Prof. Dr. Georg Martin Kober
Zur Wiederkehr seinen 25. Todestages

Von Hermann Timmann, Alsfeld (1956)

Unter den vielen vortrefflichen Männern und Frauen, die Alsfeld in seiner vielhundertjährigen Geschichte hervorgebracht hat, ist Georg Martin Kober einer der bedeutendsten gewesen. Nicht umsonst hat die Stadtverordnetenversammlung kürzlich beschlossen, aus Anlass der 25. Wiederkehr des Todestages dieses Mannes eine Straße nach ihm zu benennen. Aus schlichter Tuchmacherfamilie stammend, hat er aus eigener Kraft in den Vereinigten Staaten von Amerika Ehre und Ansehen erworben, blieb dabei aber seiner Vaterstadt treu bis über den Tod hinaus und zeitlebens ein einfacher und zurückhaltender Mensch. Den Ablauf dieses an Arbeit und Erfolg so reichen Lebens sollen die folgenden Zeilen kurz beschreiben.

Prof. Dr. Georg Martin Kober (1850-1931)
Repro: GFA

Georg Martin Kober – sein erster Vorname wurde später in „George“, amerikanisiert – war das achte von zehn Kindern des Tuchmachers Johann Jacob Kober und dessen Ehefrau Johanna Dorothea, geb. Bär. Im Stammhaus der Familie Kober am Roßmarkt, in dessen Mauern noch heute ein Nachfahre der Familie lebt, wurde Georg Martin am 28. März 1850 geboren. Vom 5. bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in Alsfeld, später war er zwei Jahre Gastschüler in der Realschule. Als Schreibgehilfe am Amtsgericht und am Kreisamt verdiente er sich nebenbei Geld, lernte dabei aber zugleich kommunalpolitische Praxis und vor allem auch die Menschen kennen. Von seinen Kollegen und Vorgesetzten hoch geschätzt, sollte der junge Kober ein Stipendium zum Studium der Theologie erhalten, aber den jungen Mann zog es nicht in die stille Gelehrtenstube, sondern hinaus in die Welt, wo er sein Schicksal selbst schmieden wollte.

Anlass zu dieser Zielsetzung mochte der Besuch eines früher ausgewanderten Alsfelders in der Heimatstadt gewesen sein. Damals war Georg Martin zwölf Jahre alt gewesen und hatte zurückbleiben müssen, als der Besucher den Rückweg in die neue Welt antrat. Aber die Phantasie des Knaben war angeregt und beeinflusste zweifellos die weitere Entwicklung der Dinge. Hinzu kamen die Nachwirkungen der politischen Ereignisse von 1848. Wenn auch die Revolution längst niedergeschlagen war – die neue Strömung war doch als Gedankengut erhalten geblieben. Freiheit – das war das Ideal vieler Menschen, und es nimmt nicht wunder, dass der junge Georg Martin diesem Ideal huldigte, zumal sein Vater selber gern die freie Luft der neuen Kontinents geatmet hätte. Was dem Vater nicht gelingen konnte, sollte seinem Sohn ermöglicht werden, und so erfuhr der junge Auswanderer die volle Unterstützung der Eltern.

1866 schlug die Stunde der Abschieds von Eltern und Heimat. Mit dem Dampfer „Amerika“ trat der Sechzehnjährige die Reise über das große Wasser an. In New York hielt er sich zunächst bei seinem Schwager Carl Habel auf und versuchte sich als Laufbursche und Friseurlehrling sein Brot zu verdienen. Dann erhielt er eine Stellung als Sanitäter in einem amerikanischen Heeresdepot. Ein Jahr später war er bereits Lazarettgehilfe in Carlisle Barracks, 1870 Lazarettverwalter in Philadelphia und wieder ein Jahr später Angestellter in der Dokumenten- und Pensionsabteilung in Washington.

In Washington ließ er sich als Hörer an der Georgetown-Universität einschreiben und studierte in Abendvorlesungen Medizin Schon zwei Jahre später erlangte Kober den Doktortitel und 1874 trat er als Militärarzt eine neue Stellung an. Seine Fähigkeiten müssen überaus groß gewesen sein, wie nicht allein aus der kurzen Studienzeit ersichtlich ist, sondern auch aus der Tatsache, dass Kober nach seinem 1886 erfolgten Ausscheiden aus dem Militärdienst und seiner Etablierung als praktischer Arzt schon 1890 als Professor der Hygiene an die Georgetown-Universität berufen wird. Elf Jahre später erhält er die Würde des Dekans der dortigen medizinischen Fakultät, die er bis 1928, dem Jahr seines Ausscheidens, innehat.

Neben der Lehrtätigkeit ist die praktische Betätigung im Gesundheitswesen ein weites Betätigungsfeld für den arbeitsamen und aufgeschlossenen Mann. Seine reichen Erfahrungen legt er in mehreren Werken nieder, weiter schreibt er nicht weniger als 274 fachwissenschaftliche Abhandlungen über Fragen der Medizin und Hygiene. Die Bedeutung des Jods als Desinfektionsmittel bei Schussverletzungen, die Übertragung von Typhuskeimen durch Fliegen, Probleme der Urologie und vor allem der Tuberkulose, die vorbeugende Gesundheitspflege in der Industrie und die häusliche Hygiene sind einige der Themen, die er scharfsinnig und tiefschürfend beleuchtet.

Aber nicht allein die theoretische Erkenntnis, sondern auch die Umsetzung des Wissens in der Alltagspraxis liegen Kober am Herzen. Die Schaffung einwandfreier hygienischer Verhältnisse in der amerikanischen Hauptstadt – so vor allem die Abwässerbeseitigung – ist ihm zu danken. Die Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser lässt er sich angelegen sein und schafft damit eine Voraussetzung für das schlagartige Zurückgehen der Typhuserkrankungen. Zur Bekämpfung der Tuberkulose setzt er sich erfolgreich für den Bau des Tbc-Hospitals im District Columbia ein. Eine für damalige Zeiten geradezu revolutionäre Tat ist sein ebenfalls von Erfolg gekrönter Einsatz für den Bau sauberer und luftiger Arbeiterwohnungen.

Über die ihm gesetzte Lebens- und Wirkenszeit hinaus schuf er die Grundlage für die ärztliche Arbeit, indem er eine 16.000 Dollar-Stiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose schuf. Für außergewöhnliche Leistungen auf medizinischem Gebiet stiftete er selber einen ansehnlichen Geldbetrag und eine Goldmedaille, die jährlich vergeben wurden.

Alle diese Erfolge und die damit verbundenen Ehrungen, die Kober zuteil wurden, berührten nicht den innersten Kern dieses bedeutenden Menschen. Er blieb, was er war: bescheiden und seiner Grenzen bewusst. Und er vergaß seine alte Heimat nicht. Nach dem ersten Weltkrieg war er führend mit tätig im Herbert-Hoover-Komitee, das die Versorgung der notleidenden europäischen Bevölkerung mit Lebensmitteln in die Wege leitete. Vor allem lag ihm die Kinderspeisung am Herzen. Zur Beschaffung zusätzlicher Mittel für die Tuberkulosebekämpfung regte er die jährliche Herausgabe von Sondermarken an, aus deren Erlös noch heute erhebliche Gelder für diesen Zweck gewonnen werden.

Für seine Heimatstadt unmittelbar war Kober in den schweren Nachkriegsjahren ein uneigennütziger Helfer und Freund. 1922, zur 700-Jahrfeier Alsfelds, stiftete er 20.000 Mark, und einen ebenfalls sehr ansehnlichen Betrag gab er zum Bau der evangelischen Gemeindehauses am Lieden. Aus den Zinsen einer von ihm eingerichteten 10.000 Dollar-Stiftung wurden alljährlich die Ortsarmen in Alsfeld beschenkt, bis der 2. Weltkrieg und die Währungsreform auch diese wohltätige Einrichtung zerschlugen. Dass er daneben auch in Einzelfällen immer wieder half – so verdankte ihm der Gründer der Kleiderfabrik, Herr Georg Dietrich Bücking, die Entlassung aus der Internierung im 1. Weltkrieg – und mit zahlreichen Alsfeldern brieflich ständigen Kontakt aufrecht erhielt, rundet das Bild dieser hervorragenden Persönlichkeit ab.

Als er am 24. April 1931 starb, verlor die Welt einen ihrer besten Männer. Die Inschrift auf der Ehrenmedaille, die die Georgetown-Universität ihm zu seinem 80. Geburtstag überreicht hatte, „Patriot – Physicah – Philantropist“ (nur eine unter vielen Ehrungen, die er im Laufe der Jahre empfangen hatte) kennzeichnete das Wesen dieses Mannes mit wenigen Worten, aber durchaus umfassend. Ein Menschenfreund im wahrten Sinne, war er aber auch zugleich Sohn seiner Vaterstadt. Der neuen Heimat treu, bewahrte er doch das Bild der alten in seinem Herzen. Alsfeld hat allen Grund, das Andenken dieses hochverdienten Menschen zu bewahren.

Erstveröffentlichung:

Hermann Timmann, Professor Dr. Georg Martin Kober. Zur Wiederkehr seines 25. Todestages, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 9. Reihe, Nr. 5/6, 1956, S. 46-48.

Anmerkung:

Die vom Geschichts- und Altertumsverein der Stadt Alsfeld herausgegebene Mitteilung, die den vorliegenden Text enthält, verzichtet auf Copyright-Vermerke oder andere publikationsrechtliche Einschränkungen.

[Stand: 28.05.2024]