Von Dr. Herbert Jäkel, Alsfeld (03.05.1997)
Friedrich Ehrenklau, der Herausgeber der Oberhessischen Zeitung, schrieb am 03.01.1943 an seinen Freund und Mitstreiter Julius Waldeck „Wir beide wollen den Plan des Ausbaus eines Alsfelder Stadtparkes fest im Auge behalten und eifrig vorantreiben“. Das war vor 56 Jahren, vor mehr als einem halben Jahrhundert, und betraf ein Stück Landschaft an der Schwalm unterhalb des Schwimmbades – doch der 2. Weltkrieg ließ diese Absicht damals nicht zu. Und noch immer bemüht man sich, das zu verwirklichen, was der damalige Verkehrs- und Verschönerungsverein Alsfeld in den Jahren 1928 bis 1943 mit großem Engagement geplant hatte – leider bis jetzt vergebens. Ja, selbst das war nicht der erste Versuch, die Erlen zu einer öffentlichen Anlage herzurichten. Schon in den Jahren 1806 bis 1822 bemühte sich darum der letzte studierte Stadtschreiber Alsfelds, Karl Dieffenbach. Die Geschichte des Ausbaus der Erlen, die vor 250 Jahren entstanden war, umfaßt inzwischen zwei Jahrhunderte.
Die Entstehung der Erlen
Vor nunmehr 250 Jahren, am 2. Pfingstfeiertag, dem 26.05.1749, waren die Erlen, wie Karl Dotter schon 1939 in den „Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld“ ausführlich darstellte, durch eine große Wasserflut infolge eines furchtbaren Wolkenbruchs bei Brauerschwend und Renzendorf entstanden. Die ungeheuren Wassermassen hatten an mehreren Stellen den alten Flusslauf verändert und alte Mäanderarme durchtrennt – noch heute kann man in den Erlen nach der Autobahn zu den alten Prallhang erkennen. Die Wiesen waren größtenteils weggerissen. Die Stadt hatte das zerstörte Gelände gekauft und zunächst seinem Schicksal überlassen. Es entstand langsam das Erlenwäldchen mit Bäumen und Gestrüpp.
Der rührige Alsfelder Stadtsyndikus und Stadtschreiber Karl Dieffenbach (1763-1822) ist der eigentliche Begründer der Erlenanlage. In einem Aufruf an die Bürgerschaft schrieb er am 11. August 1806 [11.08.1806], dass der Magistrat einen öffentlichen Spazierweg in den Erlen angelegt habe und ihm „die Direktion dieser Anlage übertragen wurde“. Die Erlen wurden gelichtet und aufgeräumt, Wege angelegt, Tische und Bänke aufgestellt, ein Pavillon durch eine Spendensammlung errichtet, Rosenbeete und edle Bäume angepflanzt. Voll Stolz berichtete Dieffenbach 1810 in dem von ihm gegründeten „Oberhessischen Intelligenzblatt“ über den „Lusthain“. Doch schon kurze Zeit später klagte er bitter über manche Zeitgenossen, die die Rosen und andere Blumen abrissen. Er wollte dies zu rühmen wissen , und ihnen künftiges Jahr Disteln statt Blumen pflanzen“. 1819 wurde ein neuer Pavillon errichtet. An Karl Dieffenbach soll ein Gedenkstein, der in den Erlen steht, erinnern, doch schon Karl Dotter kritisierte die völlig falsche Jahreszahl 1777, die weder an die Entstehung der Erlen noch an das Leben Dieffenbachs erinnern kann, denn Dieffenbach wäre damals erst 14 Jahre alt gewesen. Wie Karl Dotter hatte auch der Verfasser 1954 ebenfalls eine Korrektur gefordert. Vielleicht könnte eine Informationstafel etwas mehr über die Geschichte der Erlen aussagen. Nach dem Tode Dieffenbachs blieben die Erlen ein beliebtes Ausflugsziel, doch die Pflege in den folgenden Jahrzehnten war sehr unterschiedlich.
Nach und nach hatte die Stadt weitere Nachbargrundstücke angekauft, vor allem auf der linken Schwalmseite, so dass die Erlenanlage von knapp vier auf fast 10 Morgen vergrößert werden konnte. Alsfelder Vereine nutzten die Erlen, so der Kriegerverein oder der Schützenverein für ein Gänseschießen. Es gab Theatervorführungen und Karusselfahren. Unter Reallehrer Härter, der an der Alsfelder Realschule von 1881-1890 wirkte, wurde sogar ein Springbrunnen angelegt, der oft verstopft und beschädigt und schließlich zu geworfen wurde.
Am Ende der Erlen erbaute die durch eine aus privater Initiative unter Realschuldirektor Haller entstandene Badegesellschaft 1896 eine Badeanstalt im sog. „Schäfersloch“. Trotz der wirtschaftlich schlechten Zeit nach der Inflation wagte sich die Stadt an eine weitere Förderung der Erholungsanlagen bei den Erlen. Mit großer Weitsicht wurde 1924 der Erlenteich und 1927 das Schwimmbad geschaffen, Anlagen, die damals nicht nur gelobt wurden, sondern zu einer aktiven Förderung des Fremdenverkehrs führten.
Ausbau zum Stadtpark
Schon nach dem 1. Weltkrieg begannen Mitglieder des Alsfelder VHC, Ferdinand Planz, Ferdinand Ehrenklau, Otto Ginsberg, für den Gedanken einer allmählichen planmäßigen Ausgestaltung der Erlen als künftigen Alsfelder Stadtpark zu werben. Mit dem 1926 gegründeten Verkehrs- und Verschönerungsverein wollten sie die Verwirklichung vorantreiben. Nach einem Rundgang am 22.10.1928 regte der Vorstand am 22.03.1929 an, die Anpflanzung zwischen Eisteich und Schwalm zu vervollständigen, einen weiteren Steg zu errichten, die Spazierwege links und rechts der Schwalm zu verbessern. 1930 wurden der Jungfernsteg gebaut, Birken, andere Bäume und Buschwerk hinter den Erlen, am Schwalmuferweg sowie zwischen Eisteich und Erlen angepflanzt. Am 14.03.1931 wurde ein Plan über die Weiterführung der beiden Schwalmuferwege bis zur Altenburger Gemarkung und für den Bau eines weiteren Verbindungssteges am Eisenbahndamm vorgelegt. 1933 wurde der dritte Steg, der sog. Hessensteg, nahe der Eisenbahnbrücke gebaut.
Die Vorstandsmitglieder Planz und Ehrenklau plädierten für den Ankauf der Guntrumschen Wiese zwischen Eisteich und Erlen zur Erweiterung der Erlenanlagen (es war ein über 5.000 qm großer Teil der Raabschen Wiese), ja am 31.05.1935 plädierte der Vorstand erneut für eine Erweiterung der Erlenanlage, und zwar auf dem Gebiet zwischen den Erlen und der damals geplanten, aber noch nicht hergestellten Autobahn.
Dank des Eingreifens des Verkehrs- und Verschönerungsvereins konnte die Guntrumsche Wiese dadurch gekauft werden, dass der Verein die Mehrkosten von 112 Mark trug. Nach Ablauf der Pachtzeit sollte mit der Bepflanzung begonnen werden. Über die Erweiterung der Erlenanlagen wurde am 19.06.1936 mit der Reichsautobahnbehörde, der Feldbereinigungsbehörde, der Stadt und dem Vorstand gesprochen. Bürgermeister Dr. Völsing setzte sich dafür ein, dass die erst erworbene Guntrumsche Wiese nicht in das Feldbereinigungsverfahren einbezogen werden soll.
Im Mai 1936 hatte der Verkehrs- und Verschönerungsverein eine Denkschrift über die Erweiterung der städtischen Anlagen herausgegeben. Die Begründung ist so interessant, weil sie genau so gut in unseren Tagen hätte vorgetragen werden können: „Alsfeld, die Heimstatt althessischer Bau- und Handwerkskunst, ist reich an Sehenswürdigkeiten und wird darum von auswärts gerne besucht. Der Verkehrs- und Verschönerungsverein bemüht sich in enger Fühlung mit der Stadtverwaltung unter Anwendung erheblicher finanzieller Opfer, im Wettbewerb mit den Nachbarstädten mit Werbemitteln aller Art den Fremdenbesuch und damit den Verkehr in unserer Stadt zu fördern. Aber der Aufenthalt der Fremden wird – im Gegensatz zu den Verhältnissen in anderen Städten – selten einmal über einen halben oder ganzen Tag ausgedehnt, weil zu wenig Gelegenheit geboten ist, sich in unmittelbarer Nähe der Stadt in einer schönen, staubfreien Anlage zu ergehen, der Wald aber in großer Entfernung liegt und erst in etwa dreiviertel Stunden zu erreichen ist“.
In der Denkschrift heißt es weiter: „Zu einem schüchternen Ansatz im Sinne der Schaffung einer städtischen Park-Anlage ist es ja mit der Anlage der ‚Erle‘ und des Eisteiches gekommen. Aber diese Anlage ist an Umfang so unbedeutend und im Gesamtbild so wenig zusammenhängend, dass sie auch den bescheidensten Ansprüchen an eine Park-Anlage nicht genügt. Unsere Nachbarstädte Lauterbach, Schlitz, Homberg, Grünberg sind uns in dieser Beziehung weit voraus. Darum ist es unsere, der berufenen Vertreter der Verkehrsinteressen Alsfelds, Pflicht, die Verbesserung dieses Zustandes, wo immer die Gelegenheit hierzu sich bietet, anzustreben.
Aber die zeitgemäße Ausgestaltung der Erlen-Anlagen liegt aus den bereits angegebenen Gründen nicht nur im Interesse der Förderung des hiesigen Fremdenverkehrs, sondern im öffentlichen Interesse überhaupt. Die Bevölkerung Alsfelds hat, da der Wald – hauptsächlich für ältere und weniger marschleistungsfähige Personen – schwer zu erreichen ist, ein lebendiges Interesse an der Schaffung einer ihrer steigenden Bevölkerungsziffer angemessenen, schattigen und staubfreien Erholungsstätte.
Bei der seinerzeit durchgeführten Feldbereinigung in der Gemarkung Alsfeld sind die Interessen der Stadt, die die Ausscheidung von hinreichendem Gelände für vorstehende Zwecke erfordert hätten, in nur unzulänglichem Maße gewahrt worden. Es mangelte eben damals bei den maßgebenden Stellen noch sehr am Verständnis für das geschilderte Bedürfnis“.
„Durch die Einleitung des Feldbereinigungsverfahrens im Umkreis der Erlen-Anlage anlässlich des Reichsautobahnbaues“, so die Denkschrift, „ist eine wohl auf Generationen hinaus nicht wiederkehrende Gelegenheit geboten, den seinerzeit begangenen Fehler gutzumachen und das Versäumte so weit wie möglich nachzuholen. Deshalb ist es Pflicht des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Alsfeld, sich für die Erweiterung der Erlen-Anlagen mit allem Nachdruck einzusetzen.
Mit dem unlängst erfolgten Erwerb der sog. Guntrumschen Wiese, deren parkmäßige Anlage beschlossen ist, durch die Stadt und unseren Verein haben wir endlich erreicht, dass ein besserer Zusammenhang zwischen dem Erlenteich-Gelände und der ‚Erle‘ selbst hergestellt ist.
Wir erachten es nun für ein dringende Erfordernis:
1. dass das Gelände zwischen der Erlen-Anlage und der künftigen Reichsautobahn bis zum Schwalm-Knie oberhalb der ‚Erle‘ von der Stadt für die Zwecke der Ausgestaltung der Erlen-Anlagen erworben bzw. dass es ihr im Wege des Feldbereinigungsverfahrens und des damit verbundenen Geländeerwerbs bzw. -austausches zugeteilt wird,
2. dass ferner für die beiden Spazierwege längs der beiden Schwalmufer von der ‚Erle‘ bis zur Bahnüberführung Alsfeld-Hersfeld im gleichen Verfahren so viel Raum geschaffen wird, dass auf diesen Wegen zwei Personen nebeneinander gehen können, und
3.dass schließlich für direkte, schattige Gestaltung ermöglichende, also entsprechend breite Verbindungswege zwischen ‚Erle‘ und ‚Spenglerstrauch‘ jenseits der Autobahn Sorge getragen wird“.
Mit dieser Denkschrift, der noch die Lageplan-Skizze beigegeben war, wandte sich der Verkehrs- und Verschönerungsverein Alsfeld unter seinem Vorsitzenden Rohrbach an die Öffentlichkeit und bat um Verständnis und Unterstützung. Die Ratsherren billigten den Plan, die Erweiterung sollte im Rahmen des Feldbereinigungsverfahrens durchgeführt werden, doch die Bepflanzung der Guntrumschen Wiese wurde nicht genehmigt, weil der Pächter widersprochen hatte. Dagegen wurde beschlossen, die Schwalmuferwege auf 1,40 m zu verbreitern und einen Weg von der Schwalm zur Altenburger Straße längs der Autobahn zu schaffen. 1941 mussten die durch Hochwasser zerstörten Stege wiederhergestellt werden.
Große Aufregung gab es in der Mitgliederversammlung am 08.12.1942. Die mit Hilfe des Vereins von der Stadt erworbene Guntrumsche Wiese sollte wieder in das Massegelände einbezogen und dem seitherigen Pächter Raab zugeteilt werden, entgegen den Zusicherungen der Behörden. Die Mitgliederversammlung stimmte einer Entschließung zu, die an die Stadt gerichtet wurde, in der man mit aller Entschiedenheit dafür eintrat, dass der Stadt die Wiese nicht wieder genommen werde, da sie bei der Ausgestaltung des Stadtparkes ein unentbehrliches Verbindungsglied zwischen Erlenteich und Erlen darstelle. Es liege für die Feldbereinigungsbehörde die moralische Verpflichtung vor, den berechtigten Interessen einer aufstrebenden Stadt Rechnung zu tragen. Der Pächter der Guntrumschen Wiese habe durch den Kauf eines großen Wiesenkomplexes seinen Besitz derart vergrößert, dass er die eine Wiese sehr wohl entbehren könne. Auch in weiteren, z.T. heftigen Auseinandersetzungen mit der Stadtverwaltung, dem Bürgermeister und der Feldbereinigungsbehörde, zumal mitten im Kriege und bei der Forderung des Reichsnährstandes, den Nahrungsmittelbedarf der Bevölkerung zu sichern, konnte der Verkehrs- und Verschönerungsverein an der Verhinderung der Erlenerweiterung nichts mehr ändern.
Dritter Versuch?
Während erst etwa 10 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg den Erlen wieder mehr Pflege zuteil, das Schwimmbad 1955/1956 modernisiert und generalinstandgesetzt wurde und wegen des Hallenbadbaues (1968-1969) einen weiteren großzügigen Umbau 1979-1982 erfuhr, konnte erst durch den 1976, nicht zuletzt durch den Verfasser in Gang gekommenen, politischen Willensprozess über einen umfangreichen Wettbewerb zur Schaffung einer Sport-, Freizeit- und Erholungslandschaft zwischen Altenburger Straße und Eudorf längs der Schwalm ein neuer Ansatz zur Planung von Sportstätten, Freizeitanlagen und Erholungseinrichtungen geschaffen werden. Abgesehen von Hallenbad, Freibad und Großsportballe und den anderen Sportanlagen (Tennis- und Reitanlage sowie Stadion) hatte der Wettbewerbssieger im Bereich der Erlen folgende Maßnahmen geplant: zwischen Eisteich und Erlen eine Spiel- und Liegewiese auf freibleibender Raabscher Wiese, zwischen Erlen und Autobahn eine Aufforstung als Lärm- und Emissionsschutz, in den Erlen einen Treffpunkt, Forum und Grillplatz, hinter den Erlen Spiel- und Freizeitbereiche, am Geißepfad Rodelbahn, Bolzen, Tollen, Liegen, Sonnen, Drachen fliegen lassen und eine Trimmstrecke. Gewiss waren das Pläne mit Möglichkeiten zur Umsetzung, was aber ist bis jetzt umgesetzt worden? Inzwischen wurde eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung eines Alsfelder Stadtparkes durch den Ankauf der Raabschen Wiese geschaffen. Ob die Agenda 21 für einen Stadtpark Erlen mehr erreichen wird?!
Erstveröffentlichung:
Dr. Herbert Jäkel, Der Ausbau der Erlen zum Alsfelder Stadtpark – eine endlose Geschichte?, in: Oberhessische Zeitung, 03.05.1997.
Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihm bzw. seinen Rechtsnachfolgern genehmigt.
[Stand: 07.05.2024]