll mit der Zahl der Personen zu laden vestiglich gehalten werden, und soll darüber ein igkliche Braut über 10 Megde und der Bräutigam über 10 Knechte, Gefreunde oder Ungefreunde, geladen oder ungeladen, nicht haben oder zulassen. Und als in unsrer voriger Ordnung gesatzt, dass Braut und Bräutigam auf den Abend 3 Tisch und den Morgen des andern Tages auch 3 Tisch dann mögen und darüber nicht, dasselbig soll ganz zumal abgestellt sein. Und so man des 1. Brauttages die Braut vom Tanz heimbringt, so soll darnach auf den Abend. kurzum, kein Tisch mehr gehabt oder geladen werden, sondern ganz abgestellt sein, und ein jeder wieder in seinem Haus leben wie vor, noch weniger des andern Morgens, alles bei Peen in der vorigen Ordnung aufgesetzt.
Solche Hochzeitsordnungen waren bald wieder vergessen. Sie mussten von Zeit zu Zeit erneuert und den Bürgern in Erinnerung gebracht werden. Am 21. Januar 1591 bestimmte der Rat. „dass zu Kindtaufen und Hochzeiten keine Kinder zu ihren Ehrendegern gehen sollen, item zur Herrenkür desgleichen keine Kinder oder Gesinde, sondern allein die beeidigt Bürger kommen sollen, bei gebührlicher Straf. Weilen aber hiebevor gebräuchlich, dass den Armen und andern Weck geben werden, sollen künftig denselbigen unter dem neuen Bau ihr Gepür entrichtet und damit abgewiesen werden.
1640 erschien eine gedruckte Hochzeitsordnung, die bald wieder in Vergessenheit geraten sein muss, denn 1653 wurde eine neue Hochzeitsordnung erlassen.
Am 3. März 1671 sah man sich genötigt, wieder eine Hochzeitsordnung erlassen: „Ist auch wegen Ordnung bey den Hochzeiten geredet und noch desselben Tages bey den Glocken angezeiget worden, dass bei allen Hochzeiten solten zu 9 Uhrn nach dem Geleute die Spielleute sich abschaffen und alles aufgehoben werden, damit also dem grausamen Nachtlermen, die sonderlich bey Hochzeiten furgangen. möchte hierdurch gesteuert werden. Item. weil alle Pastores klagen, dass ihre Zuhörer von den Dorffen Sambstags hereingehen und mehrenteils die Nacht hier beym Sauffen [Seite-194] sitzen bleiben, als ist bei der Glocken angezeigt, welcher Becker oder Bierwirth wird einigen von den Dorfsen herbergen, nachdem er sich vollgesoffen, der hernach morgens den Gottesdienst verseumen wird, der soll Straf geben 1 fl., der Gast aber ½ fl.“
Vielleicht war dieser Erlass von einer nachhaltigen Wirkung; möglicherweise gaben aber auch schlechte Zeiten den Ausschlag, denn das Tanzen bei den Hochzeiten wurde stark beschränkt. Am 6. Januar 1714 übergab der Stadtmusikus und Turmmann Jeremias Rüffel ein Memorial an den Stadtrat, worin er sich beklagte, dass das Tanzen auf den Hochzeiten eingestellet und dadurch seine Nahrung geschmälert werde. Aus diesem Grunde bat er, ihm „zu seiner Substistent ein Additamentum zu verordnen.“ Die Folge war der Erlass einer neuen Tanzordnung am 21. Mai 1715.
Die letzte vorhandene, im Ratsprotokoll niedergelegte Hochzeitsordnung stammt vom 25. Juli 1727. Sie lautet: „Heute Jakobitag, nach gehaltenem Amtskirchenkonvent, kam noch um 10 Uhr vormittags der E. E. Rat zusammen, dabei Bürgermeister folgendes proponierte:
1. dass künftighin das junge Volk oder sonst niemand, welcher nicht geladen, nicht mehr wie bisher aus böser Gewohnheit geschehen, auf eine Hochzeit gehen und dem Tanz beiwohnen, sondern sich des Baues oder Hochzeitshauses gänzlich meiden soll und zwar bei 5 fl. Strafe.
2. dass das junge Volk, besonders die Handwerksbursche und andere, wer es auch sein mag, um 9 Uhr abends, sodann die ganze Nacht durch, von der Straße bleiben sollen, gleichfalls bei 5 fl. Strafe.“
Nicht nur bei Hochzeitsfesten wurde der Bau benutzt, sondern auch bei anderen Gelegenheiten. Bei der sogenannten Herrenkür, d. h. der Wahl des Bürgermeisters und des Rates fanden festliche Gelage in den Räumen statt. Wir erfahren darüber mancherlei aus den Gerichtsbüchern. Am 16. Januar 1578 klagt der Bürger und Bäckermeister Asmus Winholt gegen Gerlach Heylmann, dass er ihn am 5. Januar auf dem neuen Bau bei der Herren-Chur beleidigt habe, indem er ihn beschuldigt, er sei einem Manne zu Gemunden unter Kassel an einer großen Schuld 2 Taler schuldig geblieben. – Georg Rieß rügt am 4. Februar 1585, „als er vom Neuen Bau zur Herrn-Chur gangen, sei ihm einer des Nachts begegnet, sei vermutlich des Stecken Peder gewesen. Als er gefragt, wer er sei, habe er ihm geantwortet: Ich will dirs sagen und sobald mit einer kupfernen Kann darnieder geschlagen. Als nun sein Stiefvater (sehen wollte), wie das zugehe, ist ermelter Peter herzu gelaufen, Heinkeln auch mit der Kann auf den Kopf geschlagen und mit Gewalt davon gelaufen. Strafe: Dieweil er ein lediger Gesell ist und nichts zu bezahlen hat, soll er deswegen zur Haften gebracht und mit dem Turm bestraft werden.“
Das Hochzeitshaus diente seinem eigentlichen Zweck, für den es gebaut worden war, nicht sehr lange. Nur etwa 185 Jahre war es als Festgebäude in Benutzung. Rechnet man aber die Jahre des Krieges ab, während denen es anderweitige Verwendung fand, so ist die Zeit noch wesentlich kürzer. Bereits bei der Besetzung Alsfelds durch den Herzog Christian von Braunschweig zu Beginn des 30-jährigen Krieges mag das Hochzeitshaus militärischen Zwecken gedient haben. Stand es ja doch den größten Teil des Jahres ohnedies völlig leer. Noch schlimmer war es gegen Ende des Krieges, wo die Niederhessen 6 Jahre lang, von 1643-1649 in Alsfeld als Feinde im Quartier lagen. Wer wollte ferner in Pestzeiten, wie in den Jahren um 1590 und 1635/1636 sich in eine größere Gesellschaft begeben, wo die Ansteckungsgefahr besonders groß war? Als die Niederhessen endlich nach dem Westfälischen Frieden abgezogen waren, sah man erst, welchen Schaden sie überall angerichtet hatten. Im Weinhause und im Hochzeitshause, wo die Völker gehaust hatten, sah es ganz besonders übel aus. Die Räume mussten hergerichtet werden; selbst die Uhr auf dem Weinhause, die durch die Niederhessen ruiniert worden war, musste 1651 für 4 Reichstaler wieder erneuert werden. Vom Hochzeitshause meldet das Ratsprotokoll vom 25. Mai 1651, „dass die oberste Stub ofm Neuen Bau, so durch die Rosischen und hessischen Völker 1640 verwüstet worden, wieder renoviert worden, und ist dem Weißbindergesellen solche über Holz zu binden, zu weißen und um die Wand mit grüner Farb in Tafelung zu setzen, die Seite grün zu streichen, zugleich die Tür- und Fensterrahmen grün anzustreichen und mit (?) zu verfertigen vor und um [Seite-195] 16 Reichstaler verdinget und bezahlet worden.“ Es fehlte damals an allen Ecken und Enden. Das Silbergeschirr war der Stadt, wie bereits erwähnt, im Kriege abhanden gekommen. Ein Erlass vom Jahre 1653 mahnte die Bürger zur Mäßigkeit bei Hochzeiten.
Nach dem Kriege folgten Jahre des Aufschwunges, und auch das Hochzeitshaus sah wieder frohe Gäste in seinen Mauern. Die starken Truppendurchmärsche aber in den Jahren 1685-1692 dämpften die Festesfreude manchmal. 1702 am 8. Mai machte man einen Kontrakt mit dem Meister Anton Freihöffer wegen eines neuen Daches auf dem Bau. Dass die Zeiten zu Beginn des Jahrhunderts nicht rosig waren, erkennt man an der Klage des Organisten 1703, der sich über das fast gänzliche Einstellen des Orgelschlagens bei Hochzeiten beklagt. 1714 klagt der Stadtmusikus, dass man bei Hochzeiten nicht mehr Musik mache und tanze. Die Glanzzeit des Hochzeitshauses war dahin. Die Anzahl der jährlich geschlossenen Ehen war ja ohnedies niemals sehr groß. Vom Jahre 1731 ab finden sich die Eheschließungen im Alsfelder Kirchenbuche aufgezeichnet; vorher haben wir keinen Maßstab. Es wurden in den Jahren
1731 – 12 Paare proklamiert und 10 davon in Alsfeld getraut,
1732 – 24 Paare proklamiert und 17 davon in Alsfeld getraut,
1733 – 32 Paare proklamiert und 28 davon Alsfeld getraut,
1734 – 16 Paare proklamiert und 12 davon in Alsfeld getraut,
1735 – 13 Paare proklamiert und 10 davon in Alsfeld getraut,
1736 – 18 Paare proklamiert und 16 davon in Alsfeld getraut.
Als 1756 der 7-jährige Krieg begann, war das Hochzeitshaus als Festgebäude völlig erledigt. Von 1757 ab erfolgte Einquartierung auf Einquartierung Freund und Feind zogen durch die Stadt, aber keiner von beiden war in seinen Ansprüchen bescheidener als der andere. Das leer stehende Hochzeitshaus wurde fast dauernd mit Truppen belegt. 1761 war ein englisches Hospital in dem Bau. In einem Bericht an die hessische Regierung vom 29. April 1761 heißt es: „Es lag bald dieses bald jenes Regiment im Quartier, in 5 Wochen wohl 16 und mehr Regimenter. Diese Regimenter haben viele Kranken zurückgelassen. Es ist ein förmliches englisches Hospital errichtet worden. 400 englische Kranke sind zusammengebracht worden. Nicht allein dieses. sondern auch das Weinhaus und viele andere Bürgershäuser lagen voll hannöverscher Kranken.“ Als das Lazarett im Bau aufgehoben war, mochte niemand sich in dem Gebäude aufhalten. Jeder fürchtete die Ansteckungsgefahr. Als Festhaus kam der Bau gar nicht mehr in Frage. Er stand lange Jahre leer und unbenutzt.
1783 machte die Regierung den Vorschlag, das Gebäude zu einer Wohnung für den fürstlichen Rat Bender einzurichten. Die Bürger verhielten sich zu diesem Vorschlage ablehnend. Am 26. September 1783 reichten sämtliche Zünfte einen Bericht ein mit folgender ablehnenden Begründung:
1. es müsste, wenn die Verlegung zustande käme, eine neue Fleischschirn gebaut werden.
2. ist der Universitätsfruchtboden darauf befindlich.
3. stehen die 2 Stadtspritzen in dem Haus und müsste dann ein neues Spritzenhaus gebaut werden.
4. Keller, in welchem die Bürgerschaft ihr Bier aufbewahrt.
5. Sollte ein Krieg entstehen, so würde solches zu einem Magazin und Lazarett wie im vorigen Kriege unentbehrlich sein.
6. Wenn ein Bürger baute, so wurde ihm das Hochzeitshaus als vorübergehende Wohnung angewiesen.
7. es ist möglich, dass ein Unglück in unsren Kirchen sich vorlegen und dadurch der Gottesdienst gehemmt werden könnte und also kein andrer Platz zu Haltung desselben in der ganzen Stadt befindlich als in eben besagtem Haus.
8. Bei einem Brand müsste es die Zuflucht der Armen und Elenden sein können.
Aus diesem Bericht erfahren wir, zu welchen Zwecken das Hochzeitshaus im Laufe der Jahre benutzt worden ist. Der Stadtrat kam am 16. Oktober 1783 zu einem ablehnenden Beschluss.
Wenige Jahre später, in dem Kriege Frankreichs gegen die erste Koalition [Seite-196] 1792-1797, war der Bau wieder stark mit durchziehenden Truppen belegt. Besonders schlimme Einquartierung brachte das Jahr 1797.
Im Jahre 1803 wurde Alsfeld für einige Jahre hessische Garnisonsstadt. Am 1. Juni 1803 rückte das neuerrichtete Füsilier-Bataillon der Brigade Landgraf in Alsfeld ein. Man darf sich jedoch über die Stärke dieses Bataillons keine falsche Vorstellung machen. Etatsmäßig sollte es aus insgesamt 428 Köpfen bestehen. Da aber der größte Teil der Mannschaften fast das ganze Jahr über aus Ersparnisgründen sich auf „Großurlaub“ befand, so war die Zahl der in Alsfeld anwesenden Mannschaften nur klein. Sie betrug im Anfang nur 24 Köpfe. Am 26. Mai 1805, wenige Wochen vor der Verlegung des Militärs nach Darmstadt, wird der Alsfelder Mannschaftsbestand folgendermaßen angegeben: 4 Feldwebel, 1 Chirurgus (früher 2), 8 Hautboisten, 1 Stabshalbmondbläser, 1 Bataillons-Tambour, 16 Beweibte, 1 Profoß, zusammen 33 Köpfe. Der höchste Stand der Mannschaft, der je anwesend war, betrug 34.
Durch die Wahl der Stadt Alsfeld als Garnison des hessischen Militärs kam der Stadtvorstand in die Lage, den Soldaten die erforderlichen Quartiere zu stellen. Das Hochzeitshaus war als Kaserne ausersehen. Am 18. Juni 1803 berichtet der Stadtvorstand: „Wir haben den Vorteil eines großen Gebäudes, welches vorhin zu öffentlichen Festen gebraucht, seit vielen Jahren aber nicht benutzt wurde. Dieses lässt sich zu einer ganz vorzüglichen Kaserne einrichten, welche wenigstens für 60 Mann geräumig, hoch, luftig, gesund und an dem Marktplatz gelegen ist.“ Die Stadt erklärte sich auch bereit, im untersten Stock eine Hauptwache einzurichten. Der Vorschlag der Stadt fand die Billigung der militärischen Behörden, und so wurde das Hochzeitshaus zu einer Kaserne eingerichtet. Die baulichen Kosten für die Ausgestaltung beliefen sich auf 3.057 fl. 4 Kreuzer und 1 Pfennig. Unter den noch vorhandenen Rechnungen findet sich die Kostenaufstellung des Alsfelder Maurermeisters Düring für die Maurerarbeit, welche er „an dem Margk vor der Hauptwache, dem Barraden-Blatz gemacht“ hat. Da bei der Alsfelder Garnison sich auch die Musik in Stärke von 10 Mann befand. so werden die Alsfelder sicher manches Konzert erlebt und das Aufziehen der Wache mit Musik gesehen haben.
Als die Garnison 1805 wieder wegzog, stand das Gebäude leer. 1809 schlossen die beiden Gebrüder, der Stadtadjutand Johannes Bücking und der Zollverwalter Friedrich Bücking, einen Vertrag mit der Stadt, worin ihnen der unterste Stock gegen eine jährliche Miete von 9 fl. zu einem Salzmagazin eingeräumt wurde. 1821 fasste man den Plan, das 2. Stockwerk zu einer Lehrerwohnung einzurichten, falls die 200 Kinder in 2 Abteilungen unterrichtet würden. Nach der Mainzergasse zu war eine Schulstube für 100 Mädchen vorgesehen. Am 22. Juni 1824 kam ein Mietkontrakt zwischen der Stadt und dem Fabrikanten Wilhelm Eduard Hyppolite zustande. Die Stadt vermietete ihm ihr auf dem Markte gelegenes, zu einer Rentamtswohnung angekauftes Reitzsches Haus mit allen Zugehörungen. Ferner bekam Hyppolite die beiden mittleren Etagen in dem Stadtbau und einen kleinen Raum im untersten Stock, in der sogenannten Schirn, au 3 Jahre in Pacht. Da sich im 3. Stock seit Jahren das Alsfelder Gefängnis [13] befand, und kein anderer Raum dafür vorhanden war, so behielt sich die Stadt diese Räume vor. Die beiden mittleren Etagen waren seither an verschiedene andere Bürger vermietet gewesen. Hyppolite war daher mit denselben übereingekommen, dass sie ausziehen sollten. Für das Wohnhaus am Markt zahlte er jährlich 125 fl. Miete, für die Räume im Hochzeitshaus 25 fl.
1828 erneuerte Hyppolite den Kontrakt mit der Stadt. 1836 vermietete die Stadt auch das früher im Bau gewesene Salzmagazin. 1825 besorgte der Dachdeckermeister Jakob Rößner die Dachstuhlreparatur für 24 fl. 1829 wird neben den beiden Pächtern im Bau, der Firma Bücking und Co. und dem Tabaksfabrikanten Hyppolite auch von einer im Bau befindlichen Lagerhausgesellschaft gesprochen, für welche die Kaufleute Frieß und J. H. Waldeck unterzeichnen. Sie muss im Jahre 1829 ihren Einzug dort gehalten haben, denn die Kosten für einen Umbau zu ihren Zwecken werden mit 117 fl. 32 Kr. 3 Heller beziffert. 1842 wurde der Baukeller zu einem Bierlager eingerichtet. 1846 fasste man den Beschluss, eine Fruchthalle in dem Gebäude einzurichten. Die folgenden Jahrzehnte diente [Seite-197] der Bau vorwiegend gewerblichen Zwecken. Im Herbst 1873 hielt die Landwirtschaftliche Winterschule dort ihren Einzug. Sie war in dem Hochzeitshause bis Herbst 1912 untergebracht. Am 16. November 1891 wurde die neugegründete Gewerbeschule in dem Hochzeitshaus eröffnet. Die Leitung derselben lag von 1891-1892 bei dem Ingenieur Matthée, von 1892-1892 bei Ingenieur Kilp, von 1897-1902 bei Herrn Rektor J. Schindel. Am 9. November 1902 siedelte die Gewerbeschule aus dem Hochzeitshaus in das neue Gebäude in der Jahnstraße über. Seit 1913 dienen die sämtlichen Räume des Baues, mit Ausnahme des Erdgeschosses den Zwecken des Geschichts- und Altertumsvereins, der dort sein reichhaltiges Museum untergebracht hat. Die Räume im unteren Stock, gleicher Erde, werden als Aufbewahrungsraum für Geräte der Stadt benutzt.
Beilage: Saalwächter-Eydt
Ihr sollet geloben und leiblichen schwehren, dass ihr euch das aufgetragene Saalwächter-Ampt auf gemeiner Statt Behausung, nahmbhafft aber bey Hochzeiten auf dem Neuen Bau und zur Herrn-Chör aufm Rathaus derogestalt wollet lassen anbefohlen sein, dass Ihr bey solch Ehren-Zusammenkünften euch zeitlich mit einem kurzen Gewehr oder Partisan finden lassen, fur dem Gemach aufwarten, dem bishero verschwenderisch und ungebührlichen Zulauffen anfänglich in der Güthe, oder da solches nichts fruchten will, mit behörigem Zwang also steuren sollet, damit fur allen Dingen die Bettler und ihresgleichen, wann sie vorhero under dem Neuen Bau ihre Nothdurfft an Speiß und Trank bekommen, so baldt wiederumb fortgewiesen werden mögen, folglich auch weder Kindern noch Gesindt, so nit für ihre selbst Person zu derogleichen Ehrenbegeg. müssen ihren ordentlichen Beruf oder sonsten erhebliche Ursach haben, zu ihren Eltern oder Herren in die Stube zu gehen verstattet, sondern außerhalb des Gemachs mit ihren Leuthen aufzuwarten, alles Ernstes ohne Ansehen der Person von Euch als hierzu verpflichtetem Saalwächter angehalten werden sollen. Kleine säugende Kinder aber, mit welchen es eine andere Beschaffenheit hat, sollen ohne Unterschied ihren Müttern bescheidentlich gefolgt werden; falls sich auch deme nicht männiglich gemäß verhalten, und mit Worten oder Werken hierwider an Euch sich vergriffen würde, den- oder dieselbe sollet ihr sobalden dem Rath gebührlich anzeigen, damit solche der Gebühr abgestrafet werden mögen, die Ihr dann auf allen anderen Muthwillen insgemein, so mit Ausschlagung der Fenster, Zerbrechung Krug und Gläser, auch Verwüst- und Abtragung anderer Geräthschaften bey dergleichen offtmals vorgehet, ein sonderbar wachsames Auge haben, bey euern geleisteten treuen Eydtspflichten treulich es anzeigen, und Euch also in keinerley Weis nachlässig oder verdächtig finden lassen sollet. So wahr Euch Gott helfe.“ –
Anmerkungen:
[01] Vgl. Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins, 1923, 5. Reihe Nr. 20, S. 154.
[02] Werner Meyer-Barkhausen, Werner: Alsfeld, in: Alte Städte in Hessen, Band 1, Marburg 1927 / Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins, 1912, 3. Reihe Nr. 21, S. 167.
[03] Ratsbuch von 1498/1499 im Stadtarchiv.
[04] Testament des Heinz Hofgardt in den Gerichtsbüchern, 1565, I. 27. und 1567, VII. 11.
[05] Vgl. Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins, 1912, 3. Reihe Nr. 21. S. 168 (Jahr 1599).
[06] 598 Hennerich Bücking, Küchenmeister.
[07] Justus (Jodocus) Bücking genannt Kimbel aus Homberg war vom 24. 09.1595-1596 Konrektor und vom Jahre 1597-1604 Rektor an der Alsfelder Lateinschule, später Pfarrer in Holzburg.
[08] Kurt Schlanhof, geboren 1552 – gestorben 1633.12.16. Testament von 1615 vorhanden. Ratsherr und Bürgermeister 1601/1602, 1610/1611, 1618/1619, 1626/1627. Vermählt: 1. mit Gutta Reinhard aus Kirtorf, 2. 1598 mit Maria, geb. 1551-gestorben 1632.02.17., Witwe des Werner von Gilsa, 3. 1633.06.18. mit Susanna Gretzmüller, geb. Matz, geb. 1567-gestorben 1650.11.10. Grabstein des Kurt Schlanhof in der Walpurgiskirche.
[09] Johann von Gilsa, geb. 1572.06.01.- gestorben 1622.04.1414., vermählt mit Gutha Katharina Eckhardt, geb. 1581.10.08.- gestorben 1635.10.03., 12 Kinder. Wohnung in der Rittergasse.
[10] Heutiges Haus Leidner.
[11] Hans Leußler, Rentschreiber zu Alsfeld von 1587-1612, vermählt mit Elise Schalhardt, wohnte von 1581-1613 am Markt, Ecke der Baugasse. (Heutiges Haus Bücking)
[12] Gerichtsbuch 1597-1603. Verhandlungen vom 24.10.1600 und 04.11.1600.
[13] In diesem Gefängnis saß der Dichter Kinkel auf dem Durchtransport im Sommer 1849.
Erstveröffentlichung:
Dotter, Karl: Das Hochzeitshaus zu Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 6. Reihe, Nr. 22, 1933, S. 185-197.
Vertiefungsliteratur:
Jäkel, Herbert: Das Hochzeitshaus zu Alsfeld. Nicht nur ein Baudenkmal zum Anschauen – auch ein Teil der Urbanität, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen (MOGV) (MOHG), 77. Jahrgang, Gießen 1992, S. 361-376 (http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2019/14222/)
Zietz, Peer: Hochzeitshaus. Markt 7, in: Peer Zietz: Stadt Alsfeld. Kulturdenkmäler in Hessen, Wiesbaden 2002, S. 102-103.
Jäkel, Herbert / Fink, Pierre-Christian: Alsfeld an der Schwelle zur Moderne, hrsg. vom Geschichts- und Museumsverein Alsfeld, Alsfeld 2007, S. 50-51.
[Stand: 01.01.2024]