Frieda Bücking eine exzellente und welterfahrene Schriftstellerin

Von Michael Rudolf, Alsfeld (18.12.2002)

Ihre Dichtungen zeugen von der tiefen Verbundenheit mit Alsfeld und der Schwalm

„Kommt einmal mit mir, Ihr Kinder der großen Stadt, zu unserem stillen oberhessischen Nest. Fahrt mit mir – gar nicht so viele Meilen weit – ins schneebedeckte Land hinein, dem dunklen Waldgebirge zu, und rasch liegt die Welt und ihr brausendes Leben hinter uns. Da will ich Euch zeigen, wie’s hier geht und steht …“. So lässt Wilhelmine Christiane Friederike Bücking (1853-1925) ihre Erzählung „Aus dem Leben einer kleinen Stadt” zur Weihnachtszeit in Alsfeld beginnen.

Wer war Frieda Bücking, die in den Jahren zwischen der Jahrhundertwende und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs unzählige Aufsätze und Briefe geschrieben hat und deren Zeilen von der großen Beobachtungsgabe, der hohen Bildung und der Welterfahrenheit der Schriftstellern Zeugnis geben?

Alsfeld als Geburtsort der Dichterin

1926, ein Jahr nach Frieda Bückings Tod, ließen Verwandte und Freunde deren Aufsätze und Briefe bei Richard Uhde in München in den Druck geben, um die kunstvollen Schriften der gebürtigen Alsfelderin vor dem Vergessen zu bewahren. Unter diesen Arbeiten befinden sich zahlreiche Erzählungen über Alsfeld und die Schwalm, die zum großen Teil in der Frankfurter Zeitung erschienen sind. Dies nahm der Geschichts- und Museumsverein 1994 zum Anlass, die die Region betreffenden und die zwischen 1902 und 1907 entstandenen Erzählungen der einst in Alsfeld lebenden Autorin – mit einem Vorwort versehen – erneut herauszugeben [01].

Frieda Bücking wurde am 21. Juli 1853 in der Stadt an der Schwalm geboren. Ihr Vater war der bekannte Pfarrer und Dekan Karl Müller (1825-1905), der mit anderen Autoren eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten über das Leben der Vögel sowie diverser Tierarten veröffentlichte. Namhafte Wissenschaftler, unter anderem der Zoologe Alfred Brehm. fanden in dieser Zeit den Weg nach Alsfeld, was auf ein humanistisch geprägtes und weltoffenes Elternhaus schließen lässt. Die Mutter, Nanny Martha, war die Tochter des wohlhabenden Alsfelder Tabakfabrikanten Wilhelm Eduard Hyppolite, dessen weit reichende Handelsbeziehungen manche Kontakte mit bedeutenden Persönlichkeiten der damaligen Welt entstehen ließen.

Seit frühester Jugend mit den Bildungsidealen der Zeit konfrontiert, wandte sich Frieda Bücking rasch der Kunst und später der Literatur zu. Diesen beiden Disziplinen konnte sich die junge Frau genussvoll widmen, garantierte ihr doch die 1878 geschlossene Ehe mit dem 1914 verstorbenen Alsfelder Kaufmann Rudolf Bücking finanzielle Unabhängigkeit. Von vielen Zeitgenossen als rastlos, temperamentvoll, schöpferisch und freiheitsliebend beschrieben, löschte Frieda Bücking während der vielen Studienreisen nach Frankreich, England, Italien, Griechenland und Ägypten ihren Wissensdurst. Überdies fallen in diese Zeit jene Jahre, von denen die Alsfelderin später zehrte und durch die sie maßgeblich schriftstellerisch beeinflusst wurde.

Das Bücking-Haus am Alsfelder Marktplatz mit dem markanten Erker,
dem favorisierten Arbeitsplatz Frieda Bückings
Postkarte: Verlag Georg Kurtz jun.

Ihr Arbeitsplatz – der Erker des Bücking-Hauses

Der Blick in Werner Meyer-Barkhausens Standardwerk über Alsfeld [02] lässt die Verbundenheit mit sowie das Interesse Frieda Bückings an ihrer Heimatstadt Alsfeld und deren über die Jahrhunderte gewachsenen architektonischen Wunderwerke erkennen, da der Autor keiner Geringeren als Frieda Bücking den ersten Band seines Fachwerkbuches widmete. Sie, so der Herausgeber, habe ihm beim Verfassen stets als „hilfreiche und freisinnige Frau” mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Die Alsfelderin liebte die Fachwerkbauten innig, wie es den vielen Aufzeichnungen ihrer Hand zu entnehmen ist. Nicht verwunderlich dürfte es daher sein, dass der überwiegende Teil der Werke Frieda Bückings an ihrem Schreibtisch im Erkerzimmer des gleichnamigen Bücking-Hauses am Marktplatz entstanden ist, also in jenem imposanten Fachwerkhaus, das 1509 [siehe Nachbemerkung] errichtet wurde. Frieda Bücking favorisierte diesen Platz, weil er sie durch die heimelige Atmosphäre des alten Baues inspirierte.

Alsfeld und die Schwalm im Werk Frieda Bückings

In den Arbeiten, die Frieda Bücking zwischen 1902 und 1907 verfasst hat, fallen besonders die Publikationen auf, in denen sie sich thematisch über die Stadt Alsfeld und die Schwalm äußert. Neben Frieda Bückings eindrucksvoller und unvergesslicher Erzählung „Aus dem Leben einer kleinen Stadt”, in der sie – in ihrem Erker sitzend – mit reicher und genauer Beobachtungsgabe über das menschliche Treiben an einem vorweihnachtszeitlichen Wintertag in Alsfeld vom anbrechenden Morgen bis in die Zeit der  Dämmerung bzw. des Schlafengehens berichtet, sind es gerade die Dichtungen, in der sie der Feder freien Lauf über die Natur sowie über die Menschen lässt, die sie zu einer herausragenden und über die Grenzen der Stadt hinaus bekannten Autorin machten.

Ihr Ton ist dabei leicht und lebhaft, farbig und variantenreich, wobei er nicht selten zum Schmunzeln einlädt. Alfred Bock, ein Zeitgenosse Frieda Bückings, spricht in seinen Aufzeichnungen davon, dass die Dichterin in ihren Werken, wenn sie über die Menschen an der Schwalm während der Kirmessen und der Pfingsttage oder an den Sommerabenden vor den Häusern und beim Tanz auf dem Anger sowie in vielen Situationen mehr schreibt, „ein Stück deutschen Volkstums gezeichnet” habe. Die Dichtungen seien stets „dem Leben abgelauscht”, wobei ein gelungenes Maß an „erquickendem Humor“ aufblitze. Zudem gleiche all das von Frieda Bücking Geschriebene einem Meisterwerk. Es ist daher ein Hochgenuss, die Werke der 1925 Verstorbenen zu lesen und sich von ihrer farbenfrohen und charakteristischen Sprache durch die Welt der um die Jahrhundertwende zur Literatur gewordenen Menschen unserer Region führen zu lassen.

Anmerkungen:

[01] Frieda Bücking, Alsfeld und die Schwalm. Aufsätze und Briefe. Mit einem Geleitwort von Alfred Bock, im Auftrage von Verwandten und Freunden als Privatdruck herausgegeben von Richard Uhde, Verlag Richard Uhde, 1. Auflage, Marsplatz 1, München 1926.

Frieda Bücking, Alsfeld und die Schwalm. Aufsätze und Briefe von Frieda Bücking (1853-1925), hrsg. vom Geschichts- und Museumsverein Alsfeld, Alsfeld 1994.

[02] Werner Meyer-Barkhausen, Alsfeld, in: Alte Städte in Hessen, Band 1, Marburg 1927.

Erstveröffentlichung:

Michael Rudolf, Frieda Bücking – eine exzellente und welterfahrene Schriftstellerin. Ihre Dichtungen zeugen von der tiefen Verbundenheit mit Alsfeld und der Schwalm, in: OZ-Extra, 18.12.2002.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihm genehmigt. Vielen Dank!

[Stand: 18.05.2024]