Die Erlen

Von Karl Dotter, Alsfeld (1939)

In einer aufstrebenden Stadt, in der man in gleicher Weise auf die Hebung des Fremdenverkehrs wie auch auf die Verschönerung des Stadtbildes bedacht ist, wird man der Pflege und Erhaltung der öffentlichen Anlagen erhöhte Bedeutung beimessen. In richtiger Erkenntnis dieser bedeutsamen Grundwahrheit hat auch unsere Stadtverwaltung sich die Ausgestaltung, Pflege und Erweiterung der Erlen, unserer hübschen städtischen Anlage an der Schwalm, angelegen sein lassen. Wer das Bild der Verwahrlosung vor Jahrzehnten gekannt hat, der ist heute erstaunt und erfreut über das, was hier für die erholungsuchende Bevölkerung in den letzten Jahren geschehen ist.

Es hat in der Geschichte der Erlen während ihres 190-jährigen Bestehens Höhepunkte, aber auch Zeiten des Tiefstandes gegeben. Die Entstehung und Entwicklung der Erlen im Laufe dieses Zeitraums soll nachstehend einer Betrachtung unterzogen werden.

1. Die große Wasserflut im Jahre 1749

Am 2. Pfingstfeiertage des Jahres 1749, am 26. Mai [26.05.1749], zog ein schweres Unwetter über das oberhalb der Stadt Alsfeld gelegene Schwalmtal herauf; eine Katastrophe entstand, wie sie unsere Gegend weder vorher noch nachher je erlebt hat. In der Gegend von Brauerschwend und Renzendorf ging ein furchtbarer Wolkenbruch, mit Hagelschlag verbunden, nieder, der die sonst so friedlich dahinfließende Schwalm in einen wilden Strom verwandelte, der alles mit sich riss, was ihm irgendwie in den Weg kam.

Von der elementaren Wucht dieses gewaltigen Naturereignisses kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man hört, dass der Wasserstrom in Brauerschwend eine Schlagmühle und 2 Scheunen niederriss und einfach fortschwemmte. An vielen Gebäuden des Dorfes entstand außerordentlich großer Schaden. Aber nicht bloß Sachschaden hatte das Unwetter im Gefolge. In Altenburg wurden 2 Wohnhäuser vernichtet und mit einer alten Frau und 2 Kindern fortgeschwemmt. Alle drei mussten dabei ihr Leben lassen.

Die große Wasserflut führte Massen von Holzteilen, Geräten, Erde, ja sogar riesige Felsbrocken mit sich und streute sie da und dort hin. An manchen Stellen bildeten sich neue Flussarme und Inseln. Ganze Wiesen wurden abgerissen und dabei von der linken Seite der Schwalm auf die rechte Seite, oder umgekehrt, versetzt. Zwei solcher Inseln sind noch heute vorhanden, die eine oberhalb des Jungfernsteges, die andere über der Reichsautobahnstrecke.

Nicht weit davon ist, etwas erhöht, auf der rechten Seite der Schwalm, fast parallel zu dieser, ein von Gebüsch begleiteter Wasserlauf zu sehen, der etwas oberhalb der Autobahn aufhört. Die Gewannbezeichnung zwischen ihm und der heutigen Schwalm heißt „Auf der alten Schwalm,“ jenseits des Grabens: „Über der alten Schwalm“.

Es handelt sich hier um einen uralten Schwalmlauf, der durch eine Naturkatastrophe, die vor dem Jahre 1515 gewesen sein muß, außer Tätigkeit gesetzt wurde. Den Ausgang dieses alten Schwalmlaufes sieht man heute noch am Ende der Erlen, wo er in das heutige Flussbett einmündet.

Hören wir, was der Alsfelder Stadtrat am 30. Mai 1749 über die Unwetterkatastrophe an den Landgrafen in Darmstadt berichtet:

„Durch einen am nächstverflossenen zweiten Pfingsttag gefallenen sehr starken Regen und darmit vermischte Kisseln ist das Wasser in hiesiger Gegend sehr hoch angelaufen und hat in denen Feldern vielen Schaden getan.

Besonders aber hat solches Gewässer in der Gemeinde Altenburg zwei kleine Wohnhäuser, eine alte Frau und zwei kleine Kinder, und in der Gemeinde Brauerschwend aber zwei Scheunen und eine Schlagmühle weggeschwemmt, auch noch an verschiedenen Gebäuden großen Schaden verursachet und vieles fast völlig ruinieret. Das eine Kind ist unweit Altenburg, die Frau aber bei Eudorf gefunden worden; das andere Kind aber wird bis jetzo annoch vermisst.

Fast die mehreste Wiesen, so in dem Zuge des Wasserflusses gelegen, sind mit Kot, und verschiedene dergestalt mit Steinen überschüttet, dass von jenen in diesem Jahre wenig, von diesen aber in verschiedenen Jahren kein Nutzen zu ziehen sein wird; wie dann auch das Gewässer das nahe gelegene Ackerfeld zum Teil überschwemmt, zum Teil aber die Erde hin und wieder weggeflößet und an vielen Orten Löcher in die Felder gerissen hat. Das auf dem Felde stehende Korn in der Renzendorfer und Brauerschwender Gemarkung ist zerschlagen und dürfte wohl ein Drittel oder ein Viertel davon ruinieret sein, wie wir nach dem von uns gestern und vorgestern eingenommenen Augenschein davor halten. An andern Orten sollen die Früchte ebenfalls Schaden genommen haben, wir haben aber bis jetzo solches noch nicht besehen können.“

Diesem gewaltigen Naturereignis vom 26. Mai 1749 [16.05.1749] verdanken unsre heutigen „Erlen“ ihre Entstehung. Der ursprüngliche Lauf der Schwalm bildete bis dahin einen großen Bogen; das alte Schwalmbett und sein steiler Uferrand sind heute noch in dem nach der Autobahn zu gelegenen Teil der Erlen deutlich zu erkennen. Der Boden ist dort immer noch stark sumpfig. Das Wasser riss bei jener Katastrophe eine tiefe und breite Rinne durch das Gelände und schnitt den Schwalmbogen einfach ab. So entstand als Hauptstrom der heutige Wasserlauf der Schwalm durch die Erlen. Es bildete sich bei dieser Gelegenheit eine große Insel – das heutige Erlenwäldchen, das aber damals noch größtenteils Wiese war. Sie gehörte dem Ratsherrn Justus Schmidt. Die Stadt kaufte dieses Grundstück an und überließ es zunächst seinem Schicksal. Die dürftige Grasnutzung dieser mit Steinen und Schlamm übersäten Wiese gab man dem damaligen Ratsdiener Johann Werner Hanitsch. Der alte Schwalmlauf war natürlich auf beiden Seiten mit Bäumen bestanden. Zunächst kümmerte man sich kaum um das neuerworbene städtische Gelände. Bäume und Gestrüpp wucherten mit der Zeit üppig weiter; ab und zu ging man dann ans Holzfällen und den Verkauf desselben, so z.B. in den Jahren 1781, 1782, 1784, 1785, 1786, 1800. In letzterem Jahre erfolgte unter Hinzuziehung des Oberförsters Zimmermann eine starke Abholzung der Erlen bis auf mehrere Samstämme. Die Stadt löste aus dem Verkauf des Holzes damals 133 fl. 44 Kr. Ein Alsfelder Bürger namens Görzhain soll, wie aus einer Notiz in den Akten hervorgeht, über die Katastrophe von 1749 einen Eintrag in seine Hausbibel gemacht haben. Vielleicht befindet sich diese noch irgendwo im Besitze einer Familie.

2. Das Anlegen der Erlen zu einem „Lusthain“ 1806

Im Frühjahr des Jahres 1806 tauchte der Plan auf, die Erlen zu einem Lusthain oder Stadtpark anzulegen. Die Seele dieses Unternehmens war der damalige Stadtsyndikus Karl Dieffenbach*). Er war der letzte studierte Stadtschreiber (Jurist) in Alsfeld. Im Jahre 1763 war er zu Niedermoos geboren, stand also damals im 43. Lebensjahre. 1787 war er Amtsadvokat in Alsfeld geworden; 1795 erhielt er die Stelle eines Stadtsyndikus. Dieffenbach war ein äußerst regsamer Geist, eine dichterisch veranlagte Natur und ein ausgesprochener Naturfreund. Seiner Anregung ist die Ausgestaltung der Erlenanlage zu verdanken. An dem damaligen Bürgermeister Hartmann Paul Curtmann hatte er eine gute Stütze zur Verwirklichung seiner Pläne.

Am 11.08.1806 schrieb er in einem Aufrufe an die Bürgerschaft: „Der Magistrat hat durch Anlegung eines öffentlichen Spaziergangs in den Erlen, welcher täglich mehr seiner Vollendung entgegenreift, einem verehrlichen Publikum den Beweis erbracht, wie sehr er erlaubte Vergnügungen zu schätzen weiß. Mir gereicht es zur besonderen Genugtuung, dass mir die Direktion dieser Anlage übertragen wurde.“

Zunächst wurden mehrere Taglöhner angestellt, um den Durcheinander in den Erlen aufzuräumen. Es wurden Wege angelegt, Tische und Bänke aufgestellt und die Erbauung eines Schutzpavillons in Aussicht genommen. Die Stämme hierzu, 15-16 Stück, wurden an Ort und Stelle gefällt. Die Forstbehörde erhob später, „wegen eigenmächtig vorgenommener Holzfällung“ Einspruch; doch erlitt das Werk hierdurch keine Verzögerung. Der Zimmermeister Sondermann errichtete das Gebäude für einen Werklohn von 20 fl.

In großzügiger Weise sorgte Dieffenbach für die Anpflanzung von Bäumen, Sträuchern und Blumen. Ja sogar Rosenbeete wurden in den Erlen angelegt. Manche Gewächse ließ er aus entfernten Gegenden kommen. Es waren in dem neuen Gehege vertreten: Erlen, Fichten, Kiefern, Platanen, Lärchen, Weymouthskiefern, Robinien, Ebereschen, Syringen, kanadische Pappeln, Silberpappeln usw. „Ich habe,“ so schreibt er im November 1806, „für die Anpflanzung von edlen Baumarten gesorgt, und ich gehe eine Wette ein, dass diese in einem Lustgebüsch ihre Häupter weit stolzer als die sonst verdiente Ellern erheben und denen Schatten und Kühlung geben werden, welche, wie die Druiden, heilige Haine lieben und ehren.“

Die Kosten für die Herstellung der Erlen wurden in der Hauptsache aus städtischen Mitteln bestritten. Den zur Aufrichtung des Pavillons, oder wie Dieffenbach sich ausdrückt „der Chaumière“ (Strohhütte), erforderlichen Geldbetrag brachte er aus privater Sammlung zusammen. „30 Gulden“, so schreibt er, „sind zur Aufrichtung dieses Obdachs erforderlich, worum ich im Namen der Wald- und Wassernymphen dieses Lusthains bitte.“ Sein Aufruf war von Erfolg begleitet; denn er brachte etwa 29½ fl. zusammen. Gegen Ende des Jahre 1806 war der Pavillon in den Erlen, oder wie Dieffenbach gesagt haben wollte: in den „Ellern“, aufgerichtet.

Auf Dieffenbachs Veranlassung wurden auch anderwärts Baumpflanzungen angelegt. Die Pappelreihe zu beiden Seiten der Schwalm, von der Hersfelder Brücke bis zu den Erlen, wurde auch auf seine Veranlassung angepflanzt. Ebenso verdankt die im Jahre 1809 entstandene Lindenallee von der unteren Fuldergasse (Bernhardsmühle) bis zu den Erlen ihre Entstehung dem Eingreifen Dieffenbachs. Bei diesen Bestrebungen wurde er durch den Stadtförster Philipp Lang und den Stadtbaumeister Georg Eberhard Ploch eifrig unterstützt.

Als Dieffenbach im Januar 1810 sein neugegründetes „Oberhessisches Intelligenzblatt“ herausgab, widmete er unter der Rubrik „Öffentliche Anstalten“ den „Erlen“ eine längere Betrachtung**). Er schreibt darin u.a. folgendes:

„Die Stadt Alsfeld darf sich vor vielen anderen Städten rühmen, dass sie nicht allein sehr schöne öffentliche Spaziergänge, sondern auch einen kleinen Park besitzt, welcher in der frohen Jahreszeit der Zusammenfluss der ganzen lustwandelnden Welt ist.

Diese schöne Anlage ist durch den patriotischen Eifer der öffentlichen Gewalten, des Magistrats und der Bürgerschaft, zu Stand gekommen, kostet nur wenig zu unterhalten und wird so lange dauern, so lange sich Menschen durch eine schöne Natur angezogen fühlen.

Ich will für unsere auswärtigen Freunde nur eine kleine Schilderung des Lokals entwerfen.

Dicht an dem Schwalmfluss und an dem Wege nach Lauterbach, hat vor etwa 40 Jahren ein Wolkenbruch eine beträchtliche Strecke Landes abgerissen, welches von dem Magistrat angekauft und seiner eigenen Produktionskraft überlassen wurde.

Dieser Erdstrich brachte in der Folge Ellern, Zitterpappeln, Eschen und andere Holzarten zum Vorschein, welche schon seit geraumer Zeit wichtige Abholzungen lieferten.

Vor etwa 4 Jahren kam man auf den Gedanken, diesen Holzdistrikt in eine englische Anlage zu verwandeln.

Es wurden nun alle Holzarten, deren man nur habhaft werden konnte, angepflanzt, und um der Mannigfaltigkeit willen mit blühenden Gesträuchen vermischt. Aus dem schwelgenden Graswuchs, den man fast nirgends mit so vielen Blumen und Kräutern vermengt antrifft, steigen künstliche Blumenhügel hervor, die jeden anlachten und von Niemand beschädigt werden. Überhaupt muss man die Achtung schätzen, womit jedermann diese Pflanzung bisher behandelte.

Nur einige Schäden wurden durch einen hier angesiedelten Ausländer veranlasst, der in unsrem Lusthain auf Weihnachten Fichten abschnitt, um Christbäumchen davon zu machen.

Glücklicherweise sind wir diesen Baummörder los geworden.

Im Innern unserer Akademie befindet sich zur Belustigung im Sommer eine sehr gut angelegte Schießbahn, und man trifft auch an den gelegensten Orten Tische und Sitze zum Ausruhen an. Auch haben wir eine Strohhütte darin, um sich bei einem etwa entstehenden Regenguss in dieselbe zu flüchten.“

Bald danach aber musste Dieffenbach über mangelnde Schonung der Erlenanlage klagen. Er schreibt am 28. April 1810 [28.04.1810] unter der Rubrik „Bitte an das Alsfelder Publikum“ folgendes:

„Ich erinnere auf das angelegentlichste, keine Hunde in die englische Anlage mitzunehmen. Sie stoßen die geimpften Zweige ab und verscheuchen die Vögel, welche diesen Lusthain wählen.“

Am 21.07.1810 schreibt er höchst ärgerlich und ironisch in seiner Zeitung: „Denen Herrn und Damen, welche in der neuen Stadtanlage die Rosen und andere Blumen abreißen, danke ich auf das allerverbindlichste. Ich werde es zu rühmen wissen und ihnen künftiges Jahr Disteln statt Blumen pflanzen.

Die Unverschämtheit drückt sich jetzt im Reden,
Sowie in Handlungen, verwegen aus:
Helft die Natur in ihrer Wiege töten,
Und reißt das Herz aus ihrer Brust heraus.“

Dieffenbachs ganze Sorge war während seiner späteren Wirksamkeit der Erhaltung und Ausgestaltung der Erlen gewidmet. Als im Jahre 1814 der Stadt das Uferrecht an den Erlen streitig gemacht werden sollte, kämpfte er wie ein Löwe für die Interessen der Stadt. Solche Fragen tauchten von Zeit zu Zeit immer wieder einmal auf, besonders aber die Frage: Wem gehören die innerhalb der Gemarkung Alsfeld an der Schwalm stehenden Bäume? Der Stadt, dem Staate oder den Anliegern? Die Stadt behauptete, dass sie das Eigentumsrecht davon besitze, und es scheint, dass sie mit ihrer Behauptung durchgedrungen ist.

Im Jahre 1819 wurden wieder Verbesserungsarbeiten in den Erlen notwendig. Die Kosten beliefen sich auf 36 fl. 11 Krz. Hierzu steuerte die Stadtkasse 20 fl. 54 Krz. bei; den Rest mit 15 fl. 17 Krz. brachten Alsfelder Bürger durch eine Sammlung auf.

Der Zimmermann Georg Eberhard Heidelbach übernahm die Bearbeitung Aufstellung eines neuen Pavillons; Heinrich Volkmar deckte das Dach mit Moos, und der Maurermeister Paul Haber besorgte das Untermauern einiger steinerner Tische.

Es war das letzte Werk, das Dieffenbach in seinen geliebten Erlen zur Ausführung bringen ließ. Am 01.09.1822 segnete er das Zeitliche. In wohlmeinender Absicht hat man heute in den Erlen einen Denkstein errichtet, der die Zeichen „K.D.1777“ trägt. Die beiden Buchstaben sollen auf Karl Dieffenbach als den Gründer der Erlen hinweisen. Was aber die Jahreszahl 1777 bedeuten soll, und auf wessen Veranlassung sie eingemeißelt wurde, ist unklar. Mit dem Leben Dieffenbachs steht sie in keinem Zusammenhang; denn er war damals erst 14 Jahre alt. Auf die Entstehung der Erlen hat die Zahl auch keinerlei Bezug. Was soll sie also ausdrücken? Es wäre zu wünschen, dass diese völlig irreführende Jahreszahl bald wieder entfernt wird. In ähnlichen Fällen wird es immer gut sein, sich vorher mit maßgebender und sachverständiger Seite, d.h. mit dem Stadtarchiv Alsfeld, in Verbindung zu setzen.

3. Die Erlenanlage von 1822 bis heute

Zu der Zeit, als Dieffenbach die Erlen anlegte, beschränkte sich der Raum der Anlage nur auf die alte Schwalminsel, die einen Flächenraum von 9.851 qm (= 3,94 Morgen) umfasste. Nach und nach wurde durch Ankauf von Nachbargelände, besonders auf dem linken Schwalmufer das Gebiet erweitert. Geländeankauf erfolgte in den Jahren 1858, 1859, 1863, 1870, 1872, 1875, 1876 usw. Heute umfasst der städtische Grundbesitz in den Erlen, einschließlich der ehemals Guntrumschen Wiese, eine Fläche von 24.466 qm (= 9,79 Morgen = 2,45 ha).

Die Erlen blieben auch nach Dieffenbachs Tod ein beliebtes Ziel der Alsfelder erholungssuchenden Bevölkerung. Aber die Pflege, die man „dem Bosquet“ angedeihen ließ, war nicht immer die gleiche wie zur Zeit von 1806-1822. Es gab Jahre, da man sich kaum mehr um die Erlen kümmerte. Sie gerieten in Verfall, und zerstörungswütige Jugendliche tobten sich hemmungslos dort aus. Dann kam gelegentlich wieder ein Zeitpunkt, wo man sich erinnerte, dass doch etwas geschehen müsse, um das hübsche Fleckchen Erde vor der gänzlichen Vernichtung zu schützen. Dann griff man ein und erneuerte da und dort. Es war aber bei der weiten Entfernung der Erlen von der Stadt immer schwierig, die nötige Aufsicht auszuüben.

Für Spaziergänger, aber auch für Vereine usw. waren die Erlen ein gern gewähltes Ziel. Ums Jahr 1840 führte eine gerade in Alsfeld anwesende Theatertruppe ein Räuberstück in den Erlen auf. 1865 veranstaltete der Schützenverein ein Gänsschießen in den Erlen; der Kriegerverein wählte ebenfalls diesen Platz gerne, auch fehlte nicht das Karussell in den Erlen.

Zwischen 1881-1890 wurde auf Veranlassung des Reallehrers Eduard Härter***) auch ein Springbrunnen in den Erlen angelegt. Er wurde durch eine oberhalb der Erlen liegende Quelle gespeist. Eine Röhrenleitung führte bis zu dem Becken, in dem ein Mühlstein lag, aus dessen Mittelöffnung das Ende der Rohrleitung herausragte. Da bübische Hände die Anlage aber immer wieder verstopften oder beschädigten, so wurde sie schließlich zugeworfen. Um 1900 errichtete eine hiesige private Vereinigung am sogenannten „Schäfersloch“ in der Schwalm, wo früher die Schafe gewaschen wurden, wenige Meter unterhalb der Einmündung der Krebsbach eine Badeanstalt. Sie ist heute völlig versandet, aber man sieht die Pfähle noch auf dem linken Schwalmufer. Die neue Zeit hat 1925 den hübschen Erlenteich, 1927 das Schwimmbad geschaffen. 1930 wurde der „Jungfernsteg“ erbaut. Die 1938 eröffnete Reichsautobahn zieht südlich der Erlen vorüber.

Konzerte und Gesangsvorträge des Männergesangvereins „Liederkranz-Harmonie“ erfreuten ab und zu die Besucher der Erlen. –

Möge nun auch das, was die Stadt zum Wohle ihrer Bürger geschaffen hat, dankbare Zustimmung finden, und jedermann, besonders aber unsere Jugend, auf die Erhaltung und Pflege der Erlen bedacht sein.

Anmerkungen:

*) Eduard Edwin Becker, Das Oberhessische Intelligenzblatt, ein Beitrag zur Alsfelder Zeitungsgeschichte, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 6. Reihe, Nr. 18, 1933, S. 145-160.

**) Eduard Edwin Becker, Das Oberhessische Intelligenzblatt, ein Beitrag zur Alsfelder Zeitungsgeschichte, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 6. Reihe, Nr. 18, 1933, S. 155-156.

***) Eduard Härter wirkte von Ostern 1881 bis 1890 an der Alsfelder Realschule; gestorben am 02.02.1890

Erstveröffentlichung:

Karl Dotter, Die Erlen (Die große Wasserflut im Jahre 1749 / Das Anlagen der Erlen zu einem „Lusthain“ 1806 / Die Erlenanlage 1822 bis heute), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 7. Reihe, Nr. 18, 1939, S. 225-230.

[Stand: 07.05.2024]