Die Alsfelder Dreifaltigkeitskirche
Steinernes Symbol der Reformation

Von Axel Haltenhof, Alsfeld (04.08.2023)

In diesen Tagen ist die Zukunft der Alsfelder Dreifaltigkeitskirche Gegenstand eingehender Erörterungen und Diskussionen. Der Grund: Die evangelische Kirchengemeinde beabsichtigt, sich mittelfristig von der mit dem Eigentum verbundenen Baulast zu trennen. In zwei bis drei Jahren könnte das Gotteshaus entwidmet und ein Eigentumswechsel herbeigeführt sein, sofern dies mit der Realisierung einer kulturellen Nutzungskonzeption für das Kirchengebäude einherginge. Dies ist der ausdrückliche Wunsch des Kirchenvorstands und seines Vorsitzenden, Pfarrer Peter Remy.

Die Dreifaltigkeitskirche in Alsfeld
© GFA

Die Dreifaltigkeitskirche ist ein Baudenkmal von herausragender Bedeutung und vor allem das monumentale Symbol der von Landgraf Philipp dem Großmütigen 1526 in Hessen eingeführten Reformation. Der Alsfelder Augustinermönch Tilemann Schnabel, ein enger Freund des Reformators Martin Luther, predigte bereits einige Jahre vor der offiziellen Einführung die Luther‘sche Lehre, was ihm 1523 einen Verweis des Landesherrn einbrachte. Im Zorn verließ Schnabel seine Heimatstadt, durfte dann aber nach drei Jahren zurückkehren und setzte seine reformatorischen Predigten im Augustinerkloster und der Klosterkirche, die 1664 der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht wurde, fort.

Die evangelische Kirchengemeinde ist seit Anfang 1959 Eigentümerin der Kirche und Trägerin der Baulast. Voreigentümerin war die Stadt Alsfeld, deren damaliger Bürgermeister Georg Kratz im Einvernehmen mit dem Stadtparlament den Übergang der Eigentumsrechte mit der evangelischen Kirchengemeinde aushandelte. In der Geschichte der Klosterkirche gab es noch zwei weitere Voreigentümer.

Das Kloster wurde 1280/1290 in der jungen Stadt Alsfeld vom Orden der Augustinereremiten „zu Ehren des Erlösers St. Salvator“ gegründet. Der erste urkundliche Nachweis der Existenz des Augustinerklosters datiert vom 14.12.1309. 13 Jahre später, im Jahr 1322, gehörte der „voll ausgebildete Alsfelder Konvent“ mit insgesamt 20 Konventen zur thüringisch-sächsischen Augustinereremitenprovinz. Wahrscheinlich bereits 1351 und nachweislich zu Pfingsten 1423 fanden in Alsfeld Provinzialversammlungen der Augustiner statt. „Es war in 1423 zu Pfingsten 600 Jahre her, dass sich eine geistliche / geistige Elite Deutschlands in Alsfeld traf, um wichtige Sach- und Personalentscheidungen für den Orden und auch die Kirche zu treffen.“ Zweifellos eine beachtliche Aufwertung der kleinen, wachsenden Stadt!

Die große Orgel
© Günter Filbrandt

Die Errichtung der Klosterkirche erfolgte in drei Schritten. Um 1400 begannen die Mönche mit dem Bau des Chors der Klosterkirche, ein gotischer, dreijochiger Langchor. Um 1405 entstand das Langhaus, und schließlich, zwischen 1415 und 1436, wurde das Hauptschiff verlängert und ein Seitenschiff nördlich angefügt. Damit war die Klosterkirche in ihrer heutigen Ausdehnung vollendet.

Mit der Aufhebung der hessischen Klöster durch Landgraf Philipp 1527 verloren auch die Alsfelder Augustinereremiten die Eigentumsrechte an Kloster und Klosterkirche. Neuer Eigentümer war der Landesherr, der im Januar 1533 der Stadt die Baulichkeiten des Klosters einschließlich der Klosterkirche schenkte. Er behielt ein Gebäude als „Fruchtspeicher“ in staatlichem Besitz. Die Eigentumsübertragung verband er mit der Auflage, die Klostergebäude in ein städtisches Hospital („Spital“) umzuwidmen.

Längere Zeit stand die Klosterkirche leer. Sie wurde nicht gebraucht, da Gottesdienste, Messen an Nebenaltären und die Abnahme von Beichten in der Hauptkirche (Walpurgiskirche) stattfanden. Gleichwohl wurde die Klosterkirche hin und wieder genutzt, freilich nicht als Kirche. Heinrich Dittmar berichtet 1995 in seinem Aufsatz „Die Glocken der Alsfelder Kirchen“, dass im Jahr 1582 die Sonntagsglocke der Walpurgiskirche in der Klosterkirche gegossen wurde. Eine Kirche als Werkstatt für Glockenguss!

Bis zur Aufhebung des Klosters lagerten die Mönche Kleinodien und Wertgegenstände in der Sakristei, und sehr viel später, während des Zweiten Weltkriegs, diente die Kirche als Stuhllager für die Stadtschule, um dort für ein Lazarett Platz zu schaffen. Norbert Hansen dokumentiert 2019 einen „Missbrauch der Kirche“ während des Siebenjährigen Kriegs in seinem Text „Zur Geschichte von Kirche und Klostergebäuden der Augustinereremiten in Alsfeld nach der Reformation“. Der Missbrauch bestand in der Nutzung der Kirche als Fouragemagazin, von befreundeten und feindlichen Truppen gleichermaßen, zum Beispiel im Mai 1762 mit der „Lagerung von Getreide, Mehl und Pferdefutter“ in Kloster- und Kirchenräumen.

Man kann sicher davon ausgehen, dass der 30-jährige Krieg, insbesondere der „Feuersturm“ der Niederhessen unter der Führung von General Geiso am 5.10.1646 mit der Sprengung des Mainzer Tors und der Verwüstung Alsfelds, maßgeblich zum Verfall der Klosterkirche beigetragen hat. Die Stadt lag am Boden, die Menschen waren traumatisiert.

Gleichwohl raffte man sich in den Jahren 1656-1659 zu einer großen Spendenaktion für die Renovierung der Klosterkirche auf. Nicht zuletzt die 1660 erfolgte großzügige Stiftung des Stam Volckmar aus Lauterbach ermöglichte die Finanzierung der Renovierungsarbeiten unter der Leitung von Malermeister J.F. Lipp. Die Klosterkirche wurde nach der Renovierung 1664 der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Damit war die Dreifaltigkeitskirche „für den evangelischen Gottesdienst nutzbar gemacht“.

Am 19.06.1664 fand ein großes Einweihungsfest statt, das Karl Siegmar Baron von Galéra in „Die Geschichte der Stadt Alsfeld“ in beeindruckender Weise schildert. Der Frühgottesdienst in der Walpurgiskirche, die Prozession über den Marktplatz und durch die Mainzer Gasse, der Festgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche mit einer Predigt des großen Pfarrers Georg Eberhard Happel, und der „inoffizielle Teil der Feierlichkeiten“ im städtischen Hochzeitshaus. „Dies war wohl das gewaltigste Fest, welches das Hochzeitshaus in Alsfeld jemals erlebt hat.“

Eine nach weiteren Kriegswirren 1852 durchgeführte „umstrittene Renovierung“ (der Dreifaltigkeitskirche) „unter der Regie des legendären Bürgermeisters Gerhard Jakob Ramspeck“, wie es Hansen formuliert, wurde in den Jahren 1959-1964 im Rahmen einer „Generalrenovierung“ korrigiert. Die evangelische Kirchengemeinde erhöhte 1963 die Zahl der Glocken mit Namen „Jesus Juva 1963“ und „Fürchte Dich nicht 1963“ von zwei auf vier. Schließlich konnte am 25.08.1963 im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes unter großer Beteiligung der Bevölkerung die „Wiedereinweihung“ der Dreifaltigkeitskirche gefeiert werden.

Was soll nun, was könnte aus der „Wiege der Reformation in Alsfeld“ werden? Im Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Alsfeld wird ein Verkauf der Dreifaltigkeitskirche auf mittlere Frist nicht ausgeschlossen, sofern eine kulturelle Nutzung, in Fortsetzung der bisherigen, verbindlich vereinbart werden kann. – Vor vielen Jahren wurde in Alsfeld das Konzept einer Kulturstiftung unter Einbeziehung der Stadt, des Kreises, kapitalkräftiger Sponsoren, interessierter Vereine und nicht zuletzt auch der evangelischen Kirchengemeinde ergebnislos diskutiert. Könnte eine professionell geführte, mit hinreichend Kapital ausgestattete Kulturstiftung der Weg sein, die Vielfalt der Interessen zu einen?

Literatur und Quellen (chronologisch):

Soldan, Wilhelm Gottlieb:
Zur Geschichte der Stadt Alsfeld (Teil II.), Gießen 1862.

Becker, Eduard Edwin:
Aus der Geschichte des Klosters in Alsfeld. Vortrag bei dem Besuch des Historischen Vereins am 18.05.1937, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 7. Reihe, Nr. 12, 1937, S. 129-139.

Mengel, Karl August:
Die Kirche des Augustinerklosters, in: Hessische Heimat, 8. Jahrgang, 1958/1959, Heft 2, S. 18-19.

Großmann, Dieter:
Alsfeld. Aufnahmen von Erich Müller-Cassel, München 1960.

Galéra, Karl Siegmar Baron von:
Die Geschichte der Stadt Alsfeld. Von den Anfängen bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges, Eigenverlag der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1974.

Kunzelmann, Adalbero:
Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten. 5. Die sächsisch-thüringische Provinz und die sächsische Reformkongregation bis zum Untergang der beiden, Würzburg 1974.

Großmann, Dieter:
Alsfeld. Aufnahmen von Erich Müller, 2. Auflage, 1976.

Eckhardt, Albrecht:
Die oberhessischen Klöster. Regesten und Urkunden. Bände 3, 1 Regesten, Marburg 1977.

Eckhardt, Albrecht:
Zur Gründungsgeschichte des Augustinerklosters in Alsfeld. Aus Geschichte und ihren Hilfswissenschaften,, in: Bannasch / Lachmann, Festschrift für Walter Heinemeyer zum 65. Geburtstag, Marburg 1979, S. 564-570.

Jäkel, Herbert / Kaus, Rudi:
Alsfeld um die Jahrhundertwende, hrsg. vom Geschichts- und Museumsverein Alsfeld, Alsfeld 1981.

Jäkel, Herbert:
Die Darstellung der Geschichte der Stadt Alsfeld im Regionalmuseum, in: Heimat-Chronik Alsfeld, 2. Jg., 1985, Heft 6, S. 2-4.

Eckhardt, Albrecht:
Die oberhessischen Klöster. Regesten und Urkunden. Bände 3, 2 Texte und Indices, Marburg 1988.

Dittmar, Heinrich:
Die Glocken der Alsfelder Kirchen, in: Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.), 600 Jahre Turm der Walpurgiskirche, 1995, S. 39-44.

Braasch-Schwersmann, Ursula:
Alsfeld in Hessen. Zum Lebensumfeld der Augustinereremiten in der mittelalterlichen Stadt, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 1-38.

Eckermann, Willigis:
Die Augustinereremiten im Mittelalter, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 55-76.

Berger, Thomas:
Die Ausbreitung der Augustinereremiten in der Erzdiözese Mainz und die Gründung des Klosters Alsfeld. Versuch einer Rekonstruktion, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, 2019, S. 77-96.

Schmelz, Annette / Untermann, Matthias:
Die Alsfelder Klosterkirche im Kontext der Baukunst der Augustinereremitenklöster im mittelalterlichen deutschen Reich, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 97-140.

Rentsch, Christian:
Zur Liturgie in einem spätmittelalterlichen Augustinerkloster, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 141-163.

Ritzerfeld, Ulrich:
Die wirtschaftlichen Grundlagen des Alsfelder Augustinereremitenklosters und die Handlungsspielräume seiner Mönche, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 181-210.

Krafft, Otfried:
Die Augustinerklöster in Alsfeld, Eschwege und Schmalkalden und die Landgrafen von Hessen, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 285-312.

Hansen, Norbert:
Zur Geschichte von Kirche und Klostergebäuden der Augustinereremiten in Alsfeld nach der Reformation, in: Hans Schneider (Hrsg.), Das Augustinerkloster Alsfeld, Marburg 2019, S. 385-417.

[Stand: 10.02.2024]