Die Walpurgiskirche

Von Dr. Werner Meyer-Barkhausen, Marburg (1927)

Figur 3: Grundriss der Walpurgiskirche

Die Walpurgiskirche stellt eine gotische Hallenkirche von mäßiger Größe dar, deren Mittelschiff im Westen ein quadratischer Turm, im Osten ein das Hallendach überragender Chor vorgelegt ist (Figur 3). Der heutige Bau ist aus einer um die Mitte des 13. Jahrhunderts errichteten frühgotischen Basilika [1] durch Anbau des Chores (begonnen 1393) [2] und durch hallenmäßige Erhöhung der Seitenschiffe [3] entstanden. Dass es sich nicht um eine einheitliche Schöpfung handelt, zeigt schon in der Außenansicht die Verschiedenheit der Teile auf den ersten Blick. Die Südwand der Halle in ihrer symmetrischen Gliederung mit zwei schlichten Portalen ist wohl als Schauseite zum Markt hin gedacht (Abb. 24). Sie hat mit ihren steilen Giebeljochen, mit ihrer eindrucksvollen Reihe von Strebepfeilern, die so originell mit glatten Wasserspeirohren auf knaggenartigen Konsolarmen abschließen, einen ganz anderen Charakter als die anspruchslosere Nordwand, die über fünf Jochen nur drei abgewalmte Querdächer zeigt [4] (Abb. 26). Das fünfte Joch wird hier gebildet durch den zweistöckigen Sakristeianbau zwischen Chor und Halle, der mit dem nördlichen Seitenschiff gleich fluchtet.

Abb. 24 – Walpurgiskirche von Süden
Abb. 25 – Turmdurchgang

Der massige Turm (1394 nach Einsturz des alten begonnen) [5] steht an seiner Westseite nicht frei; so öffnet sich die untere Turmhalle nach Süden und Norden, zugleich einen Durchgang vom Markt zum Kirchplatz darstellend, wobei der Niveauunterschied durch eine südlich vorgebaute Treppe ausgeglichen ist (Abb. 28). Die schweren Turmwände steigen nur durch schmale Gesimse gegliedert und mit verhältnismäßig [Seite 18] kleinen Fensteröffnungen vier Stockwerke hoch auf bis zu einer spätgotischen Brüstung, die den viereckigen Hauptteil des Turmes abschließt. Darüber erhebt sich noch ein achtseitiger Aufbau von 1542 [6], den ebenfalls eine spätgotische Brüstung und endlich ein Haubendach krönt (Abb. 25). Den Zugang zum Turm vermittelt eine hohe gedeckte Treppe an der Westseite des südlichen Seitenschiffs (Abb. 28) [7], die mit dem äußeren Treppenaufgang zur Empore an der Ostseite die Südansicht der Kirche wesentlich bereichert.

Abb. 25 – Turmabschluss
Abb. 26 – Kirche von Norden
Abb. 27 – Kirchenchor

Der hohe, langgestreckte Chor mit 5/8 Schluss hat an seiner Südseite zwei kleine Eingänge, während die Hälfte der Nordseite von dem Sakristeianbau mit viereckigem Treppenturm eingenommen wird. Er trägt einen kleinen Dachreiter und ragt weit über die Halle empor, gegen die er einen beschieferten WestgiebeI wendet (Abb. 27, 24, 26). So entsteht ein Bild, das an unseren gotischen Kirchen nicht selten vorkommt, das sich z. B. ganz ähnlich auch in Frankenberg und Marburg (Dominikanerkirche) findet. In Alsfeld ist es das Wahrzeichen eines schwungvoll begonnenen Neubaus, dessen Mittel sich jedoch schon bei Chor- und Turmbau erschöpften, sodass man das alte Langhaus, lediglich zur Halle erweitert, beibehielt.“ [8]

Trotz dieser Verschiedenartigkeit der Teile stellt das Ganze der Kirche eine eindrucksvolle, optisch reiche Gruppe dar, an deren Geschlossenheit allerdings die verschmelzende Patina der Jahrhunderte und das rahmende Baumgrün nicht geringen Anteil haben.

Abb. 29 – Empore / Schnitzaltar
Abb. 30 – Kircheninneres nach Westen

Im Inneren wird das Missverhältnis von Chor und Langhaus zum starken Kontrast, der, obwohl nur aus baugeschichtlicher Zufälligkeit entstanden, eine eigenartige künstlerische Wirkung hervorbringt und dem Raumganzen das Gepräge gibt (Figur 4). Das breitschultrige Mittelschiff mit seinen schönen, jedoch fast noch romanisch schweren Verhältnissen erscheint recht dunkel, da es sein Licht aus den Seitenschiffen durch die nur unvollkommen und unregelmäßig geöffneten Arkaden empfängt (Abb. 30) [9]. Jäh tut sich dann vor ihm der hohe, lichtdurchflutete Chor auf mit seinen leichten Wanddiensten und breiten Fensterflächen. Der für die mittelalterliche Kirchenbaukunst so charakteristische Gedanke, dem Gemeinderaum das Allerheiligste möglichst eindrucksvoll und erhaben gegenüberzustellen, also der einer Steigerung zum Chor hin, hat hier denkbar starken Ausdruck gefunden, wenn auch mehr zufällig und auf Kosten der Einheit des Gesamtraums. Besonders eindrucksvoll würde diese Raumsteigerung dem erscheinen, der von Westen durch das heute leider versperrte Turmportal die Kirche betreten und aus dem dunklen Gewölbe unter der Westempore in das Mittelschiff und weiter in den Chor fortschreiten würde.

Figur 4: Walpurgiskirche, Längsschnitt

Erscheinen unter diesem Gesichtspunkt Chor und Langhaus eng verbunden, so ist ihre architektonische Würdigung doch nur gesondert [Seite 19] möglich. Im Langhaus tritt die Tatsache, dass eine frühgotische Basilika durch spätere Erhöhung der Seitenschiffe und Durchbruch der Zwischenwände in eine Halle umgewandelt wurde, ziemlich unverhüllt hervor. Indes ist aus so unorganischem Verfahren kein einheitlicher Hallenraum entstanden. Die Seitenschiffe sind, auch abgesehen von den Emporen, gegen das Mittelschiff stark isoliert, einmal durch die nur unvollkommen geöffneten Arkaden – im dritten Joch blieben über ihnen die Fenster

Abb. 32 – Nördliche Hallenpfeiler
Abb. 33 – Grabmal Jost Stumpf

der alten Hochwände bestehen (Abb. 31) – dann durch die schweren, wandmäßigen Pfeiler, die aus den niedrigen Rundpfeilern der Basilika und den über ihnen stehengebliebenen Hochwandstreifen entstanden sind, und deren ungleichmäßige und unübersichtliche Form sie nur schwer als Freistützen im Raum auffassen lässt (Abb. 32). So hat das Mittelschiff, dessen Gewölbe auf den alten Dienstvorlagen aufsitzen‚ abgesehen von der indirekten Beleuchtung, noch durchaus basilikalen Charakter (Abb. 30). Den alten Rhythmus der Hochwände spürt man noch im Westjoch, in der breitgelagerten, so fein gegen die Gewölbebögen abgestimmten raumschließenden Steinempore, an deren Schmalseiten noch die alten niederen Seitenschiffsarkaden erhalten sind. In den Seitenschiffen, von denen das nördliche zugleich mit der hallenmäßigen [Seite 20] Erhöhung eine erhebliche Verbreiterung erfahren hat (Abb. 31), ist der ursprüngliche Raumeindruck durch die nachmittelalterlichen Holzemporen stark beeinträchtigt. Die Gewölbe, die hier beträchtlich höher ansetzen als im Mittelschiff, ruhen an den Außenwänden auf Wandkonsolen, an den Innenseiten auf Pfeilervorlagen, von denen sich die des südlichen Seitenschiffs als die nur wenig veränderten Strebepfeiler der alten Mittelschiffshochwände darstellen.

Abb. 35 – Romanischer Taufstein
Abb. 36 – Gotische Gestühlswange

Erscheinen schon die Seitenschiffe als vom Mittelschiff abgesonderte Räume, so gilt das in noch stärkerem Grade vom Chor, einmal dadurch, dass er sich nur mit seiner halben Höhe gegen das Langhaus öffnet (Figur 4), vor allem aber durch das ganz andersartige Raumbild, das er dem Beschauer darbietet. Allerdings ist die ursprüngliche Wirkung durch den Emporen- und Orgeleinbau des 17. Jahrhunderts (Abb. 29), bei dem die unteren Teile der Fenster vermauert wurden, schwer geschädigt worden. Trotzdem kann sich auch heute niemand dem starken Eindruck des hohen und dabei weiten Raumes entziehen, in dessen wandbeherrschenden Fensterflächen sich die Teilungsstäbe so erstaunlich kühn aufschwingen, während zarte Laubkapitelle wie Rosetten oder bunte Schleifen die leichten, zeltartig sich spannenden Gewölbe an die dünnen Wanddienste zu knüpfen scheinen.

An Schmuckformen ist die Walpurgiskirche sonst nicht reich, und das Wenige, was vorhanden ist, erscheint nach Qualität und Charakter recht ungleich. Ein reicher ausgestattetes Hauptportal fehlt, und die vier Portale an der Südseite, zu denen noch das Turmportal und das der Nordseite kommen, sind von einfachster Form. Das Maßwerkornament der Fenster geht nicht über Durchschnittliches hinaus. Von größerem Interesse sind die auf ursprünglichen Statuenschmuck deutenden Büstenkonsolen an den Chorstrebepfeilern, die sich trotz ihrer Verwitterung als Skulpturen von hervorragender Feinheit erweisen (Abb. 37). Sie und die ausgezeichnete, höchst ausdrucksvolle Kopfkonsole an der südlichen Innenwand des Chores (Abb. 39) lassen darauf schließen, dass zu dem Chorbau Künstler von Ruf herangezogen wurden. Von geringerer Arbeit sind die ebenfalls mit Büsten verzierten Gewölbekonsolen der Turmhalle (Abb. 38), sowie die Wappenkonsole [10] über dem Durchgang. Den besonderen Schmuck des Turmes bilden die ihn abschließenden reichen Maßwerkbrüstungen von spätester Gotik (Abb. 25). Im Inneren sind neben den zierlichen Laubkapitellen der Chordienste die kräftigen frühgotischen Blattkapitelle des Mittelschiffs – obwohl von einfachster Form – zu beachten. Von den Gewölbekonsolen der Seitenschiffe zeigen die des nördlichen bemerkenswerte figürliche und maßwerkartige Ornamentierung [11]. Ferner sind einige Schlusssteine hervorzuheben, namentlich der mit den kreisenden Fischen im südlichen Seitenschiff. [Seite 21]

Abb. 37a – Konsole an Chorstrebepfeiler
Abb. 37b – Konsole an Chorstrebepfeiler
Abb. 38 – Konsole in der Turmhalle
Abb. 39 – Konsole im Chor-Inneren

Ihren stimmungsvollen Charakter verdankt die Halle heute nicht zum wenigsten der letzten Wiederherstellung und Ausmalung, die sich im wesentlichen an die aufgedeckten Reste des alten Musters hielt und dabei auch zwei gotische Wandgemälde, die schöne Verkündigung an der Westempore (Abb. 30) und den Christophorus an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffes (Abb. 32), wieder zur Geltung brachte.

Von den Ausstattungsstücken der Walpurgiskirche sind hervorzuheben:

1. Der große romanische Taufstein im Chor, dessen Seitenwände oben mit Arkadenreliefs (Verkündigung, Anbetung der Könige, Taufe etc.) und am Fuß mit fischartigen Ungeheuern verziert sind und auf dessen Rand sich eine Inschrift befindet, die noch deutlich Worte des „Credo“ erkennen lässt [12] (Abb. 35).

2. Das alte Gestühl an der südlichen Chorwand. Die Sitzreihe von schlichter, edler Form. Reich geschnitzt nur die westlich abschließende Wange, die oben und unten Maßwerkornament zeigt. Im Mittelfeld Bischof mit Stab und Buch, neben dem ein Drachenungetüm an der Vorderkante hochklettert. Es mag der Zeit des Chorbaus (1393 begonnen) angehören [13] (Abb. 36).

3. Das Wandtabernakel im Chorpolygon [14]. Durch Fialen und Wimperg portalartig ausgestaltet. Im Tympanon Kreuzigung im Hochrelief. Schöne Arbeit um 1400. Leider durch den roten Anstrich, der die Feinheiten der Skulptur verdeckt, statt sie hervorzuheben, und durch den ungünstigen Platz stark beeinträchtigt.

4. Der spätgotische Schnitzaltar an der nördlichen Chorwand (Abb. 29). Im großen Mittelfeld Kreuzigung, in den vier Seitenfeldern Geburt, Beschneidung, Anbetung der Könige, Darbringung im Tempel. Ausgezeichnete Arbeit, die jedoch durch eine zu geleckte Restaurierung und süßliche Ergänzungen sehr geschädigt ist. Von den gemalten Flügeln dieses Altars werden Reste in der Sakristei und im Museum aufbewahrt. [15]

5. Der große Holzkruzifixus mit Maria und Johannes im Bogen zwischen Chor und Halle. Aufstellung sehr ungünstig, da man vom Schiff aus gegen den hellen Chor kaum mehr als die Umrisse erkennt.

6. Die prächtig geschnitzten Säulen der Chorempore. An einer Säule unter der Orgelbühne das Datum 1638 [16]. Aber wohl nach der Beschießung von 1646 wiederhergestellt und z. T. erneuert (Abb. 29).

7. Die Kanzel, insofern sie eine Nachbildung der alten Kanzel des Michael Finck von 1618, die leider 1913 durch Brand vernichtet wurde, darstellt (Abb. 30).

8. Das Grabmal des Jost Stumpf und seiner Ehefrau neben der Kanzel von 1632 mit den ausgezeichneten Bildnissen des Ehepaars (Abb. 33, 34), ferner das Grabmal des Conrad Schlanhof (nach 1633) am südöstlichen Pfeiler der Halle mit einem Auferstehungsrelief im Mittelfelde.

Abb. 34 – Grabmal Jost Stumpf (Mittelstück)

Anmerkungen:

[1] Die Zusammenhänge dieser frühgotischen Basilika mit der Marburger Elisabethkirche und der von ihr ausgehenden Bautengruppe, die unzweifelhaft vorhanden sind, scheinen mir bisher in zu einseitiger Weise betont worden zu sein. Wilhelm Kästner, Die Elisabethkirche zu Marburg und ihre künstlerische Nachfolge (1924), zieht bei dem Versuch, eine ursprünglich basilikale Planung der Marburger Kirche zu erweisen, auch die Alsfelder Walpurgiskirche als eine Filiation der Elisabethkirche heran (S. 55-57). Er übersieht dabei die viel engeren Beziehungen der Walpurgiskirche zu der frühgotischen basilikalen Dorfkirche in Geisnidda (Kreis Büdingen), die schon 1902 von Paul Frankl in den Mitteilungen (Paul Frankl, Zur Baugeschichte der Walpurgiskirche, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 3, 1902, S. 2-8 bzw. 36-42) hervorgehoben wurden. Die Kirche in Geisnidda steht nun in ihrer Formensprache – das wurde auch von Frankl nicht erkannt – der Marienkirche in Gelnhausen besonders nahe. Das zeigt sich unverkennbar in der Portalbildung, in Kapitellen, Gesimsen u.a.m.. So scheint mir die basilikale Tradition auch in Alsfeld eher auf die Gelnhäuser Kirche zurückzugehen. Andererseits ist die Beeinflussung durch die Marburger Schule auch unverkennbar. Aber ich möchte als beeinflussendes Bauwerk eher als die Elisabethkirche in Marburg die Stiftskirche in Wetter (H. N.) annehmen, auf die z.B. das Maßwerk der beiden erhaltenen frühgotischen Fenster hinweist. Diese Fragen bedürfen jedoch noch gründlicher Klärung.

[2] Nach der Inschrift am südwestlichen Strebepfeiler des Chores.

[3] Die ungleiche Breite der Seitenschiffe (das nördliche doppelt so breit wie das südliche) lässt Wilhelm-Kästner mit der Möglichkeit ursprünglicher Zweischiffigkeit und späteren Anbaus eines schmäleren südlichen Seitenschiffs rechnen. Jedoch beweist die Auffindung des Fundaments der ursprünglich nördlichen Seitenschiffsmauer bei den Erneuerungsarbeiten 1913, dass das nördliche Seitenschiff der frühgotischen Basilika nicht breiter war als das südliche. Damit ist die ursprünglich dreischiffige Anlage, die auch Frankl a.a.O. voraussetzt, gesichert. Nicht geklärt ist die Verschiedenheit der alten Dienstvorlagen im nördlichen und südlichen Seitenschiff.

Wann die Verbreiterung des nördlichen Seitenschiffs erfolgt ist, lässt sich schwer entscheiden. Das Datum 1472 an dem nordwestlichen Hallenpfeiler bezieht sich wohl nur auf die Einwölbung. Dagegen erscheinen die unteren Partien der nördlichen Seitenschiffswand, namentlich das Nordportal‚ das umlaufende Gesims und die Sakristeifenster so altertümlich, dass man meinen möchte, schon bald nach der Vollendung der Basilika, vielleicht zu Anfang des 14. Jahrhunderts‚ habe man mit der Aufführung dieser Wand begonnen in der Absicht eines hallenmäßigen Umbaus des Ganzen. Ein Abbruch des basilikalen Seitenschiffs wurde dadurch ja zunächst nicht notwendig. Aus dem ganz anderen Charakter der Fenster möchte man dann weiter schließen, dass jener erste Wandbau in den Anfängen stecken blieb und erst sehr viel später, vielleicht erst nach Errichtung des Chores, vollendet wurde. Bald nach Vollendung des Chorbaus mag dann auch die Erhöhung der südlichen Seitenschiffswand und der Durchbruch der alten Hochwände erfolgt sein. Aus dieser Zeit scheint die heutige Einwölbung des Mittelschiffs, deren gekehlte Rippen und Gurte auf den frühgotischen Birnstab-Anfängern sitzen, und die Wölbung des südlichen Seitenschiffs zu stammen.

Der Wanddurchbruch zum Mittelschiff hin scheint auf beiden Seiten und in allen Jochen (das westliche ausgenommen) zunächst nur bis unter die alten Hochwandfenster gereicht zu haben, so wie er heute noch im zweiten Joch in Erscheinung tritt. Die Erweiterung der beiden östlichen Arkaden ist mit Rücksicht auf den Durchblick von den Emporen aus wohl erst in sehr viel jüngerer Zeit ausgeführt worden, wahrscheinlich bei den Bauarbeiten des Jahres 1738, von denen eine Inschrifttafel an der Westwand des Chores über dem Bogen zur Halle Kunde gibt. Die gleiche Zahl 1738 findet sich über der nordöstlichen Hallenarkade im nördlichen Seitenschiff eingemeißelt. Vielleicht ist gleichzeitig mit den beiden östlichen Arkaden der Chorbogen erweitert worden?

[4] Anscheinend war hier das Vorbild der Marburger Elisabethkirche maßgebend, die die gleiche Anordnung von drei Walmdächern über fünf Jochen zeigt. An der Südseite macht sich dieses Vorbild vielleicht in den schlichten, glatten Wasserspeiern geltend.

[5] Lateinische Inschrift am Gewände des südlichen Eingangs zur Turmhalle.

[6] (Vgl. Eduard Edwin Becker, Der Turm der Walpurgiskirche, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 7, 1905, S. 7-8). Vertrag mit Hans von Frankfurt, Bürger zu Hornberg, dem Erbauer des Weinhauses, über den Turmbau: 15.08.1542. Das Dach wurde gefertigt von Hans Stronzer von Neukirchen, der den Auftrag bekam, „das dachwerk uff den glocktorn mit einem ronden dach uff das allerzirlichst“ zu machen. 1543 wurde die Steindeckerarbeit dem Meister Mathie (bürger und steindecker zu Marpurg) übertragen und dabei der „acht kauppen“ Erwähnung getan. 1836 ist dann der Dachaufsatz des Turmes um ein Stockwerk gekürzt worden, wobei jedoch die alte Dachhaube erhalten blieb.

[7] Über dem Eingang in den Turm findet sich die Jahreszahl 1558.

[8] Die über das Dach des Mittelschiffs herausragenden Chormauern zeigen Verzahnungen nach Westen: ein Beweis, dass ursprünglich die Absicht bestand, auch das Langhaus auf die Höhe des neuen Chores zu bringen. (Vgl. Paul Frankl, Zur Baugeschichte der Walpurgiskirche, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 3, 1902, S. 6. Ferner Friedrich Konrad Kuhlmann, Die Wiederherstellung der Walpurgiskirche zu Alsfeld, in: GAV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 137-149, hier S. 144.) Die hallenmäßige Erhöhung der Seitenschiffe ist am besten nach Vollendung des Chorbaus und nach Aufgabe jenes umfassenderen Planes zu denken, also etwa zu Anfang des 15. Jahrhunderts. Vgl. Anm. [3].

[9] Vgl. Anmerkung [3].

[10] Sie zeigt das Wappen der Familie Schaufuß, die besondere Verdienste um den Kirchenbau gehabt haben muss. 1379 und 1382 wird ein Happel Schaufuß als Baumeister (Rechnungsführer) der Kirche erwähnt. Das Wappen der Schaufuß findet sich auch an dem großen Schnitzaltar im Chor.

[11] Figürliches Ornament (Laubmaske und Tierkopf) an den beiden Konsolen der Westwand, sonst polygonale, spitz zulaufende Konsolen mit maßwerkartigem Schmuck der Flächen.

[12] Ein ganz ähnlicher Taufstein, nur von schlichterer Ausführung, findet sich in der Kirche von Hopfgarten (Dorf südlich von Alsfeld). Vgl. Otto Doerbecker, Die Entwicklung der kirchlichen Baukunst im Kreise Alsfeld. Historischer Verein für das Großherzogtum Hessen, Darmstadt 1920, S. 4.

[13] Vgl. Lilly Loening, Das Chorgestühl im Dom zu Erfurt (S. A. aus Heft 43 der Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt) S. 30. Lilly Loening datiert die Alsfelder Wange in die Mitte oder zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts.

[14] Das Tabernakel gehört seiner Formensprache nach zu einer charakteristischen Gruppe kirchlicher Ausstattungsarchitektur, die in Hessen weit verbreitet ist und zu der die Wandtabernakel in Marburg (Elisabeth Kirche und lutherische Kirche), Wetter (H.N.), Haina und Brilon, ferner der Altar der Marienkapelle in Frankenberg, die schöne Kanzel in Corbach u.a.m. gehören. Als Werkstatt kommt vor allem die des Tyle von Frankenberg, des Erbauers der lutherischen Kirche in Marburg, in Betracht (zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts) und die des Baumeisters der Kilianskirche in Corbach, der die Tradition Tyles im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts fortführte. (Vgl. Meyer-Barkhausen, Corbach (Corbach 1923), Seite 56.

[15] Eine ganze Tafel, die auf der Vorderseite das Gebet am Ölberg, auf der Rückseite die Krönung Mariae zeigt, ist in allerdings sehr beschädigtem Zustande erhalten. Von zwei weiteren Tafeln sind nur noch Bruchstücke vorhanden, auf denen sich jedoch Geißelung Christi (Rückseite Tod Mariae), Gefangennahme Christi (Rückseite Mariae Himmelfahrt) noch deutlich erkennen lassen. Die vierte Tafel soll bei der Herstellung der Emporenbrüstung wieder verwendet worden sein. Es besteht die Absicht, sämtliche Stücke der Tafeln im Museum zu vereinigen.

[16] „Anno 1638 d. 23. Augusti erexerunt me symphoniaci huius loci.“

Erstveröffentlichung:

Werner Meyer-Barkhausen, Alsfeld, in: Alte Städte in Hessen, Band 1, Marburg 1927, S. 17-21.

Vertiefungsliteratur (chronologisch):

Frankl, Paul: Zur Baugeschichte der Walpurgiskirche, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 3, 1902, S. 2-8 (36-42).

Becker, Eduard Edwin: Aus der Baugeschichte der Walpurgiskirche zu Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 8, 1905, S. 1-5 (82-86).

Kuhlmann, Friedrich Konrad: Die Wiederherstellung der Walpurgiskirche zu Alsfeld,
in: GAV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 137-149.

Dotter, Karl: Zur Baugeschichte der Walpurgiskirche in Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 6. Reihe, Nr. 16, 1931, S. 133-134.

Meyer-Barkhausen, Werner: Die Stadtkirche St. Walpurgis in Alsfeld, in: Hessische Heimat, 8. Jahrgang, 1958/1959, Heft 2, S. 19-23.

Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: GMV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, 1972, S. 65-100.

Mengel, Karl August: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Versuch einer Deutung der Entstehungsgeschichte der Alsfelder Hauptkirche, in: Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld, 15. Reihe, Nr. 2, 1994, S. 13-44.

Evangelische Kirchengemeinde: Festschrift zum 600-jährigen Turmjubiläum der Walpurgiskirche Alsfeld, Alsfeld 1995.

Zietz, Peer: Walpurgiskirche. Kirchplatz 1, in: Peer Zietz: Stadt Alsfeld. Kulturdenkmäler in Hessen, Wiesbaden 2002, S. 79-85.

Schmelz, Annette: Die Walpurgiskirche in Alsfeld, Hausarbeit zur Erlangung des Akademischen Grades einer Magistra Artium, Institut für Kunstgeschichte, Johann-Gutenberg-Universität, Mainz 2009.

Weppler, Jochen: Der Turm der Walpurgiskirche zu Alsfeld. Wissenswertes zu seiner Bauweise, in: Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld, 118. Jahrgang, Heft 1, 2019, S. 3-58.

[Stand: 01.01.2024]