Konrad Haas (1599-1676)

Von Karl Dotter, Alsfeld (1937)

Konrad Haas, der berühmte Alsfelder Ratsherr und Bürgermeister, war ein Sohn des Bürgers und Wollwebers Johannes Haas [01]. Dieser hatte sich im Jahre 1595 zu Kirtorf mit Katharina Reinhardt, einer Tochter des dortigen Bürgers Kurt Reinhardt verheiratet. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor: Jonas Haas, Konrad Haas und ein jüngerer Bruder Henrich, der 1628, laut vorhandenem Geburtsbrief, nach der Freien Reichsstadt Frankfurt a.M. zog, wo er der Stammvater eines noch lange dort blühenden Geschlechtes wurde.

Konrad Haas muss, nach der Altersangabe bei seinem Tode, im Jahre 1599 geboren sein. Aus seiner Jugendzeit wissen wir nichts Näheres. Jedenfalls hat er, wie dies damals allgemein üblich war, die Lateinschule seiner Vaterstadt besucht und sich dort die Kenntnisse angeeignet, die ihn im späteren Leben auszeichneten. Am 3. September 1632 trat er zu Alsfeld mit Maria Katharina Steub in die Ehe. Es war die erste Trauung, die der Alsfelder Pfarrer Magister Georg Eberhard Happel in Alsfeld vollzog. Seine Frau war eine Tochter des Hersfelder Handelsmannes Johannes Steub und dessen Ehefrau Elisabeth, geborene Weiffenbach.

Konrad Haas war von Beruf Krämer. Sein Wohnhaus befand sich in der oberen Fuldergasse. [02] Im Jahre 1636 wurde er durch öffentliche einstimmige Wahl seiner Mitbürger in den Rat der Stadt gewählt. Diesem hat er bis zu seinem Tode angehört. Das Vertrauen seiner Mitbürger zeigte sich darin, dass er im Laufe der Jahre mehrfach mit wichtigen städtischen Ehrenämtern betraut wurde.

So war er z. B. dreimal Bürgermeister der Stadt: 1645/1646, 1653/1654 und 1667/1668. Er bekleidete ferner folgende Ämter:

Säckelträger in der Kirche: 1633
Feuerschillingsmeister: 1637
Weinmeister: 1639, 1644, 1652, 1671
Oberkastenvorsteher: 1638, 1656
Schätzer vom Rat: 1640, 1642, 1661, 1666

In 44-jähriger Ehe hatte er acht Kinder, vier Söhne und vier Töchter, von welchen zwei Söhne und zwei Töchter in jungen Jahren starben. Der älteste Sohn, Bartholomäus (1647-1713), pflanzte den Namen seines Geschlechtes in Alsfeld fort. Er erwarb 1691 von seinem Schwager Johann Georg Steub das Wohnhaus am Markt [03], das die Familie Haas bis zu ihrem Erlöschen im Jahre 1829/1843 im Besitz hatte. Ein jüngerer Sohn des Bürgermeisters Haas war der Opfermann Johannes Haas (1650-1729). Seine Linie starb mit seinem Tode aus. Die Amtszeit des Ratsherrn und Bürgermeisters Konrad Haas fiel in die schwere Zeit des 30-jährigen Krieges. Eine harte Prüfung, eine der schlimmsten, die Alsfeld je erdulden musste, wurde der Stadt im Jahre 1646, dem Amtsjahre des Konrad Haas, auferlegt. Bei dieser schweren Heimsuchung seiner Vaterstadt erwies er sich nicht nur als ein treues Stadtoberhaupt, sondern auch als ein mutiger, selbstloser und tapferer Mann. Diesem Umstande verdankt er seine Berühmtheit, die bis auf den heutigen Tag unvergessen geblieben ist.

Bereits am 16.07.1646 machte er unangenehme Bekanntschaft mit den fremden Kriegsvölkern, die damals Alsfeld besetzt hatten. Der Unterschrift unter einem von ihm erpressten Zeugnis, das der Obristwachtmeister Jakob Gerart von ihm haben wollte, ging er aus dem Wege, indem er sich auf dem Kirchendache versteckte. Dort wurde er unversehens eingeschlossen und erst um Mitternacht befreit. In seinem kurzen Bericht, den er darüber gibt, lässt er auch einige Worte über den Undank der Welt einfließen.“ [04]

Schlimmer erging es ihm und der Stadt einige Monate später. Es war am 30.09.1646, als der niederhessische Generalwachtmeister Johann Geyße [Geiso] die Stadt belagerte und eroberte. Die Einzelheiten jenes harten Schicksalsschlages, der die Stadt traf, sind schon mehrfach erschöpfend behandelt worden. [05] Konrad Haas stand damals dem Verteidiger der Stadt, dem Obristleutnant des hessischen Leibregiments, Paul Seidtler, aufs Beste zur Seite und leistete was nur menschenmöglich war. Er bestieg während der heftigsten Beschießung der Stadt das Kirchendach, um die bleiernen Dachrinnen abzuhauen, damit man daraus Kugeln gießen könne. Hierbei unterstützte ihn der ebenso mutige wie treue Alsfelder Pfarrer und Inspektor Magister Georg Eberhard Happel. Inzwischen brannte sein eigenes Wohnhaus in der Fuldergasse ab. Konrad Haas ließ sich dadurch nicht irre machen. Schon damals beachtete er den Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz.“

Der Rat der Stadt und die Bürgerschaft wussten diese tapfere Tat wohl zu würdigen und entsprechend zu ehren. Der Rat ließ ihm ein Ehrengeschenk in Gestalt eines goldenen Halsschmuckes für seine Frau überreichen. Dieses Geschenk vererbte sich in der Familie und ging später, wie es auf schwedisch heißt, in der „Spinsidia“ auf einen Zweig der Nachkommenschaft, die Tochter eines Herrn v. Hillern-Flinsch in Stockholm über, die den kostbaren Schmuck noch heute besitzt.

Konrad Haas starb zu Alsfeld am 23.05.1676 im Alter von 77 Jahren. Seine Frau überlebte ihn noch um drei Jahre. Die Stadt Alsfeld hat das Andenken an ihren treuen Sohn dadurch geehrt, dass sie eine Straße der Stadt nach ihm benannt hat.

Die Leichenpredigt bei seinem Tode hielt der Alsfelder Pfarrer und Inspektor Dr. Justus Balthasar Haberkorn, der Nachfolger von Magister Georg Eberhard Happel. Aus dieser Leichenpredigt stammen wohl auch die Worte, die Karl Dieffenbach in seiner „Geschichte der Stadt Alsfeld“ 1817 zitiert. Sie geben zusammenfassend ein Bild des treuen, tapferen Mannes. Sie seien daher zur Ergänzung seines Lebensbildes hier im Wortlaute noch einmal wiedergegeben:

„Im übrigen auch, um unsers seelgen Herrn Bürgermeisters Lebenslauf in etwas zu gedenken, so hat derselbige, wie männiglich bekannt, nicht leichtiglich eine Predigt oder Betstunde versäumt, es habe ihn dann seine Baufälligkeit, oder unvermögliches Alter abgehalten, und ob er schon durch zweymalige, sehr unglückliche Beinbrüche in erbärmlichen Zustand gerathen, hat er doch nach seiner Genesung, wie sauer ihm auch der Gang worden, jederzeit seine höchste Freude in dem heiligen Worte Gottes gehabt, und darin seine innigliche Herzensfreude und Erquickung gesucht, auch sein Vertrauen so fest an Gott gerichtet, dass er in seinen so vielfältigen und widrigen Begegnissen immer dieses zum Zweck gehabt: wenn der Herr mich schon tödten würde, wollte dennoch ich beständig auf ihn hoffen.

In Ansehung seines geführten aufrichtigen, rechtschaffenen Wandels, und nachdem er im Jahr 1636 durch öffentliche einstimmige Wahl in dem Rat auserkohren worden, (wobey er denn 1637 das Feuerschillings- und andere Ämter der Ordnung nach, tragen müssen,) haben auch nachgehends die löblichen Zünfte und Gemeinde hiesiger Stadt zu unserm seelgen Herrn Bürgermeister ein solch zuverlässiges Vertrauen getragen, dass sie ihn in die 6 Jahre lang, nämlich 1645-1646, sodann 1653-1654, und 1667 und 1668 des Bürgermeisteramtes würdig geachtet, wobey er denn ohne eitlen Ruhm zu melden, sonderlich bey der Niederhessischen Belagerung 1646 sein patriotisch treues Gemüth, tag- und nächtlicher, unverdrossener sehr schweren Sorg und Last, gegen hiesige Stadt und liebe Bürgerschaft dergestalt erwiesen, dass er, in während der Belagerung, bey Stürmen, Presch-Schießen und Feuer-Einwerfen allezeit vorangewesen, sich ernstlich und standhaftig an den Commandanten gehalten, dass mit dessen Hülfe und Rath aller Orten, wo es nöthig gewesen, großer Widerstand mit tapferem Gemüthe und Anfrischung der lieben Bürgerschaft bezeugt worden.

Insonderheit, mit sehr vortheilhaftig gemachten Abschnitten, dadurch der Feind, als er schon bereits über die Presche hereingelaufen, dennoch mit Hinterlassung vieler Toden (worunter hohe Standespersonen und verschiedene Officiere mitbegriffen gewesen), zurück über die Bresche weichen müssen, worauf dann erfolget, dass das vor Augen gestandene große Blutbad durch des Höchsten gnädigen Beystand nicht ins Werk gerichtet, sondern noch ein leidlicher Akkord getroffen worden, wobey denn nicht in geringe Verwunderung zu ziehen, als durch tag- und nächtliches unaufhörliches Schießen es endlich an Bley ermangeln wollen, und unser seeliger Herr Bürgermeister dies eilende Mittel ergriffen, das, auf dem Pfarrdache gelegene Bley bey solcher äußersten Noth zu gebrauchen, auch hierüber Herrn M. Happel seel. Consens erlanget, niemand aber sich bequemen wollen, solches herunter zu langen, hat der seelige Herr Bürgermeister sich erkühnet, mit höchster Gefahr eilfertig auf das Dach gestiegen, und mit einer Axt, so ihm Herr M. Happel seel. dargereicht, das Bley in der Rinne abgerissen, unterdessen aber –

sein Haus, Hof, Hab und Nahrung durch ein gewesenes Feuer zu seinem und der Seinigen unwiderbringlichen Schaden, ohne einzige Hülfe oder Rettung, lieber in Dampf dahingehen, als sein treues Vaterherz gegen diese Stadt und Bürgerschaft sinken lassen, vielmehr aber selbige Gott und der Herrschaft bis in den Tod treu zu bleiben, mit höchster Leibes- und Lebensgefahr unnachlässig anfrischen wollen:

welches dann auch also gefruchtet, dass, obschon diese liebe Stadt und Bürgerschaft dazumal in höchstes Verderben, in Jammer und Noth gerathen, dennoch solcher geleisteten Treue halber für Gott, der Landesfürstlichen Obrigkeit, und der lieben Posterität zu ewigem Nachruhme gereichen wird. Was nun nach Eroberung dieser Stadt, mit schweren Pressuren, zu Einlösung der Glocken, unser seel. Herr Bürgermeister ausstehen, hierneben auch von dem Kriegsvolk für Schmach, Jammer, Leid und Unheil erdulden müssen, würde viel zu weitläuftig seyn, der Länge nach zu erzählen. Insonderheit auch, wie er, wegen einer angeforderten starken Summe Geldes von den kaiserlichen Völkern, (nachdem sie ihr Quartier allhier verlassen müssen), gefänglich fortgeschleppt werden sollen, sich aber, bis zum gänzlichen Abzug solcher Völker, auf dem Kirchengewölbe verborgen halten müssen.“

Anmerkungen:

[01] Johannes Haas war Ratsherr, 1600/1601 Baumeister, 1602 und 1604 Oberkastenvorsteher in Alsfeld.
[02] Heute Metzgerei Pflanz
[03] Vgl. „Mitteilungen“, 7. Reihe, Nr. 5, Seite 56.
[04] Vgl. „Mitteilungen“, 2. Reihe, Nr. 1/2, Seite 71/72.
[05] Soldan, Dr. W.G., Geschichte der Stadt Alsfeld, II., Seite 44-46. Dieffenbach, Karl, Geschichte der Stadt Alsfeld, Gießen 1817, Seite 49-53. Oberhessische Zeitung, Nr. 28. l. vom 2. Februar 1933: „Johann von Geyso“, Bildnis im Museum des Alsfelder Geschichts- und Altertumsvereins.

Erstveröffentlichung:

Karl Dotter, Konrad Haas 1599-1676, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 7. Reihe, Nr. 11, 1937, S. 126-128.

[Stand: 31.05.2024]