500 Jahre Alsfelder Strebe
Das Alsfelder Rathaus und sein Fachwerk

Von Michael Hölscher, Alsfeld (2012)

Fällt der Name „Rathaus Alsfeld“, dann handelt es sich um kein unbekanntes Gebäude. Nicht nur in Hessen, sondern auch in Deutschland und über die Grenzen hinweg dürfte es bekannt sein, handelt es sich doch um eines der schönsten Fachwerkrathäuser, die es gibt.

1512-1516 erbaut, erheben sich auf einem Sandsteinsockel zwei imposante Fachwerkgeschosse und ein Dachgeschoss. Der mit dem Bau des Fachwerkes beauftragte Meister Johann erbaute ab 1514 den Fachwerkoberbau und fügte zur Marktseite hin zwei symmetrisch über beide Geschosse reichende Erker an, die in Traufhöhe in zwei Erkertürmen mit Spitzhelmen fortgeführt wurden.

Das Alsfelder Rathaus
© GFA

Das konstruktiv Besondere am Alsfelder Rathaus ist die Form der Streben. Diese zeitlich begrenzt vorkommende, so genannte Alsfelder Strebe kommt nur wenige Male im Fachwerkbau vor. Die kräftigen, von den Schwellen bis zum Rähm durchgehenden, konkav gebogenen Streben ergeben ein eindrucksvolles Fachwerkbild.

Konkav gebogene Streben

Das spätgotische Bauwerk hat sein Aussehen in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach verändert. So wurden um 1800 alle Erkertürme über der Traufhöhe abgerissen. Ein 1878 beschlossener Abriss konnte jedoch verhindert werden. Diese Zeit dürfte als Beginn des Denkmalschutzes bezeichnet werden.

Ab 1883 begann man, die unzureichende Bauunterhaltung durch Sanierungsmaßnahmen wettzumachen. Eine 1910/1911 durchgeführte Grundsanierung zeigt fast unverändert das heutige Bild. 1993 bis 2003 wurde das Rathaus einer erneuten, umfassenden Sanierung unterzogen. Es wurde darauf geachtet, dass die Innenräume in ihrer Ursprünglichkeit belassen bzw. wieder hergerichtet wurden.

Auch das Fachwerk erfuhr eine grundlegende Sanierung. Mit einer finanziellen Unterstützung des Landesamtes für Denkmalpflege nahm die Balkensanierung einschließlich Teilerneuerung von Gefachen und der ebenfalls grundlegenden Sanierung der historischen Fenster ihren Anfang. Behutsam wurden ganze oder teilweise zerstörte Fachwerkhölzer ausgetauscht bzw. sorgfältig ergänzt. Die Schäden umfassten Verwitterung, Befall durch Pilze und tierische Schädlinge, aber auch fehlerhafte Sanierungen in vergangenen Jahrzehnten. Das verwendete Eichenholz musste den Nachweis einer langen Ablagerungszeit erbringen. Gerade an der Marktplatzseite und hier an den Erkerfüßen und in den Schwellenbereichen der Rähme war es erforderlich, ganze Hölzer behutsam zu ersetzen. Die Balkenprofilierungen mussten dabei originalgetreu nachgearbeitet werden.

Ebenso war es notwendig, ganze Gefache neu aufzubauen. Größtenteils kamen hier ursprüngliche Materialien zur Ausführung. Sie wurden mit Lehmsteinen und -putzen aufgebaut, der anschließende Anstrich der Gefache und des Balkenwerkes bestand aus Mineralfarben bzw. auf Ölbasis aufgebauten Farbmaterialien.

Insgesamt darf die Sanierung des Rathauses als außerordentlich gelungen und nachhaltig betrachtet werden. Um einen Sanierungsstau, wie in den vergangenen Jahrhunderten, zu vermeiden, hat man es sich zur Aufgabe gemacht, in angemessenen Abständen äußere Untersuchungen mit Hilfe von Kranwagen durchzuführen.

Im Jahr 2011 fand die letzte Auffrischung der Außenfassade statt, gerade und wegen des 500-jährigen Rathausjubiläums im Jahr 2012.

Erstveröffentlichung:

Michael Hölscher, 500 Jahre Alsfelder Strebe. Das Alsfelder Rathaus und sein Fachwerk, in: Denkmal. Zeitung zum Tag des offenen Denkmals in Hessen, 09.09.2012.

Vertiefungsliteratur:

Heinrich Walbe, Das hessisch-fränkische Fachwerk, Verlag der Brühlschen Universitätsdruckerei, Gießen 1954, 2. Auflage 1979.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihm genehmigt.

[Stand: 08.04.2024]