Alsfeld

Von Dr. Herbert Jäkel, Alsfeld (1965)

Mittelpunkt der Beckenlandschaft ist die an der Schwalm gelegene Stadt Alsfeld (268m ü. N.N.). Sie blickt auf eine reiche geschichtliche Vergangenheit zurück, schaut aber auch zielbewusst in die Zukunft und ist sich ihrer Mittelpunktfunktion bewusst.

Die Siedlung Alsfeld wurde wahrscheinlich als Hofsitz während der Karolingerzeit im 8./9. Jahrhundert errichtet. Burg und Stadt entstanden zwischen 1180 und 1190, als die Landgrafen von Thüringen mit einer bewussten Territorialpolitik in Hessen begannen. 1222 wird Alsfeld als Adelsfelt erstmals urkundlich genannt‚ 1231 mit Sicherheit als Stadt mit dem Namen Adelsfelt.

Günstige Verkehrslage an der A5
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Alsfeld verdankt seine rasche Entwicklung der günstigen Verkehrslage und der Territorialpolitik der Landesherren. Es war im 14. Jahrhundert eine wohlhabende Stadt und zeitweilig Residenz des Landgrafen Hermann II. des Gelehrten (1367/1376-1413) von Hessen, der sich hier ein Schloss erbaut hatte. Von den Befestigungsanlagen einer ellipsenförmigen Stadtmauer mit den vier Toren – Mainzer, Fulder, Hersfelder und Obertor – sind noch ein Stück Stadtmauer und der 1386 errichtete Leonhardsturm erhalten.

Stadtmauerreste beim Amtsgericht
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Neben dem Schloss des Landgrafen besaß die Stadt ein Mitte des 13. Jahrhunderts gegründetes Kloster der Augustinereremiten, das 1527 aufgehoben wurde. Die schöpferischen Leistungen der Bürger gipfeln in den Bauten des 16. Jahrhunderts, dem Rathaus (1512-1516), dem Weinhaus (1538 begonnen), dem Hochzeitshaus (1565-1571) und zahlreichen Fachwerkhäusern. In der Blütezeit um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert lebten etwa 2500 Personen in Alsfeld. Haupterwerbszweige der Bürger waren Handel und Handwerk. Große Bedeutung hatten die Zünfte, die durch den Korebrief 1429 Einfluss auf die kommunale Politik gewannen. Der Dreißigjährige Krieg brachte großes Leid: Plünderungen (1622), Hunger (1626), Pest (1635), Besetzung (1640 und 1643-1646) und Zerstörung (1646), so dass 1648 nur noch 1120 Menschen in der Stadt lebten.

Erst im beginnenden 19. Jahrhundert kam es wieder zu einem Aufschwung. 1831 hatte die Stadt 3785 Einwohner, 1832 wurde sie Kreisstadt. 1871 erhielt Alsfeld mit der Strecke Gießen-Fulda den lang gewünschten Eisenbahnanschluss als eine wichtige Voraussetzung der Industrialisierung, durch die das seitherige Ackerbürgertum eine tiefgreifende Änderung erfuhr. 1916 folgte die Eisenbahnverbindung nach Hersfeld und 1938 der Anschluss an das Autobahnnetz.

Eisenbahnanschluss seit 1871
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Nach dem 2. Weltkrieg erfuhr die Stadt einen mehr als 50-prozentigen Bevölkerungszuwachs. Die Zahl der Einwohner stieg von 6028 im Jahre 1939 auf über 10000. In dem letzten Jahrzehnt entstanden neue Stadtviertel im Süden, Norden und Westen (Krebsbach, Rodenberg, Hochstraße). 1963 wurde die eintausendfünfhundertste Neubauwohnung nach dem Kriege fertiggestellt. Davon haben allein die Alsfelder Baugenossenschaft über 500 und die HEGEMAG mehr als 300 Wohneinheiten in Alsfeld erstellt. Der 1955 in Kraft getretene Bauleitplan dient als Grundlage einer vernünftigen Bodenpolitik.

Für den Nachholbedarf und Neubau der Straßen wurden in den Jahren 1952 bis 1963 von der Stadt 4 Mill. DM ausgegeben, eine besonders beachtliche Zahl, da von den 32,6 km Innerortsstraßen nur 5,1 km klassifiziert und 27,5 km in der Trägerschaft der Stadt sind. Zahlreiche Schulen wurden erweitert oder neu gebaut, wie die Erweiterungsbauten der Stadtschule 1951 und 1953, des Gymnasiums 1956 und 1963, der Handwerkerfachschule 1956 sowie die Neubauten der Landwirtschaftsschule 1953, der Berufsschule 1953/1962 und der Gerhart-Hauptmann-Schule 1960 und 1963, die als eine bedeutende Mittelpunktschule eingerichtet wurde.

An Um- und Neubauten von Sportstätten sind das 1956 vollständig erneuerte Schwimmbad, die 1957 umgebaute Sporthalle, der 1959 entstandene Sportplatz und die 1960 eingerichtete Rollschuhbahn sowie die 1963 eröffnete Kleingolfanlage zu nennen.

Das Kreiskrankenhaus hat durch mehrjährige Bauabschnitte eine beachtliche Ausweitung zu einer modernen Klinik mit einem neuen Schwesternwohnheim erfahren. Seit 1960 ist Alsfeld Garnisonstadt. Die Kasernenanlage des Bundesgrenzschutzes brachte mit dem mächtigen Baukomplex ein neues Element in das Stadtgebiet.

Wasserversorgung und Kanalisation waren seit Jahrzehnten ein Sorgenkind. 1959 wurde die Wasserversorgungsanlage, deren gesamte Erweiterung zur Verbesserung und Neuordnung mit 2,4 Mill. DM abschloss, und 1960 die vollbiologische Kläranlage mit einem Kostenaufwand von 1,5 Mill. DM ihrer Bestimmung übergeben. Die gesamte Stadt ist inzwischen restlos kanalisiert.

Alsfeld ist nach außen bedeutend gewachsen und hat ein neues Gesicht bekommen. An der Peripherie sind zahlreiche moderne Bauten entstanden, der Stadtkern jedoch hat sein mittelalterliches Aussehen behalten.

Die Stadt besitzt eine Gemarkung von 2236 ha, von denen 20 v.H. auf das Waldgebiet des Hombergs entfallen, und hatte am 06.06.1961 9940 Einwohner (7486 oder 75 v.H. evangelische, 2075 oder 21 v.H. katholische und 379 oder 4 v.H. sonstige), am 31.12.1963 dagegen 10187 Einwohner.

Von den 4375 Erwerbspersonen (Volkszählung 1961) sind 108 in der Land- und Forstwirtschaft, 1856 in dem produzierenden Gewerbe, 763 in Handel und Verkehr und 1648 in den sonstigen Bereichen (Dienstleistungen) beschäftigt.

Im Altstadtkern und an den Randgebieten gibt es noch über zwanzig Bauernhöfe. Sehr bedeutend sind Industrie und Handwerk. Das Handwerk setzt heute immer noch die Tradition der „ Heimstatt althessischer Handwerkskunst“ fort. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Industriebetriebe, vor allem der Textil- und Holzverarbeitung‚ entstanden. Ihre Anlagen befinden sich im wesentlichen in der Nähe der Bahnlinie. Nach dem zweiten Weltkrieg konnten weitere Betriebe der Maschinen- und Metallindustrie heimisch werden, um einen wichtigen Ausgleich der wirtschaftlichen Struktur zu schaffen; denn 23 v.H. aller Beschäftigten sind in der Textilindustrie, 11 v.H. in der Holzindustrie und 8 v.H. in den Baugeschäften tätig. Die Ausweitung der Kapazität sowohl der alteingesessenen als auch neuangesiedelten Industriebetriebe zeigt sich in den baulichen Erweiterungen. Heute gibt es 2 Betriebe mit mehr als 500, 4 mit 100 bis 500, 13 mit 50 bis 100, 25 mit 20 bis 50 und 35 mit 10 bis 20 Beschäftigten, die z.T. von außerhalb kommen. 1962 registrierte Alsfeld 2600 Einpendler in gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen.

Als Kreisstadt beherbergt Alsfeld zahlreiche Verwaltungsstellen (Landratsamt, Amtsgericht, Arbeitsamt-Nebenstelle, Finanzamt, Katasteramt, Landwirtschaftsamt, Wasserwirtschaftsamt-Außenstelle), mehrere Banken und Schulen und verfügt über Verkehrseinrichtungen, worin sich letzten Endes seine Funktion als Zentraler Ort zeigt. Die Zentralität kommt auch im weiteren Raum zur Geltung. Alsfeld ist „Raststadt an der Autobahn“ und lädt dank des erhaltenen mittelalterlichen Stadtbildes und der lebendigen kulturellen Tradition viele Freunde und Fremde zum Besuch sowie zu Tagungen und Kongressen auf Landes- und Bundesebene ein. Daher war Alsfeld nicht zufällig der Treffpunkt Hessens auf dem 1. Hessentag 1961.

Erstveröffentlichung:

Dr. Herbert Jäkel, Städte und Dörfer im Landschaftsbild. Alsfeld, in: Mushakesche Verlagsanstalt (Hrsg.), Landkreis Alsfeld. Monographie einer Landschaft, Trautheim 1965, S. 49-55, hier S. 49-51.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
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[Stand: 15.02.2024]