Prof. Dr. Konrad Matthäus (1519-1580)

Von Dr. J. Berg, Alsfeld (1937)

Das Stadtarchiv in Alsfeld konnte ein kleines Buch erwerben, das die lateinische Leichenrede auf einen berühmten Sohn der Stadt, den Professor Dr. Konrad Matthäus, und daneben im Anhang einige lateinische und einen griechischen Nekrolog in Versen enthält. Die Rede gibt in schwungvoller Rhetorik ein eingehendes Bild vom Leben, Schaffen und den großen Verdiensten des Konrad Matthäus, der als Lehrer, als Professor der Universität und als Assessor am Obersten Hessischen Gericht in Marburg gewirkt hat.

Prof. Dr. Konrad Matthäus (1519-1580)

Die Rede wurde 1580 bei der Leichenfeier von dem juristischen Kollegen des Verstorbenen Professor Dr. Bernard Copius gehalten, sie ist in einer Vorrede dem Bürgermeister und den Ratsherren der Stadt Alsfeld, als der Vaterstadt des Heimgegangenen, von den überlebenden Söhnen überreicht, um das Lebensbild dieses berühmten Sohnes in der Vaterstadt lebendig zu erhalten und um der Liebe zur Heimat ihres Vaters Ausdruck zu geben. Gedruckt ist das Büchelchen in der Offizin des Nikolaus Bassäus in Frankfurt 1581. Das Exemplar trägt auf der Titelseite die handschriftliche Widmung eines Heinrich Matthäus, wohl eines Sohnes des Verstorbenen an einen Dr. jur. utr. und Assessor am Obersten Gericht in Hessen Heinrich Breulius.

Der Redner zählt in der Einleitung all die Professoren der verschiedenen seiner eigenen Wirksamkeit in Marburg Fakultäten auf, die während der 15 Jahre verstorben sind, er nennt bei jedem die wissenschaftliche Leistung, ihre Werke oder Dichtungen. Sie alle überragt der jetzt zu früh mit 61 Lebensjahren dahingeschiedene Konrad Matthäus.

Nach dem jetzt folgenden, in aller Breite ausgearbeiteten Lebensbild Konrad Matthäus in Alsfeld 1519 geboren. Seine Eltern waren Konrad Matthäus (der Ältere) und Elisabeth Hultscher, beide aus angesehenen Alsfelder Familien. Ein Johann Matthäus, Oheim des Verstorbenen, hatte 400 Goldgulden für Straßenbau und ebensoviel für die Ausbildung eines Sohnes seiner Familie im Testament ausgesetzt. Der Vater Konrad Matthäus war Ackersmann, er lebte fern von öffentlichen Geschäften, zurückgezogen, nachdem er „wie Odysseus viele Gegenden bereist hatte“, er las in seiner Muße, weil er keine anderen Sprachen kannte, die deutsche Bibel, deutsche Geschichtsbücher und die deutschen Erklärungen der Bibel, wie sie damals verbreitet wurden. Er war also kein gelehrter Mann, aber ein Freund der Wissenschaften. Darum unterstützte er seinen Bruder Johann Matthäus, damit er sein Studium vollenden und nach Wittenberg gehen konnte (das alle anderen Universitäten damals überragte). So führte er seine Söhne Konrad und Joachim zum Studium.

Aus der Familie der Mutter erwähnt der Redner den älteren Bruder Heinrich wegen seiner Wohltätigkeit und den jüngeren Nikolaus Hultscher; dessen Sohn Heinrich hatte zwei Töchter, Maria, verheiratet mit dem Pfarrer Justus Vietor, und Hedwig, verheiratet mit dem Rentschreiber (scriba quaestorius) Jeremias Stam, später quaestor in Marburg.

Nach langen predigtartigen Betrachtungen über die Mühsale des Lebens in der Welt geht die Rede ein auf die Ausbildung des Konrad Matthäus, zuerst in der Schule in Alsfeld; mit 12 Jahren kam er 1532 nach Marburg ins Pädagogium, wo Eberhard Schneffius Rektor der Schule war. Schon zwei Jahre darauf bezog er die Universität (1534), wurde nach zwei Jahren baccis lauri und wieder zwei Jahre später ipsa laurea geschmückt und wurde magister artium. Also schon mit 18 Jahren hatte er seine wissenschaftliche Laufbahn durcheilt und widmete dem Staat jetzt elf Jahre seine Dienste als Lehrer am Pädagogium; er wollte dabei nicht nur Lehrer, sondern auch Erzieher sein; denn er wusste: so wie die jungen Menschen erzogen würden, so würde der Staat einst sein. Keine Erholung war ihm gegönnt, er vollbrachte eine herkulische Arbeit.

1551 wurde er als Professor an die Universität Marburg berufen, er las zuerst Geschichte, dann Rhetorik, dann Philosophie. Auch hier erstrebte er nicht nur Verstandesschulung, sondern er möchte aus den Schriften der berühmten Philosophen Aneiferung und Vorbild für seine Schüler gewinnen. Er scheute keine Mühe in der Erklärung, er ließ declamationes halten, las sie vorher und leitete zur Verbesserung an, half ihnen besonders, elegante lateinische Redewendungen zu finden. Er war der Meinung, dass ein Philosoph nicht in einer Höhle leben dürfe, sondern in die Öffentlichkeit hinaustreten müsse.

1544 heiratete er Margarethe Orth, Tochter des Jakob Orth, des Schultheißen von Kaldern.

Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor: Ursula, Elisabeth, Charitas, und ein Sohn Jodocus Volquinus (früh gestorben). Charitas war mit dem Diakon Friedrich Molitor verheiratet.

Nach dem Tode seiner Frau vermählte er sich in zweiter Ehe mit Ursula Wernher, Tochter des Stadtrats (senator) Geilo Wernher, und seiner Frau Katharina Breitruck. (Es folgen nähere Ausführungen über die Familien Wernher, Luncker, Breitruck.) Aus dieser zweiten Ehe stammten: fünf Söhne und sechs Töchter.

Die Söhne sind:
1. Philipp (magister artium, z. Zt. auf wissenschaftlichen Reisen),
2. Heinrich, magister artium,
3. Johannes,
4. Anton beide z. Zt. noch als Schüler auf dem Pädagogium,
5. Daniel (früh gestorben).
Die Töchter sind:
1. Katharina (mit 10 Jahren gestorben),
2. Christina (verheiratet mit dem Theologen Georg Sohn),
3. Margareta (verheiratet mit Prof. Valentin Forster in Heidelberg),
4. eine zweite Katharina (verheiratet mit Friedrich Molitor),
5. Elisabeth (verheiratet mit Abraham Saurius),
6. Anna (verheiratet mit Johann Vigellius, Pfarrer in Echzell).

Die stattliche Familie hat dem Familienvater recht viel Sorgen gebracht.

Nach diesen Ausführungen über sein privates Leben wendet der Redner sie wieder seiner Tätigkeit im Dienst des Staates zu. Er hat die Reden des Cicero nicht nur als Redeübungen gewertet, er nutzte sie zur Rechtsauslegung, er hielt seine Schüler an, staatliche Dinge in Vorträgen zu behandeln, er lehrte das Recht und wird patronus causarum civilium in curia Hassiaca und accusator criminum et scelerum bei dem peinlichen Gericht. Diese Hingabe an die Rechtswissenschaft führte dazu, dass er im April 1543 von Johann Oldendorp zugleich mit Nikolaus Vigelius und Hektor von Jossa unter Zustimmung aller Studenten zum Dr. juris utriusque erklärt wurde, und dass der Landesherr bei Einrichtung des Obersten Landesgerichts für Hessen unter dem Präsidenten Arnold von Virmund ihn als einen der Assessoren wählte (1557).

Damit nicht genug, immer neue Aufgaben, Sorgen und Arbeiten nahm er auf sich. Drei- oder viermal war er Dekan der philosophischen Fakultät, er leitete die Prüfungen, er hat dazu die disputationes und declamationes wieder erweckt und durchführen lassen.

Er wurde Rektor der Universität und zwar ungewöhnlich oft (sechsmal: 1560, 1565, 1569, 1573, 1578 und zuletzt als prorektor, der aber an Stelle eines adligen Titularrektors (Hieron. Schlicus, comes de Passaun und dominus in Weißkirchen und Schlackenwarda) die Geschäfte führte. Auch in diesem Amt bewährte er seine Klugheit, seinen Eifer, sowohl in praktischen wie in wissenschaftlichen Fragen. Er stellte das Gesetz wieder her, dass die Studenten in der Stadt keine Waffen tragen, nicht mit dem Degen an der Seite spazieren gehen sollten. Er sorgte dafür, dass Instrumente und Siegel sorgsam aufbewahrt wurden, er wurde dazu 1566 zum syndicus und actuarius bestellt, ließ ein Consistorium bauen. Er bemühte sich um die wissenschaftliche Fortbildung der Studenten durch Schaffung von epitomae (Auszügen) aus den besten Autoren, in denen die wichtigsten Grundlagen der Fächer kurz zusammengefasst waren. Seine überragende Tüchtigkeit, seine Weisheit und Lebenserfahrung hätte auch die Stadt Marburg gern genützt, man wählte ihn in den Rat, aber er musste wegen Überlastung mit Arbeit dieses Amt ablehnen. Alle diese Ämter und Ehrenstellungen beweisen, wie hoch ihn Freunde und Amtsgenossen, die Studenten und die Bürger der Stadt schätzten. Trotz aller Hingabe an diese Arbeiten vergaß er über den irdischen Geschäften nicht den Dienst Gottes. Das Diesseits blieb ihm ein glänzendes Elend, das zu bessern er keine Mühe scheute, aber sein Glauben und Hoffen richtete sich auf die schönere Welt des Himmels. Er fürchtete den Tod nicht, war er doch ein Übergang zu einem höheren Leben. Als ihn im Alter von 60 Jahren die neue „fliegende Krankheit“ (novus morbus volaticus), die ganz Europa durchzog, aufs Krankenlager warf, bereitete er sich und andere in voller Gottergebenheit auf den Tod vor und so starb er im Jahre 1580. Er wurde in der Marburger Kirche begraben, deren Pfarrer Helferich Herdenius war.

Mit einer Zusammenfassung all der hohen Vorzüge und Eigenschaften des Verstorbenen und der Mahnung, ihm nachzueifern in weltlicher und religiöser Lebensführung, schließt die Rede.

Es folgen im Anhang Gedichte auf seinen Tod:
1. von dem Schwiegersohn Georg Sohn,
2. von Hermann Vultejus,
3. von einem Schüler Chr. Jul. (griechisch),
4. von Reiner Lang aus Bremen,
5. von Johann Besselius,
6. von Georg Bremer,
7. von Johann Winckelmann aus Homberg a.d. Efze.

Der rednerisch glanzvolle Nachruf eines langjährigen Freundes auf Konrad Matthäus ist Zeugnis für das Wirken und Schaffen eines ungewöhnlichen Menschen. Der frühe Tod hatte über die Kreise der Universität hinaus Teilnahme erregt. so durfte der Redner das Interesse der Zuhörer, der Professoren und Studenten voraussetzen, wenn er in breiter Ausführung auf den Entwicklungsgang und die Arbeiten des Verstorbenen einging; er versäumte nicht, mit gelehrten Anspielungen und Zitaten seinem formgewandten Latein auch inhaltlich Schmuck und Reichtum zu verleihen. Er durfte rühmen und preisen nicht nur die ausgezeichnete Begabung, die ihn seine Studien in ungewöhnlich frühen Lebensjahren vollenden ließ, die wissenschaftliche Beherrschung verschiedener Disziplinen, wie Geschichte, Rhetorik, Philosophie und Jurisprudenz, er durfte als besondere Leistung hervorheben, wie Konrad Matthäus alle Wissenschaft fruchtbar zu machen wusste, wie er nicht stehen blieb bei der Ausbildung des Verstandes, sondern in der erzieherischen Einwirkung auf den Willen seiner Schüler, in der Verbindung von Wissenschaft und Leben die Erfüllung seiner gelehrten Tätigkeit fand. So dürfen wir dem Redner glauben, dass höchste Achtung seiner Amtsgenossen, dass Dank und Verehrung seiner Studenten, dass Anerkennung und Ehrung durch seine Mitbürger bei dem Tode des hervorragenden Mannes zum Ausdruck kamen, dass die gedruckte Leichenrede ihnen allen wie auch der Heimatstadt Alsfeld eine willkommene Gabe war, um das Andenken des edlen Menschen und ausgezeichneten Gelehrten wach zu erhalten.

In der Alsfelder Stadtgeschichte darf das Lebensbild dieses Mannes einen Ehrenplatz beanspruchen, darum ist der Erwerb der alten Druckschrift durch das Stadtarchiv zu begrüßen.

Erstveröffentlichung:

Dr. J. Berg, Konrad Matthäus (1519-1580), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 7. Reihe, Nr. 11, 1937, S. 121-123.

[Stand: 31.05.2024]