Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtman wurde 1802 im Haus am Kirchplatz 3 geboren – Gedenktafel erinnert wieder an ihn

Von Michael Rudolf, Alsfeld (2002)

Am 3. März dieses Jahres [2002] jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag eines herausragenden Pädagogen des 19. Jahrhunderts, nämlich der des Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtman. Dass Curtman seines Namens nach kein Unbekannter in Alsfeld ist, steht außer Zweifel, erinnert an ihn doch heute noch ein Straßenschild im Bereich der Hochstraße. Rufen wir uns an dieser Stelle anlässlich seines diesjährigen Geburtstags in Erinnerung, welche bedeutende Persönlichkeit sich hinter diesem Namen verbirgt.

Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtman (1802-1871)
Repro: GFA

Curtmans Jugendjahre

Über Curtmans Leben und Werdegang hat sich bereits Wilhelm Trautwein als profunder Kenner des Pädagogen 1992 in der Oberhessischen Zeitung geäußert, dem wir hier zunächst grundlegend folgen.

Unter den Alsfelder Persönlichkeiten nimmt Curtman ohne Zweifel eine außergewöhnliche Stellung ein, war er es doch, der das schulische Leben des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mit seinen pädagogischen Schriften sowie mit seinen Gedichten und Erzählungen wie kein anderer seiner Zeitgenossen nachhaltig geprägt hat. Wilhelm Jacob Georg Curtman wurde am 3. März 1802 im Haus am Kirchplatz 3 in Alsfeld als Sohn Johann Heinrich und Christina Luise Anna Curtmans geboren. Der Vater unseres Geburtstagskindes, der 1825 verstarb, war Rektor der Alsfelder Schule, die sich seit dem 13. Jahrhundert am Kirchplatz gegenüber der Walpurgiskirche befand. Weil aber das Einkommen eines Schuldirektors jener Zeit für eine zehnköpfige Familie zu kärglich war, bemühte sich der Vater um eine besser dotierte Pfarrstelle, die er später in Eudorf wahrnehmen konnte.

Zwar war die Erziehung Wilhelms, die ihm sein Vater zuteil werden ließ, besonders hart, doch vermittelte ihm gerade dieser schon in der Schule zu Alsfeld das für seine berufliche Karriere so dringend erforderliche Fundament hervorragender schulischer Bildung. Wilhelm wurde von seinem Vater ab dem 6. Lebensjahr mit einigen anderen begabten Schülern über den vorgeschriebenen Fächerkanon hinaus in den Fremdsprachen unterrichtet, die für seinen weiteren Werdegang stets von Bedeutung waren. Wilhelm hatte mit 14 Jahren das Elternhaus verlassen, um das Gießener Gymnasium zu besuchen. Dort fiel er den Lehrern durch „Disziplin, Gewissenhaftigkeit und Fleiß, gepaart mit Arbeitsfreude zum Lernen“ auf, so Trautwein in seiner Biographie über Curtman. Und obgleich Curtman die Fächer Mathematik, Naturkunde und Religion weniger lagen, zeichnete er sich hingegen durch einen außergewöhnlichen Umgang mit der deutschen Sprache und Literatur aus, was ihm die Schulmeister mit vorzüglichen Noten bescheinigten. Dabei schöpfte Curtman stets aus dem Wissen, das ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben hat.

Geburts- bzw. Taufeintrag aus dem Alsfelder Kirchenbuch
Repro: GFA

Der berufliche Werdegang

Curtman verließ das Gießener Gymnasium 1818 als einer der erfolgreichsten Schüler, um ein dreijähriges Theologiestudium anzuschließen, das er nach kurzer Unterbrechung 1822 abschloss. Der junge Theologe trat aber nicht in den geistlichen Dienst ein, sondern er widmete sich zunächst pädagogischen Fragen. Was Curtman von Beginn an auszeichnete, waren seine pädagogischen Fähigkeiten, die er in den ersten Jahren vor allem als Hauslehrer zeigte, indem er seinen Schülern die von ihm verfassten, lehrreichen und äußerst spannend erzählten Gedichte für sie mit Gewinn zu Gehör brachte. Curtman hat zahlreiche seiner so entstandenen literarischen Ergüsse in einem Gedichtband gesammelt, um sie später in seinen herausgegebenen Büchern einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Wilhelm Jacob Georg Curtman wirkte zunächst als Hauslehrer beziehungsweise als Hofmeister der Kinder verschiedener Standespersonen, wobei er diverse Länder und Menschen kennenlernte sowie Verbindungen zu einflussreichen Persönlichkeiten knüpfen konnte. Nachdem Curtman die Stelle eines leitenden Lehrers an der durch den Grafen von Erbach-Fürstenau gegründeten Privatschule aufgegeben hatte, übernahm er – im Besitz des Gymnasiallehrerexamens – eine Lehrstelle am städtischen Gymnasium in Gießen. Die finanzielle Not zwang ihn, weil er nach dem Tod des Vaters für viele seiner Geschwister sorgen musste, Privatstunden zu geben, schriftstellerisch für Zeitungen und Zeitschriften tätig zu werden sowie erste Bücher zu verfassen. Daneben fand er sogar noch die Zeit, 1827 die philosophische Doktorwürde zu erlangen.

Rasch wurde die Schulbehörde auf Dr. Curtman und seine Reformen der „alten Schule“ aufmerksam, wobei sie ihn 1830 an das Gymnasium in Worms versetzte, an dem der gebürtige Alsfelder seine schulreformerischen Vorhaben erfolgreich umsetzen konnte. Drei Jahre später, von großer Anerkennung seitens der Pädagogen in Deutschland begleitet, übernahm er den Auftrag zur Einrichtung eines Gymnasiums in Offenbach. Unterstützt durch den Fürsten zu Ysenburg, erzielte Curtman beachtliche schulreformerische Erfolge, die er in seinem Buch „Die städtischen Schulen zu Offenbach“ niederschrieb. Curtman war fortan einer der geschätztesten und erfolgreichsten Pädagogen in Deutschland, der in den unterschiedlichsten literarischen Organen publizierte und auf diesem Wege seine Reformvorstellungen bezüglich der Gymnasien und Volksschulen weitergab, die auf fruchtbaren Boden fielen.

Auf dem Höhepunkt seines schaffensreichen Lebens wurde Curtman 1839 die Stelle des Seminardirektors zur Ausbildung der angehenden Lehrer und Pfarrer in Friedberg angeboten, die er ein Jahr später annahm und mit seiner Familie dorthin zog. Folgt man Trautwein als Ur-Ur-Enkel Curtmans, so waren Curtmans Kardinaltugenden als Grundpfeiler seiner Lehrtätigkeit, die er den jungen Kollegen vermittelte, „Wachsamkeit, Ordnungssinn, Konsequenz und Gerechtigkeit“.

Curtmans letzte Lebensjahre und sein Tod in Gießen

Curtman ist 1864 in den Ruhestand getreten, wobei er für seine Verdienste mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Philippsordens durch den Großherzog von Hessen und mit dem St. Stanislausorden II. Klasse durch den russischen Zaren ausgezeichnet wurde. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Curtman oft kränkelnd, aber nichtsdestotrotz schriftstellerisch durchaus noch aktiv in Gießen, wo er am 6. Februar 1871 starb und auf dem dortigen Friedhof seine letzte Ruhe fand. Damit ging das Leben eines äußerst erfolgreichen Schulmannes zu Ende, das oft von Schicksalsschlägen geprägt, aber auch von ebenso vielen glücklichen Stunden gekennzeichnet war, die er im Kreise seiner Familie verbracht hatte.

Seinen Tod beklagten nicht nur die Familienmitglieder, sondern überdies viele Pädagogen und Theologen, die er ausgebildet hatte. In allen pädagogischen Zeitungen Deutschlands erschienen Nachrufe auf den einzigartigen und vorbildlichen Lehrer aus Alsfeld, dessen Schulreformen noch lange nach seinem Tod diskutiert und umgesetzt wurden. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang aus regionalgeschichtlicher Sicht der mit dem Kürzel „C“ unterzeichnete Nachruf auf den „Seminardirektor Curtman“ vom 14. Februar 1871 im Alsfelder Intelligenzblatt der Familie Ehrenklau, in dem es einleitend heißt: „In einer Zeit, wo halb Europa vom Getöse der Waffen widerhallt (gemeint ist der deutsch-französische Krieg), ist fast unbemerkt die Flamme eines Lebens erloschen, das viele Jahre hindurch dem friedlichen Gedeihen der Menschheit gewidmet war: Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtmans […].“ Die Erinnerung an Curtman war in Alsfeld stets lebendig geblieben, was der Verfasser durch die Zeilen des Nachrufs zum Ausdruck bringt. Wir spüren beim Lesen des Textes die hohe Wertschätzung, die dem Menschen und dem Pädagogen Curtman schon zu Lebzeiten entgegengebracht wurde: „Soll ich nun die Summe dieses Lebens dahin ziehen, dass ich seine Gelehrsamkeit und seinen Geist rühme, der Ehrenbezeugungen gedenke, welche ihm die Mächtigen dieser Erde zuteil werden ließen? Es wäre nicht im Sinne des Mannes gehandelt, der den äußeren Glanz wenig geachtet, und der sich nach angestrengter Arbeit im Gespräche mit dem einfachen Bürger befriedigter fühlte, als in strahlender Soirée (großer Abendgesellschaft).“ Und dass Curtmans Lebenswerk noch weit über seinen Tod hinaus Geltung behalten werde, weiß der zeitgenössische Verfasser durch folgende Zeilen deutlich zu machen: „Wenn aber noch nach Jahren die Kinder in der Schule ihren Curtman aufschlagen und der Lehrer, dadurch an vergangene Zeiten erinnert, den vergilbten Stahlstich sinnend betrachtet, der die ernsten Züge seines Directors wiedergibt, und wenn abends beim Schein der Lampe der fünfjährige Knabe dem Großvater ein Büchlein bringt und ihn bittet, ihm von den schönen Geschichtchen für Kinder, die noch nicht lesen können, zu erzählen, dann wird dem heimgegangenen Freunde der Kinder und der Lehrer in deren Herzen ein Denkmal erstehen, wie er selbst es gewünscht hatte.“

Ergreifend ist zudem das vermutlich von Philipp Friedrich Kranz im Alsfelder Intelligenzblatt am 21. Februar 1871 erschienene mehrstrophige Gedicht mit dem Titel „Am Grabe Curtmans“, in dem der Dichter in seinem Nachruf das von Arbeit erfüllte Leben Curtmans preist und auf dessen Lehre hinweist, die unvergessen bleiben wird, wenn seine Gönner für ihre Verbreitung sorgen: „Nun tretet weihevoll zurück vom Grabe Ihr Lehrer, Freunde, aus der Näh‘ und Fern‘! Wohin Ihr schreitet an dem Hoffnungsstabe, verpflanzet seiner Lehre reinen Kern! So gebt Ihr viel, selbst bei geringer Habe. O spendet, was Ihr spendet, immer gern! Dann muss es ja im Leben besser werden, denn Licht allein belebt und klärt auf Erden.“

Curtmans Geburtshaus in Alsfeld, Kirchplatz 3
Repro: GFA

Eine Gedenktafel zur Erinnerung

Pädagogen und Theologen, die Curtman noch gekannt haben beziehungsweise von ihm geprägt waren, hatten beschlossen, an seinem Geburtshaus in Alsfeld eine Gedenktafel anzubringen. Aus dem Kreisblatt des Kreises Alsfeld vom 10. August 1886 erfahren wir, dass die „Lehrer der Volksschulen des hiesigen Kreises in Wetzlar nach der Zeichnung des Kreisbaumeisters Kranz zu Ehren des dahier geborenen früheren Seminardirectors Dr. Curtman eine marmorne Gedenktafel verfertigen“ ließen, die „bei der nächsten hiesigen Lehrer-Conferenz am Hause des Uhrmachers Weber auf dem Kirchplatze (Geburtshaus Curtmans), der Walpurgiskirche gegenüber, befestigt werden“ sollte. Des Weiteren ist uns der Text der Gedenktafel mitgeteilt, der wie folgt lautete: „In diesem Hause wurde geboren am 3. März 1802 der berühmte Pädagoge Dr. W.J.G. Curtman, von 1841-1864 Director des Lehrer-Seminars zu Friedberg, gestorben zu Gießen am 6. Februar 1871“. Das genannte Haus war das Schulhaus, in welchem der Vater unseres Geburtstagskindes als Rektor der Schule wohnte. Nach einer initiierten Sammlung war die Herstellung der Gedenktafel erfolgt, die am 15. September 1886 an Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtmans Geburtshaus angebracht wurde.

Die „Einweihung der Curtman’schen Gedenktafel“ war am 21. September 1886 ein fast eine Seite füllendes Thema im Alsfelder Kreisblatt, aus dem wir rückblickend Informatives über den Ablauf der Feierlichkeiten anlässlich des Anbringens der Gedenktafel erfahren: „Am 15. September des Jahres wurde dem verstorbenen, hochverdienten Schulmanne Dr. W. Curtman an dessen Geburtshause zu Alsfeld eine Gedenktafel errichtet. Ein großer Teil der Lehrer des Kreises Alsfeld, von welchen noch viele frühere Schüler Curtmans sind, ebenso Freunde und Verehrer desselben, hatten sich zu dieser Feier eingefunden.“ Wir hören weiter davon, dass die Familie Curtman durch Wilhelm Curtman, Rechtsanwalt in Gießen, sowie durch Wilhelm Trautwein, Pfarrer in Alsfeld, der Sophie, eine Tochter Curtmans geheiratet hatte, vertreten war. Kreisrat Hoffmann, Kreisschulinspektor Müller und Bürgermeister Arnold waren ebenso anwesend. Folgen wir an dieser Stelle wiederum dem Originalton der Lokalpresse jener Tage: „Die Lehrer und Teilnehmer hatten sich des Morgens gegen 10 Uhr im Fries‘schen Garten (am Pfarrwiesenweg) versammelt, wurden daselbst von den Schülern der Stadtschule mit flatternden Fahnen und Trommelklang abgeholt und im Zuge nach dem Geburtshause geleitet, wo sich bereits ein zahlreiches Publikum versammelt hatte. Dort angelangt, trugen zunächst die Schüler der Stadtschule zu Alsfeld unter Leitung des Herrn Lehrer Gaub ein mehrstimmiges Lied vor. Sodann folgte die Enthüllung und Übergabe der Tafel durch Herrn Oberlehrer Weifenbach“, dessen Festrede wörtlich im Kreisblatt abgedruckt wurde.

Nach dem Pädagogen Curtman wurde in Alsfeld
eine Straße benannt – Repro: GFA

Weifenbach betonte in seinen Ausführungen, dass „Alsfelds Bewohner stolz sein“ dürften „auf diese erste Votivtafel innerhalb der Mauern ihrer Stadt“ und dass „der Chronist den Namen Curtman den Namen der bedeutendsten Männern dieser Stadt würdig an die Seite stellen“ möge. Diese erste Gedenktafel jedoch – folgen wir hier den Worten Trautweins – zerbrach in den 1950er-Jahren bei Renovierungsarbeiten am Geburtshaus Curtmans. 1988 ließ die Stadt Alsfeld eine neue Gedenktafel anbringen, die allerdings im Zuge der erfolgten Sanierungsmaßnahmen der „Ratseckzeile“ 1993 vom Geburtshaus verschwand. Anlässlich des diesjährigen 200. Geburtstags von Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtman hat sich die Stadt Alsfeld nach einem Antrag des Verfassers und nach der Zustimmung des Hausbesitzers bereit erklärt, wiederum eine Gedenktafel am Geburtshaus Curtmans anzubringen, um an den bedeuten den Pädagogen aus Alsfeld zu erinnern.

Demjenigen, der zukünftig an diesem Haus vorübergeht, den Namen Curtmans liest und fragen sollte, wer dieser Mann war, wollen wir die Antwort geben: Curtman war ein bedeutender Schulmann, dessen Name weit über die Grenze unserer Heimatstadt, weit über die des Hessenlandes und weit über die Deutschlands mit Hochachtung genannt wurde. Ihn, den Schulreformer, den Verfasser lehrreicher wie spannender Bücher und den Dichter unterhaltsamer Geschichten, dessen Wiege in Alsfeld stand, wollen wir nicht vergessen und sein Andenken stets bewahren.

Literatur und Quellen:

[01] Wilhelm Trautwein, Alsfelder Sohn wurde bedeutender Pädagoge“, Aus dem Leben Dr. W.J.G. Curtmans, in: Heimat-Chronik 5 (1992).

[02] Kindergeschichten mit Bildern und Kinderliedern von Wilhelm Trautwein und Wilhelm Curtman, Marburg 1996.

[03] Allgemeines Intelligenzblatt Nr. 13 vom 14. Februar 1871.

[04] Allgemeines Intelligenzblatt Nr. 15 vom 21. Februar 1871.

[05] Kreisblatt des Kreises Alsfeld Nr. 63 vom 10. August 1886.

[06] Kreisblatt des Kreises Alsfeld Nr. 75 vom 21. September 1886.

Erstveröffentlichung:

Michael Rudolf, Bedeutender Pädagoge erblickte vor 200 Jahren (1802) in Alsfeld das Licht der Welt: Dr. Wilhelm Jacob Georg Curtman wurde am 03.03.1802 im Haus am Kirchplatz 3 geboren. Gedenktafel erinnert wieder an ihn, in: Heimat-Chronik Alsfeld, 19. Jahrgang, 2002, Heft 2, S. 1-3.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihm genehmigt. Vielen Dank!

[Stand: 28.05.2024]