Zur Geschichte der Stadt Alsfeld

Von Prof. Dr. Eduard Decker, Alsfeld (1922)

Die Siebenhundertjahr-Feier der Stadt Alsfeld lenkt naturgemäß den Blick zurück auf die Geschichte der Stadt. Eine Geschichte der Stadt Alsfeld muss freilich noch geschrieben werden. Sie wird einen stattlichen Band füllen. Denn abgesehen von dem Stoff, der bereits in zahlreichen Veröffentlichungen gedruckt vorliegt [01], harren allein im Alsfelder Stadtarchiv noch reiche Schätze der Hebung. Die Aufgabe der nachfolgenden Blätter kann es nur sein, auf Grund des bis jetzt veröffentlichten Materials eine kurze Übersicht über die Entwicklung der Stadt von ihrem Eintritt in das Licht der Geschichte bis auf die neuste Zeit zu geben. Diese Aufgabe wäre aber leichter auf zwei als auf zwanzig Seiten zu lösen. Denn sobald der Darsteller sich von der Form der bloßen Skizze entfernt und versucht, da und dort ins Einzelne zu gehen, türmt sich sofort die Fülle des Stoffes vor ihm auf und verlangt gebieterisch ein Sichten und Auswählen, das die Darstellung bisweilen schier zur Qual machen will. Trotzdem soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, in Form einer mehr oder weniger ausgeführten Skizze ein Bild der Vergangenheit Alsfelds in den letztverflossenen sieben Jahrhunderten zu geben. [Seite 2]

Wenn Alsfeld in diesem Jahre sein siebenhundertjähriges Bestehen feiert, so ist damit nur gesagt, dass es im Jahre 1222 zum ersten Male urkundlich sicher erwähnt wird. In einem lateinisch geschriebenen Schenkungsbrief des Wezelo von Nidda an das Kloster Arnsburg vom 13. März 1222 wird als Zeuge ein Schöffe Siegfried von Alsfeld genannt (Sifridus scabinus de Adelsfeld). Leider geht aus dieser Namensnennung nicht hervor, ob Alsfeld damals schon Stadt gewesen ist, woran freilich kaum zu zweifeln sein dürfte, denn neun Jahre später, 1231, ist der städtische Charakter der Stadt sicher bezeugt, indem in einer Ziegenhainischen Urkunde von burgenses in Adelsveld gesprochen wird. Als Wohnort ist Alsfeld sicher viel älter, ja es ist in hohem Grade wahrscheinlich, wenn es sich auch nicht beweisen lässt, dass das in einer Fuldischen Schenkung aus dem Ende des elften Jahrhunderts genannte Adelesfelt unser Alsfeld ist. Es ist sehr wohl möglich, dass noch einmal Urkunden zum Vorschein kommen, in denen ein weit höheres Alter der Stadt Alsfeld sicher bezeugt wird. Vorläufig müssen wir uns an die urkundliche Gewissheit der Existenz Alsfelds aus dem Jahre 1222 halten. Der sogenannte Stadtbrief, das heißt die landesherrliche Verleihung des Stadtrechts an die Gemeinde Alsfeld, ist leider verloren gegangen.

Die älteste Namensform Adelsfeld, Adelesfeld zeigt deutlich, wie der Name zu erklären ist: Die Siedelung auf dem Felde des Adalo. Adalo ist ein im Mittelalter sehr häufiger Personenname, neuhochdeutsch der „Edele“. Wann diese Siedelung des Adalo entstanden ist, ist freilich nicht mehr festzustellen.

Im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts also erscheint Alsfeld als Stadt in der Geschichte. Es ist das die Zeit des Hohenstaufenkaisers Friedrich II. (1215-1250), eine Zeit der völligen Auflösung der Reichsgewalt und der Erstarkung der landesherrlichen Macht. Von einem Landesfürstentum Hessen ist freilich damals noch nicht die Rede. Seitdem die alte Karolingische Gauverfassung im 10. und 11. Jahrhundert sich aufgelöst hatte (der nördliche Teil der heutigen Provinz Oberhessen, wo Alsfeld liegt, gehörte zum Oberlahngau) herrschten in diesen Gegenden einzelne mächtige Grafengeschlechter. Diese waren aber im 12. Jahrhundert ausgestorben, und ihre Erben waren die Landgrafen von Thüringen geworden. So wurden die hessischen Gebiete, zu denen Alsfeld gehörte, mehr als hundert Jahre lang ein Anhängsel der Landgrafschaft Thüringen, staatsrechtlich durch Personalunion mit ihm verbunden. Der Thüringer Landgraf nennt sich zugleich auch comes Hassiae, Graf von Hessen. So lagen die Verhältnisse, als Alsfeld Stadt wurde.

Im 13. Jahrhundert zeigte der deutsche Boden im Großen und Ganzen schon das Aussehen wie heute. Die riesigen Waldungen waren in großer Ausdehnung zu Ackerflur und Wiesen gerodet worden, und in Westdeutschland wenigstens bestanden schon sämtliche heutigen Dörfer, nur waren sie entsprechend der damaligen Bevölkerungsziffer viel kleiner als heute. So auch in unserer Gegend. Sie trugen vielfach den Namen des reichen Grundherrn, der da zuerst eine Siedelung angelegt hatte, wie: im Dorf des Sibold (Seibelsdorf) oder: in der Rodung des Richbert (Reibertenrod) oder: bei den Häusern des Bilhart (Billertshausen). Wir haben ja oben gesehen, dass auch Alsfeld nach einem Adalo genannt ist. Oder sie trugen schlechtweg den Namen des [Seite 3] Wasserlaufs, an dem sie lagen: die Siedelung an der Liederbach, an der Eif usw. Eine ganze Anzahl dieser kleinen Siedelungen ist sogar wieder eingegangen, und ihr Name lebt nur noch in Flurnamen fort.

Mit der Ausbreitung des Städtewesens im 13. Jahrhundert begann eine einschneidende Wendung in der deutschen Geschichte, es begann eine innere Umgestaltung des deutschen Volkes. Neben die bisher allein maßgebenden Klassen, Adel und Geistlichkeit, stellte sich eine neue: das Bürgertum. Von nun an schlug das deutsche Volk in seiner Entwicklung Bahnen ein, auf denen es allmählich zu dem wurde, was es heute ist.

Die Frage liegt nahe, warum dieser gewaltige Aufschwung des Städtewesens in Deutschland gerade im dreizehnten Jahrhundert einsetzte, nicht etwa schon früher. Die Antwort ist einfach: Die Grundbedingung für das Aufblühen der Städte war der Handel, und der Handel konnte sich in Deutschland erst durch die Kreuzzüge im 12. Jahrhundert entwickeln. Der Handel aber erforderte gesicherte Plätze, wo man die Waren aufstapeln und umschlagen konnte, und diese Plätze waren oder wurden die Städte. Das Kennzeichen einer Stadt war darum die Befestigung, die Umwallung, die Mauer. Die Stadt war eine Burg, die Bewohner nannten sich Bürger, nicht Städter. So trug auch Alsfeld schon im 13. Jahrhundert den Mauerring, den wir heute noch verfolgen können. Im übrigen ist freilich von der innerhalb dieses Mauerrings liegenden Stadt des 13. Jahrhunderts heute nichts mehr vorhanden. Wir wissen nur, dass an der Stelle der heutigen Walpurgiskirche sich eine Basilika erhob, und hinter dem Grabborn eine Burg [02] und da wo das Spital steht, vielleicht schon ein Kloster. Aber von allen diesen Gebäuden ist, wie gesagt, heute keine Spur mehr zu sehen, noch viel weniger von den Wohnhäusern der damaligen Stadt, die wir uns möglichst einfach als kleine Holzhäuser ohne Schornstein und Glasfenster, mit Stroh und Schindeln gedeckt, vorstellen müssen.

Aus diesen schlichten Anfängen blühte nun aber die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert mächtig auf. Die Quelle des Erwerbs und des Wohlstands wurde der Marktverkehr. In den Städten fanden zu bestimmten Zeiten große Messen und Märkte und regelmäßig ein Wochenmarkt, in den großen Städten sogar täglich Marktverkehr statt. Dadurch entstanden in den Städten ganz neue wirtschaftliche Bedingungen, die man kurz als Geldwirtschaft bezeichnet, im Gegensatz zu der bisher üblichen Naturalwirtschaft, wo der Mensch nur auf die Ausnutzung des Bodens angewiesen war und sich alles selbst schuf, was er zur Nahrung, Kleidung, Wohnung und Arbeit brauchte. Jetzt setzte man die Erzeugnisse der Landwirtschaft und des Handwerks auf dem städtischen Markt gegen andere um. Vor allem konnte jetzt jeder über seinen eigenen Bedarf hinaus produzieren, denn er fand auf den Märkten leichten und sicheren Absatz dafür. Und zwar fand der Umsatz nicht mehr wie früher durch Tausch von Ware gegen Ware statt, sondern das Tauschmittel war das Geld. Mit Geld kaufte sich der Handwerker die Rohstoffe, wandelte sie durch seine Geschicklichkeit in Waren um und verkaufte diese wieder für [Seite 4] Geld. Hierbei blieb ihm ein Barverdienst übrig. Jetzt kam es auch soweit, dass man Waren und Sachen in größerer Menge kaufte und sie aufstapelte um sie wieder zu verkaufen: der Kaufmann begann seine Tätigkeit. Kaufleute und Handwerker bildeten den Kern der städtischen Bevölkerung. Ihnen gegenüber spielte der Landwirt keine große Rolle mehr, wenn es natürlich auch noch Bürger gab, deren Hauptbeschäftigung der Ackerbau war. Aber der Kaufmann und Handwerker war unabhängig von Besitz an Grund und Boden und dessen Bearbeitung: er war wirtschaftlich selbständig durch das Geld, das er besaß. Dieses Geld konnte er auch durch Fleiß und Tüchtigkeit und Glück unbegrenzt vermehren, während der Bauer seinen Grundbesitz nicht beliebig vergrößern konnte, denn Grund und Boden war nur in einer ganz begrenzten Menge vorhanden.

So bietet Alsfeld schon im 14. Jahrhundert das Bild einer wohlhabenden, ja reichen Stadt. Es war am Ende dieses Jahrhunderts sogar zeitweilig die Residenz des Landgrafen Hermann [03], der sich daselbst ein Schloß erbaute (an der Stelle des heutigen, in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erbauten Amtsgerichts). Das mit vielen Türmchen geschmückte Schloß ist auf alten Stadtbildern (zum Beispiel von Merian) deutlich zu erkennen. Die Erinnerung an die ehemalige Hofhaltung des Landgrafen lebt noch in den Straßennamen Hofstatt und Obergasse, ursprünglich Hofergasse genannt. Hübsche und anschauliche Bilder aus dem Volksleben zu Alsfeld im Mittelalter gibt an der Hand der Urkunden des Stadtarchivs Eduard Edwin Becker in den Mitteilungen, 3. Reihe, Nr. 19/20. Auch eine jüdische Gemeinde bestand im 14. Jahrhundert und gewiss schon früher in Alsfeld [04]. Allerdings ist sie sehr wahrscheinlich bei den furchtbaren Judenverfolgungen um die Mitte des 14. Jahrhunderts vertrieben worden. 1359 stand noch die Synagoge, aber die Gemeindemitglieder scheinen nicht mehr dagewesen zu sein. Wenigstens verfügt in diesem Jahr der Landgraf Heinrich über das Haus „neben der Synagoge, das ehemals dem Juden Kersan gehörte“. Im Jahr 1458 stand die Synagoge nicht mehr. Interessant ist, dass im Alsfelder Passionsspiel einer der auftretenden Juden denselben Namen Kersan führt. Es scheint ein besonders bekannter, vielleicht reicher Mann gewesen zu sein, dieser Jude Kersan (Gerson).

Einen Beweis für die Wohlhabenheit der Stadt im 14. Jahrhundert [Seite 5] liefert die Tatsache, dass Alsfeld in jener Zeit sehr erhebliche Summen für die damaligen Landgrafen Heinrich den Eisernen (1328-1376) und Hermann den Gelehrten (1376-1413) an deren Gläubiger zahlte. In den noch erhaltenen Urkunden wird von tausenden von Pfunden Heller und von vielen Hunderten von Goldgulden [05] gesprochen, die die Stadt allein in den Jahren 1350-1400 an den Grafen von Solms, an die Herren von Eisenbach, an die Deutschherrn in Marburg und andere mehr zu bezahlen hatte. Diese Summen nahm also die Stadt als landesherrliche Beden (Steuern) in wenigen Jahrzehnten auf sich. In derselben Zeit aber entfaltete sie auch eine reiche Bautätigkeit. 1350 wurde die Liederbach durch die Stadt geleitet. (Das Original der landesherrlichen Genehmigung hierzu befindet sich noch im Stadtarchiv.) 1365 wurde der Friedhof auf dem Frauenberg angelegt und die Kapelle daselbst gebaut, 1386 wurde der Leonhardsturm [06] errichtet, gleichzeitig wahrscheinlich auch das alte Rathaus [07], an dessen Stelle das heutige seit 1512 steht, und 1393 begann man den Umbau der Walpurgiskirche in großem Stil. Eine Stadt, die sich derartige Ausgaben leisten kann, muss sehr wohlhabend sein, und ihre Bürger konnten gewiss reichliche Steuern in den Stadtsäckel zahlen. Wir sind in dieser Beziehung allerdings nur auf Vermutungen und Schlüsse angewiesen, da die städtischen Rechnungsbücher aus jener Zeit nicht mehr erhalten sind. Die Stadt schlug übrigens eigene Münzen, und von Alsfelder Währung ist in den Urkunden des Stadtarchivs noch im 16. Jahrhundert oft die Rede. Der Alsfelder Silbergulden hatte zum Beispiel nur 54 Kreuzer.

Die Erwähnung der städtischen Finanzen führt uns auf die Frage nach der mittelalterlichen Verfassung der Stadt. Wie wurde sie regiert und verwaltet? Ursprünglich stand an der Spitze der Stadt ein vom Landgrafen ernannter Schultheiß (scultetus, villicus in den lateinischen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts). Er war Gerichtsvorsitzender und zugleich landesherrlicher Amtmann, der die landgräflichen Güter verwaltete und die städtischen Abgaben entgegennahm. Ihm zur Seite standen die Schöffen und die [Seite 6] Burgmannen. Die Schöffen, in den Urkunden scabini genannt, wohl zwölf an der Zahl, bildeten einen städtischen Rat, der richterliche und verwaltungsrechtliche Befugnisse hatte. Das Schöffenkollegium ergänzte sich beim Tod eines Mitglieds selbst durch Zuwahl, Kooptation. Die Burgmannen, castrenses oder milites, waren ursprünglich naturgemäß zur Besatzung und Verteidigung der Burg bestimmt und entstammten dem niederen Adel der Umgegend, so zum Beispiel den Herren von Romrod, von Liederbach, von Aula, von Storndorf und anderen, die sich dem Landesherrn für diese Zwecke zur Verfügung stellten. Wir kennen aus den Urkunden des 13.-15. Jahrhunderts fünfzehn adlige Familien, deren Mitglieder Burgmannen in Alsfeld waren. Die bekanntesten und für die Alsfelder Geschlechte bedeutsamsten waren die Schaufuße und die Rotzmule; jenes Geschlecht ist im 16. Jahrhundert erloschen, dieses aber blüht noch in der Familie der Freiherrn von Rotsmann. Diese Burgmannen wohnten, solange die Burg bestand, auf der Burg, hatten aber alle auch ein Haus in der Stadt als sogenanntes Burglehen. Sie waren aber nicht nur zu kriegerischen Zwecken da, sondern verwalteten auch mit den Schöffen zusammen die städtischen Angelegenheiten.

So lagen länger als hundert Jahre die Geschicke der Stadt in den Händen des Schultheißen, der Schöffen und Burgmannen, und bei den außerordentlich einfachen Verhältnissen der damaligen Zeit bewährte sich diese Einrichtung sicherlich. Aber im Lauf der Jahrzehnte ergab sich dabei ein Missstand. Da das Schöffenamt sich bei dem Verfahren der Kooptation Generationen hindurch in einem verhältnismäßig kleinen Kreise von Familien vererbte, bildete sich allmählich eine Geschlechterherrschaft, ein Patriziat, das die Leitung der Stadt als sein ausschließliches Eigentum betrachtete. Nun blühte aber die Stadt im Lauf des 14. und 15. Jahrhunderts mächtig auf und die Zahl der Bürger vermehrte sich durch Zuwanderung nicht unbeträchtlich. Was war da natürlicher, als dass die reichgewordenen nicht schöffenbaren Geschlechter ebenfalls nach einer Teilnahme am Stadtregiment strebten, zumal die alten Geschlechter ihr Schöffenamt nicht immer uneigennützig verwalteten [08]. So entstand nun überall ein Kampf zwischen den „Geschlechtern“ und der Bürgerschaft um Gleichberechtigung, ein Kampf, der in manchen großen Städten mit Erbitterung und schwerem Blutvergießen ausgefochten wurde. In Alsfeld freilich hat er diese Formen gewiss nicht angenommen. Der Kampf endigt überall damit, dass neben den Schultheißen und die Schöffen der Bürgermeister und der Rat der Stadt treten. So auch in Alsfeld. 1346 werden in den Urkunden des Stadtarchivs zum ersten Mal Bürgermeister, Schöffen und Rat zu Alsfeld genannt. Der Schultheiß wird immer mehr zum bloßen Richter und landesherrlichen Aufsichtsbeamten. Das Schöffen- und das Ratskollegium bestehen nun jahrzehntelang in Alsfeld nebeneinander [Seite 7], bis die Stadt im Jahre 1429 durch Landgraf Ludwig den Friedsamen in dem sogenannten Korebrief eine neue Verfassung erhielt, die in ihren Grundzügen unverändert bis ins 19. Jahrhundert gegolten hat und erst mit der Einführung der hessischen Landgemeindeordnung 1821 außer Kraft gesetzt wurde. In diesem „Korebrief“, das heißt Kür- oder Wahlbrief [09], wird bestimmt, dass das Rats- und das Schöffenkollegium im Lauf der Zeit miteinander verschmelzen sollen, indem beim Tod eines der zwölf Schöffen nicht etwa ein neuer Schöffe dazugewählt wird, wie seither, sondern ein Ratsmitglied an seine Stelle tritt. Beim Tode eines Ratsherrn aber soll kein neues Ratsmitglied gewählt werden, bis der Rat ganz in dem Schöffenkollegium aufgegangen ist. (Die Mitglieder dieses so entstandenen neuen Kollegiums werden in späterer Zeit auch immer Ratsschöffen genannt.) Der Bürgermeister wird von der ganzen Bürgerschaft aus den zwölf Schöffen gewählt. Kein Geschlecht darf mehr als ein Mitglied zum Schöffenkollegium stellen. Die wichtigste Bestimmung des Korebriefs aber ist, dass hinfort von den Zünften und der ganzen Gemeinde jährlich vier Männer aus ihrer Mitte gewählt werden, die mit dem Rat zusammen tagen und vor allem bei der Finanzverwaltung der Stadt mit beschließen helfen. „Und was die zwölf Schöffen, Rat und die Vier von der Gemeinde darum setzen oder machen einträchtiglich, das soll man also halten“, heißt es in dem Korebrief.

Der Hinzutritt der „Vier aus der Gemeinde“ bedeutet einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Stadt, die Blüte des Zunftwesens [10].

Wie das Zunftwesen in Deutschland entstanden ist, wissen wir nicht. In der Zeit, wo die uns erhaltenen mittelalterlichen Urkunden zum ersten Male von Zünften sprechen, im 12. Jahrhundert, treten uns diese Zünfte schon als geschlossene Verbände entgegen. Ihr Zweck war ursprünglich gewiss auch die Verehrung eines gemeinsamen Heiligen (die Schuster verehrten den Heiligen Krispin, die Maler den Heiligen Lukas, die Gerber den Heiligen Simon usw.) materiell aber bezweckten sie, den Wettbewerb unter den Zunftgenossen zur Erzielung eines möglichst gleichmäßigen Gewinns zu regeln und die Kundschaft am Ort möglichst auf alle Zunftgenossen zu verteilen. Hierzu verlangte man sehr bald nach staatlichem und städtischem Schutz, nach amtlicher Anerkennung der zünftigen Genossenschaften. So entstanden die Zunftbriefe. Der älteste noch erhaltene Zunftbrief von Alsfeld stammt aus dem Jahr 1355. In diesem erteilt der Landgraf Hermann den Gewandschneidern (Tuchhändlern) und Gewandmachern (Schneidern) eine Zunftordnung [11]. Bis 1574 gab es in Alsfeld nur acht Zünfte: die Wollenweber (Tuchmacher), Leineweber, Schneider, Schuhmacher, Bäcker, Metzger, Löwer (Gerber) und Schmiede. Dazu kamen 1577 noch die Häfner. Von anderen Zünften hören wir in der Blütezeit Alsfelds vom 14. bis 16. Jahrhundert nichts. Nur wissen wir von der Schmiedezunft, dass sie nicht weniger als sechs verwandte Gewerbezweige [Seite 8] umfasste, nämlich die Grobschmiede, die Kupferschmiede, die Messerschmiede, die Schlosser, die Büchsenmacher und die Kannengießer (Zinngießer). Auffällig ist dabei, dass wir in dieser Zeit von einer Zunft der Bauhandwerker (Maurer, Zimmerleute, Dachdecker, Schreiner und anderen) keine Spur finden. Diese Gewerbe sind erst viel später zu Zünften zusammen geschlossen worden, wenn sie auch selbstverständlich bei der reichen Bautätigkeit jener Zeit schon damals fleißig ihre Kunst übten. Im 18. Jahrhundert, in den Zeiten des Verfalls, bestanden in Alsfeld nicht weniger als zwanzig Zünfte.

Seit der Aufnahme der Zünfte in den Rat verwischte sich im Lauf der Zeit der Standesunterschied unter den bürgerlichen Bewohnern der kleinen Städte immer mehr, und die Masse wurde gleichartiger. Von den alten „Geschlechtern“ waren einige in den Stand der Burgmannen und damit des Adels übergegangen (so die Schaufuße und Rotzmule), manche waren ausgestorben, und bei der Bürgerschaft kam es jetzt weniger darauf an, woher jemand abstammte oder welches Geschäft er trieb, als vielmehr darauf, ob er durch Vermögen oder persönliche Eigenschaften sich geltend machen konnte. So wurde auch in Alsfeld das Ratsschöffenamt und selbst die Bürgermeisterwürde allmählich auch Männern aus dem Handwerkerstande zugänglich, und da verschiedene Zweige des Handwerks, namentlich die Wollen- und Leineweber, eine Zeitlang sehr viel zur Blüte und zum Reichtum der Stadt beitrugen, so ist es nicht zu verwundern, dass in jener Zeit auch die Zünfte einen hervorragenden Einfluss im Stadtregiment ausübten (W.G. Soldan, a.a.O., Teil 1, Seite 39 f.)

Wir kommen nun in das Zeitalter der Renaissance und der Reformation, in die Zeit, wo sich die absolute Fürstengewalt bildete, wo die Städte, so reich sie auch geworden waren, ihre politische Rolle ausgespielt hatten. Für Hessen ist es das Zeitalter Philipps des Großmütigen (1509-1567). Er ist der „Gnädige Fürst und Herr“ der Stadt Alsfeld. Nach seinen Wünschen und Befehlen, übermittelt durch seine Beamten, vor allem den allmächtigen Rentmeister, richten sich Bürgermeister und Rat untertänigst. Und dass die fürstlichen Beamten unter Umständen auch einmal das Recht beugten, das musste die Stadt bei dem Streit um den Homberg zu ihrem Leidwesen erfahren.

Das 16. Jahrhundert war ohne Frage die Zeit der größten Blüte der Stadt. In diesem Jahrhundert bekam sie in ihren ältesten Teilen ungefähr das Aussehen von heute. Die drei prächtigen öffentlichen Gebäude am Markt, die heute noch den Stolz der Stadt bilden, das Rathaus (1512-1516), das Weinhaus (1538) und das Hochzeitshaus (1565) sind damals gebaut worden. Die Straßenzüge innerhalb des Mauerrings waren schon genau so wie heute auch so benannt. Auch viele schöne Privathäuser in der Altstadt stammen noch aus dieser Zeit. Über das damalige Leben und Treiben der städtischen Bevölkerung sind wir durch die noch erhaltenen Urkunden gut unterrichtet, wenn auch durch den unglückseligen Brand im Weinhaus im Januar 1912 (23.01.1912) wertvolle und unersetzliche Geschichtsquellen, die Stadtrechnungen von 1560 ab, vernichtet worden sind [12]. Das Bild, das sich uns darbietet, ist das einer betriebsamen, wohlhabenden und lebenslustigen Bürgerschaft. Die Menschen waren genussfroh im 16. Jahrhundert. Essen und Trinken spielte eine [Seite 9] gewaltige Rolle nicht nur bei allen Vergnügungen, sondern auch bei allen Amtsgeschäften, und die Sitten waren vielfach noch rauh. Das Geld war damals schon wohlfeiler geworden. Infolge der Entdeckung der neuen Welt strömten ganze Schiffsladungen von Edelmetall nach Europa. Nun wurde auch der Silbergulden neben dem Goldgulden gebräuchlich. Nur hatte die Silbermünze im Vergleich zur Goldmünze noch einen viel höheren Wert als heute. Ein Silbergulden galt 60 Kreuzer, ein Goldgulden deren 75, wenigstens bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Das Verhältnis von Silber zu Gold war also anfangs noch 4:5, am Ende des Jahrhunderts war das Verhältnis nur noch 3:4, und hundert Jahre später gar nur noch 1:2. Der Wert des Silbers sank eben rasch mit seiner Masseneinfuhr aus Mexiko und später aus den Vereinigten Staaten. Der Silbergulden des 16. Jahrhunderts war eine stattliche Münze von der Größe eines alten Talers und etwa 25 Gramm schwer. Er hatte 60 Silberkreuzer, den bekannten „Kleinen Kreuzer“, der noch im 19. Jahrhundert geprägt wurde. Daneben konnte man sich aber von dem altgewohnten „Weißpfennig“ nicht trennen, der dann als Albus noch bis ins 18. Jahrhundert hinein eine beliebte Münze gewesen ist. Man rechnete den Gulden im 16. Jahrhundert meist zu 26 Albus, den Albus zu 12 Hellern. An Kupfermünzen dürfen wir im 16. Jahrhundert noch nicht denken. Eine damals auch in Deutschland sehr verbreitete Silbermünze war die aus der französischen Stadt Tours stammende Tournose, Tornos genannt. Sie spielt auch in den Alsfelder Rechnungsbüchern der damaligen Zeit eine große Rolle. Als ausländische Münze passte sie nicht genau in das deutsche Münzsystem, und ihr Wert schwankt deshalb zwischen 18 und 20 Hellern; ihrer 15 bis 16 gingen auf einen Gulden. Einen Begriff von dem damaligen Wert des Geldes erhalten wir, wenn wir hören, dass der Tagelohn für einen ungelernten Arbeiter 3 Albus, für den Handwerker 4 bis höchstens 4½ Albus betrug. Bei einem derartigen Arbeitseinkommen konnte also damals der Handwerker nicht bloß mit seiner Familie leben, sondern auch wohlhabend werden.

Eine durch einen glücklichen Zufall vollständig erhaltene Stadtrechnung aus dem Jahr 1569-1570 gestattet uns einen interessanten Einblick in die damaligen Vermögensverhältnisse der Stadt. Die Stadtrechnung weist eine Gesamteinnahme von 1.040 fl. und eine Gesamtausgabe von 700 fl. aus. Also einen Jahresüberschuss von mehr als 300 fl. Glückliche Zeiten, wo die Stadtväter noch mit Überschüssen in der Stadtrechnung wirtschafteten! Und die Stadt knauserte nicht. Es wurde nicht nur bei allen möglichen Gelegenheiten auf dem Rathaus auf Stadtkosten tapfer gegessen und getrunken, sondern ein stehender Posten in der Stadtrechnung war: „Ausgab uff Bevelch“, das heißt Geschenke, die auf Anweisung des Bürgermeisters vom Stadtrechner (Baumeister genannt) ausbezahlt wurden. Dieser Posten beträgt zum Beispiel in dem Rechnungsjahr 1569-1570 130 fl.. Eduard Edwin Becker hat in den Mitteilungen, 5. Reihe, Nr. 18-25, hochinteressante Auszüge aus den nunmehr verbrannten Stadtrechnungen veröffentlicht. Sie beziehen sich hauptsächlich auf das letzte Viertel des 16. und den Anfang des 17. Jahrhunderts vor dem 30-jährigen Krieg, also die Zeit der größten Wohlhabenheit der Stadt. Wir geben [Seite 10] einige Proben daraus als Beispiele dafür, was die Stadt alles aus ihrem Säckel freigebig spendete.

Der Pfarrer von Wallenrod, Michael Eichler, schenkt 1570 dem Ehrsamen Rat einen von ihm verfassten Biblischen Kalender: er erhielt dafür 2 Gulden als Gegengeschenk. 1581 verehrt Magister Abraham Sauer dem Rat ein Buch: 3 fl. 15 albus ist das Gegengeschenk. Im Jahr darauf erhält derselbe Herr für sein dem Rat verehrtes „Diarium“ wieder 2 fl.. Der hochwürdige Herr Superintendent, Magister Nigrinus, erhält 1585 für ein Buch sogar 4½ fl., ja, als derselbe „ehrwürdige und wohlgelahrte Herr“ 1587 dem Rat ein neues Werk „dediciret“, verehrt ihm die Stadt dafür gar einen silbernen Becher im Wert von 24 fl. und 6 Albus. Diese Dedikationen erfolgten alle natürlich in der bestimmten Absicht, ein Geschenk damit herauszuschlagen, und man sieht, die Stadtväter zeigten sich sehr freigebig. Ferner finden wir in den Jahren 1576-1615 nicht weniger als zwölfmal Komödienspiele erwähnt, die teils von Alsfelder, teils von Lauterbacher, teils von Romröder Bürgern, einmal auch von „Comoedisten“ in Alsfeld aufgeführt wurden [13]. Die Schauspieler wurden jedesmal auf städtische Kosten regaliert, und es gingen jedesmal 10 fl. und mehr für Wein und „Dresney“ drauf. Die Spiele waren meist geistlichen Inhalts, so „die Comedia vom alten und jungen Tobia“ oder „die Tragedia vom Fall des König Davids mit der Bathseba“ oder das Spiel vom jüngsten Gericht oder die Komödie vom Josef; es werden aber auch weltliche Stücke genannt, wie die Komödie vom Herzog Albrecht oder die Tragödie vom Schlemmer oder, ganz besonders interessant eine Komödie „vom Doktor Marthin Luethern selig als er naher Wormbs uff den Reichstag cittiret worden“, aufgeführt am 11. Juni 1609 „von den Magistris an der Schule und den Bürgern“. Es wurden dabei 20 fl. „verthan“. Von sonstigen Volksbelustigungen werden in dieser Zeit wiederholt die uralten Schwerttänze erwähnt, die heute ganz verschwunden sind, die aber im 16. und 17. Jahrhundert noch allgemein beliebt waren. Wir hören von mehrfachen Aufführungen dieser Tänze sowohl durch auswärtige „Spielleute“ (aus Homberg an der Ohm, Neukirchen, Schweinsberg, Grebenau, Ober-Aula) als auch durch hiesige Bürger. Sie bekamen immer einen Spiellohn von mehreren Gulden aus der Stadtkasse.

1591 hielt der Landgraf Ludwig IV. in Marburg (Alsfeld gehörte seit dem Tode Philipps des Großmütigen 1567 zur Marburger Linie) Hochzeit mit der Gräfin Marie von Mansfeld. Da brachten natürlich die Städte des Oberfürstentums dem Landesherrn ihre Geschenke und Huldigungen dar. Alsfeld stiftete zusammen mit Marburg, Frankenberg, Gießen und Grünberg als Hochzeitsgeschenk fünf silberne vergoldete Kredenzen (Doppelbecher, von denen der kleinere zugleich der Deckel des größeren war, für Herr und Dame bestimmt). Der Anteil Alsfelds an diesem Geschenk betrug 85 fl. Ferner aber beteiligten sich natürlich die Städte auch durch Abordnungen beim Einzug des fürstlichen Paares in Marburg. Alsfeld kleidete vier Bürger als [Seite 11] Landsknechte in weiß und rot, schickte zwei Pfeifer und zwei Trommelschläger und 25 Schützen, alle neu eingekleidet und ausgerüstet als Hellebardiere. Das kostete über 100 fl. Dazu kam noch das Zehrgeld für die ganze Mannschaft. Alles in allem hat damals die Stadt etwa 220 fl. zu Ehren des fürstlichen Paares aufgewandt [14].

Überhaupt bilden Ehrengeschenke bei Hochzeitsfeiern einen ständigen Ausgabeposten der damaligen Stadtrechnung. Sie bestanden fast immer in silbernen Bechern. So hören wir in den zehn Jahren von 1594 bis 1603 von fünf Hochzeitsfeiern des in Alsfeld ansässigen Adels. 1594 Stam von Rotsmann, 1598 Stam von Liederbach, 1599 Johann von Gilsa, 1602 die beiden Söhne des Herrn Rentmeisters, 1603 Hans Kaspar von Rotsmann. Jedesmal schenkte die Stadt einen vergoldeten Becher im Wert von 20 und mehr Gulden. Da gings hoch her im „Bau“ (Hochzeitshaus).

Aber auch sonstige Ehrengeschenke werden dauernd erwähnt. Vor allem bei Promotionen von ehemaligen Schülern der Alsfelder Lateinschule zur akademischen Würde des Bacalaureus, des Magisters und des Doktors. In den obengenannten zehn Jahren von 1594 bis 1603 hören wir von fünfzehn Promotionen von jungen Alsfeldern, bei denen die Promovierten ein Ehrengeschenk von 4 bis 10 fl. erhielten [15].

Die Alsfelder Lateinschule [16] hat eine dreihundertjährige Geschichte, die freilich auch erst geschrieben werden muss. Ihre Blüte fällt auch in das 16. Jahrhundert, in die Zeit des Humanismus und der Reformation. Aus vorreformatorischer Zeit wissen wir nur, dass in Alsfeld eine Schule, das heißt eine Gelehrtenschule bestanden hat, denn von Volksschulen ist im Mittelalter keine Rede. Und zwar wird schon 1270 ein Rektor der Schule erwähnt; auch im 14. und 15. Jahrhundert ist uns das Vorhandensein einer Schule urkundlich bestätigt. Näheres wissen wir aber darüber nicht. Auch nicht, wo sie sich befunden hat. Erst am Anfang des 16. Jahrhunderts hören wir von einem Schulhaus [17]. 1508 wurde ein Bau an der Stelle des heutigen Gg. Weberschen Hauses hinter dem Rathaus errichtet. Dort ist die Schule auch geblieben bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1837. Da durch die Reformation das Schulwesen in Deutschland mächtig gefördert, streng genommen eigentlich erst begründet wurde, so nahm auch die Alsfelder Schule jetzt einen bedeutenden Aufschwung. 1536 wurde von Philipp dem Großmütigen der Schule eine neue Organisation gegeben, die wir als Stiftungsurkunde der [Seite 12] Alsfelder Lateinschule ansehen müssen [18]. An der Schule wirkten damals schon zwei Lehrer, nicht nur einer, wie im ganzen Mittelalter. Ja, die Schule entwickelte sich im Lauf des 16. Jahrhunderts so, dass in den achtziger Jahren noch ein dritter Lehrer angestellt und 1590 das Schulhaus durch einen Anbau nach dem Pfarrhaus zu erweitert wurde. Die Schüler kamen von der Alsfelder Lateinschule noch ein Jahr auf das Pädagogium (Gymnasium) und von da auf die Universität. Vor der Gründung der Universität Marburg 1527 bezogen die Alsfelder fast immer die Hochschule in Erfurt, seit der Gründung Wittenbergs (1502) auch Wittenberg. So ist der berühmte Alsfelder Augustinermönch Tilemann Schnabel, von dem weiter unten die Rede sein wird, 1512 in Wittenberg immatrikuliert worden. Seit der Gründung der Marburger Hochschule zogen natürlich die Alsfelder fast alle dorthin, weil es die nächste Hochschule war. Im Lauf des 16. Jahrhunderts sind nicht weniger als 90 Alsfelder in Marburg immatrikuliert worden. Als dann im Jahre 1607 der Darmstädter Landgraf Ludwig die Hochschule in Gießen gründete, lenkte sich der Hauptstrom der Studierenden naturgemäß dorthin als nach der Landesuniversität. Die Alsfelder Lateinschule blühte noch während des ganzen 17. Jahrhunderts sehr, ja wir hören, dass am Ende dieses Jahrhunderts Alsfelder Lateinschüler unmittelbar zur Universität gingen, dass die Schule also auch noch die Lehraufgabe eines Pädagogiums bewältigte. Die drei Lehrer der Schule waren sämtlich studierte Theologen. Der erste war der Rektor, der zweite, der Konrektor, war Dirigent der Kirchenmusik [19], Director musices genannt, der dritte, der Praeceptor tertius, auch bloß Tertius genannt, war im Nebenamt Organist. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war er übrigens nicht mehr studiert. Im Frühjahr 1698 wurde das alte Schulhaus, das baufällig geworden war, abgebrochen und ein neues an seiner Stelle errichtet, das jetzige Webersche Haus. In ihm wurde zugleich auch die deutsche Schule (Volksschule) im Erdgeschoß untergebracht, in einem Raum, 30 auf 33 Fuß groß. Im ersten Stockwerk war die Schulstube des Rektors und die des Konrektors sowie ein Teil der Wohnung des Rektors, im zweiten Stock war die Wohnung des Konrektors und der Rest der Rektorwohnung. So blieben die Verhältnisse im ganzen 18. Jahrhundert, und am Anfang des 19., im Jahre 1837, nahm die Lateinschule ein unrühmliches Ende, sie ging in der Volksschule auf [20]. Die überaus verworrenen und traurigen Schulverhältnisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schildert Eduard Edwin Becker ausführlich in der obenerwähnten, sehr interessanten Abhandlung über die Alsfelder Schulhäuser.

Doch kehren wir wieder zurück zur Blütezeit der Stadt im 16. Jahrhundert. Das wichtigste Ereignis der Alsfelder Geschichte in diesem Jahrhundert [Seite 13] war ohne Frage die Einführung der Reformation. Dass Alsfeld auf diesem Gebiet eine Führerrolle in Hessen gespielt hat, ist bekannt. Zu einer Zeit, wo Philipp der Großmütige noch fest auf dem Boden der alten Kirche stand, wurde in Alsfeld schon Luthers Lehre verkündet von dem Augustinermönch Tilemann Schnabel [21]. Schnabel war im Jahre 1512 von seinem Kloster nach Wittenberg zum Studieren auf die Hochschule geschickt worden. Im dortigen Augustinerkloster machte er die Bekanntschaft Luthers und wurde von ihm für die neue Auffassung des Evangeliums gewonnen. In Wittenberg durchlief er nun die ganze Stufenleiter der akademischen Würden und wurde schließlich 1514 als Doktor – wir sagen heute Professor – in den Lehrkörper der Hochschule aufgenommen. 1520 wurde er Provinzial des Ordens und kehrte nach seinem Kloster in Alsfeld zurück. Dort predigte er die Lehre Luthers unter großem Zulauf. Dadurch erregte er die Aufmerksamkeit des Landgrafen, der damals noch fest entschlossen war, das Wormser Edikt von 1521 in seinem Lande durchzuführen, und es kam so weit, dass ihm Philipp – wahrscheinlich 1523 bei einem Jagdaufenthalt in Romrod – das Predigen untersagte. Da legte er die Mönchskutte ab und wanderte nach Wittenberg zu seinem Freund Luther. Dieser verschaffte ihm eine Pfarrstelle zu Leisnig an der Mulde. Dort blieb er, bis Philipp 1526 die Reformation in Hessen durchführte und ihn zurückrief, wie überliefert wird auf Bitten der Alsfelder. Nun wirkte er in Alsfeld als Pfarrer, vorübergehend (von 1530 bis 1541) sogar als Superintendent der Diözese Alsfeld, einem Riesenbezirk mit etwa siebzig Pfarreien; dann, als das herannahende Alter ihm die Bürde dieses Amtes zu schwer machte, wieder als Pfarrer bis zu seinem Tode 1559. So konnte Luther mit Recht sagen, die Stadt Alsfeld sei „die erste Hessenlandes, welche das wahre Evangelium angenommen“.

Die Einführung der Reformation bedingte die Aufhebung der Klöster in Hessen. So wurde auch das Alsfelder Augustinerkloster aufgehoben. Seine reichen Güter überwies der Landgraf der neu gegründeten Universität Marburg, die Klostergebäude aber schenkte er der Stadt für ein Spital. Infolgedessen konnten die beiden bisher bestehenden Siechenhäuser zu St. Elisabeth vor dem Hersfelder Tor und zum Heiligen Kreuz, auch „zu den guten Leuten“ genannt, vor dem Mainzertor, eingehen. Die Einkünfte dieser beiden Hospitäler flossen nun in den neugebildeten Kirchenkasten, der auch die seitherigen Einkünfte der Pfarrkirche umfasste und nun die kirchlichen Bedürfnisse sowie die Kosten für das Spital, die Pflege der Hausarmen und Kranken usw. zu decken hatte. Die sogenannte Kastenrechnung wurde von zwei Ratsherrn, dem Ober- und Unter-Kastenvorsteher, geführt. Der Überzug der Kranken aus den seitherigen Spitälern in das neue Klosterspital erfolgte 1534. Es waren mehrere bauliche Veränderungen an den Klostergebäuden zu diesem Zweck nötig gewesen. [Seite 14]

Die Neuordnung des Gottesdienstes, die durch die Einführung der Reformation nötig geworden war, änderte an dem Inneren der Walpurgiskirche nicht viel. Es blieb das herrliche Altarschnitzwerk an seinem Platz, und auch die Heiligenfiguren wurden damals nicht entfernt. Überflüssig wurden damals nur die kirchlichen Geräte, die zur Feier der Messe gebraucht wurden: die prunkvollen Priestergewänder, die Monstranzen, Weihrauchkessel und anderes. In den Kirchenrechnungen der zwanziger und dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts hören wir von dem Verkauf derartigen Kirchenzierrats.

Dass der Reformator Deutschlands, Martin Luther, mehrere Male in Alsfeld gewesen ist, steht urkundlich fest. Er war sowohl bei seiner Fahrt nach Worms am 12. April als auch bei seiner Rückkehr von Worms am 30. April 1521 hier. Jedoch ist sicherlich beide Male der Aufenthalt hier nur sehr vorübergehend gewesen. Dagegen hat er hier im Schwanen übernachtet am 29. September 1529, als er zum Religionsgespräch nach Marburg fuhr. Winkelmann berichtet in seiner 1648 erschienenen „Lobrede der Fürstlichen Oberhessischen Stadt Alsfeld zu Ehren gedichtet“, die Stadt habe bei dieser Gelegenheit dem Reformator große Ehren erwiesen, und der Schulmeister sei mit einigen Schülern zu ihm bestellt worden, um geistliche Lieder zu singen. Darauf habe Luther eine Ansprache an die Schüler gehalten. Ein späterer Bericht von diesem Aufenthalt Luthers in Alsfeld behauptet sogar, Luther habe in Alsfeld auch gepredigt und in einer vorzüglichen Rede die außerordentlichen Gaben Tilemann Schnabels und seine Verdienste um die Schule und Stadt vor dem Altar öffentlich gepriesen. Wenn diese Angabe auf Wahrheit beruht, was sehr wohl möglich ist, so ist die Walpurgiskirche in Alsfeld die einzige Kirche im Großherzogtum Hessen, in welcher Martin Luther gesprochen hat [22].

Im ganzen 16. Jahrhundert hatte Alsfeld keinen Feind vor seinen Toren gesehen. Das sollte im 17. Jahrhundert anders werden.

Der Dreißigjährige Krieg hat unsagbares Elend über die Stadt gebracht. Nicht als ob dreißig Jahre lang Kriegszustand in unseren Gegenden geherrscht hätte; davon kann hier so wenig die Rede sein als von irgend einer Gegend in Deutschland. Aber nach Jahren völliger Ruhe brach bisweilen die Kriegsfurie mit solcher Gewalt über die Stadt herein, dass sie am Ende des Kriegs am Rande des Untergangs stand.

Über die Schicksale der Stadt im 17. Jahrhundert, speziell im 30-jährigen Krieg sind wir durch drei Chroniken aus dieser Zeit gut unterrichtet. Es sind dies 1. „Chorographia. Ausführliche und gründliche Beschreibung der Stadt und des Bezirkes Alsfeld von Joh. Moritz von Gilsa, in bequeme Capita und Classes gebracht von Heinrich Leußlern, Conrector zu Alsfeld 1664“. Sie war seither nur im Manuskript vorhanden und wird zur Zeit zum ersten Mal in den Mitteilungen, 5. Reihe, Nr. 15 ff. veröffentlicht. 2. Die Chronik von Johannes Gutwein, eines Alsfelder Bürgers, umfassend die Jahre 1621-1646, ebenfalls zum ersten Mal abgedruckt in den Mitteilungen, 5. Reihe, Nr. 12-14. 3. Die Chronik des Magisters Georg Eberhard Happel, veröffentlicht in den Mitteilungen, 5. Reihe, Nr. 2-12. Happel ist von 1632 bis zu seinem Tod 1673 Pfarrer in Alsfeld gewesen [Seite 15] und hat alle die geschilderten Ereignisse selbst miterlebt. Leider sind seine „Memorabilia“, Aufzeichnungen bemerkenswerter Ereignisse im Alsfelder Kirchenbuch, die Soldan in seiner Geschichte der Stadt Alsfeld noch benutzt hat, verloren gegangen. Soldan hat im 15. Kapitel seiner Abhandlung eine meisterhafte Schilderung der Schicksale Alsfelds im Dreißigjährigen Krieg gegeben. Wir können aus Raummangel leider nur einiges daraus anführen; den Höhepunkt, das Unglücksjahr 1646, in dem die Stadt in Feindeshand fiel, hat Fritz Herrmann in einem besonderen Beitrag in dieser Festschrift („Die Belagerung und Einnahme der Stadt Alsfeld […]“) geschildert.

Gleich in den ersten Jahren des Krieges lernte Alsfeld die Soldateska des Administrators von Halberstadt, des „tollen Bischofs“ Christian von Braunschweig, kennen. Dieser erschien am Himmelfahrtstag (30. Mai) des Jahres 1622 vor der Stadt, erzwang sich Einlass und blieb zwei Tage und zwei Nächte in der Stadt. „Tat mit Rauben und Plündern großen Schaden“ erzählt Johannes Gutwein in seiner Chronik. „Nahme mir auch sieben Fuder Weins, hatte jedes Fuder golten 100 Reichstaler. Hatte in meinem Haus den Obristen Generaln Fräncken mit 34 Pferden, dabei unzahlbarlich Gesind, hatte bei sich 2 Köche. Was die verteten an Victualien, darneben an Hausrat mitnahmen, ist nicht genugsam zu sagen.“ Es lässt sich wohl denken, wie die Halberstädter Kriegsvölker in dem reichen, vom Krieg noch ganz unberührten Alsfeld gehaust haben. Bürgermeister und Rat mussten die Stadt durch eine Verschreibung von 6000 Talern von dem Brand loskaufen, und die amtlichen Erhebungen über den angerichteten Schaden, die nach seinem Abzug angestellt wurden, ergaben die Summe von – 76.700 Gulden! Ein Beweis für den Reichtum der Stadt, dass man in so kurzer Zeit solche Werte in ihr vernichten konnte. Aber man bedenke nur zum Beispiel, dass ein einzelner Bürger wie Johannes Gutwein 7000 Liter Wein in seinem Keller liegen hatte!

Nach Christians Abzug hatte die Stadt eine Reihe von Jahren Ruhe vor feindlichen Plünderungen. Der Krieg spielte in entfernten Gegenden. Aber da kam die schauerliche Begleiterin des Krieges, die Pest. 1633 wütete sie in Marburg, 1635 in Gießen, und in diesem Jahr kam sie auch nach Alsfeld [23]. Von der etwa 3000 Köpfe zählenden Einwohnerschaft starben bei der einen Epidemie vom August 1635 bis Februar 1636 zum mindesten 443 Personen, an manchen Tagen bis zu 14, und im folgenden Jahr noch einmal 36. Der Jahresdurchschnitt der Todesfälle war damals in Alsfeld unter normalen Verhältnissen, wie die Kirchenbücher ergeben, etwa 55. Das war ein furchtbares Menschenopfer, das die Stadt dem Krieg bringen musste.

Seit dem Jahr 1635 spielte der Krieg auch wieder in Hessen. Und zwar nahm er für dieses Land dadurch eine besonders verhängnisvolle Wendung, dass Hessen-Darmstadt im Bund mit dem Kaiser und Hessen-Kassel im Bund mit den Schweden war. Die beiden Vettern zürnten sich wegen der Marburger Erbschaft, und so kam es ohne eine förmliche Kriegserklärung schließlich zu dem sogenannten Hessenkrieg, in dem auch Alsfeld schwer gelitten [Seite 16] hat. Im Dezember 1636 standen zum ersten Mal schwedische und niederhessische Truppen vor den Toren Alsfelds und begehrten Einlass. Zwar wurden sie diesmal noch von der entschlossenen Bürgerschaft verjagt, aber im nächsten Jahr kamen sie wieder. Diesmal waren es nur Niederhessen, die das flache Land ausraubten. So wurde auch das benachbarte Zell überfallen und ausgeplündert. Und als auf die Hilferufe der Zeller die Alsfelder Bürger und die damals in der Stadt liegende darmstädtische Besatzung herbeieilten, um dem abziehenden Feind seine Beute wieder abzujagen, erlitten sie zwischen Angenrod und Ohmes, wo sie auf die Niederhessen trafen, eine schwere Niederlage. Von der Alsfelder Bürgerschaft blieben 26 Mann tot, von den Soldaten fielen nur 4, aber ein großer Teil von ihnen wurde gefangen genommen und nach Ziegenhain geschleppt. Von einem der bei Ohmes gefallenen Alsfelder ist noch der Leichenstein auf dem Friedhof erhalten, das Grabdenkmal des jungen Konrad Scharch, das ihm vermutlich die trauernden Eltern gesetzt haben.

Wir übergehen die nun folgenden Kriegsschicksale, die Soldan schildert. Der schwerste Stoß, den die vielgeprüfte Stadt zu erleiden hatte, war ihre Eroberung durch die Niederhessen im Jahr 1646. Hiervon handelt, wie gesagt, der Beitrag von Fritz Herrmann in dieser Festschrift.

Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, ist die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte. Da der Handel, die Quelle des Reichtums im ausgehenden Mittelalter, vollständig darnieder lag, kehrten auch Handwerk und Industrie nicht zu ihrer alten Höhe zurück. Die Städte verarmten. Hinter dem noch vorhandenen Kapital stand kein Unternehmungsgeist. Die Zünfte büßten ihre Bedeutung für die städtische Verwaltung ein, sie waren nur noch Mumien des alten stolzen Genossenschaftswesens und versauerten im Kleinbetrieb und im Zwang abgelebter Formen. Sie besorgten nur noch das rein Handwerksmäßige unter der Aufsicht der staatlichen Polizei. Nur diejenigen Handwerke, welche dem Bau und Schmuck von Palästen und ihrer inneren Ausstattung mit Prunkmöbeln und Kostbarkeiten dienten, leisteten noch Hervorragendes. Man denke nur an Johann Georg Neßtfell, den leider vergessenen Sohn der Stadt Alsfeld, dem ein besonderes Kapitel dieser Festschrift („Kraft, Leonhard: Johann Georg Neßtfell aus Alsfeld […]“) gewidmet ist. Aber im allgemeinen zog sich der Bürger in seine vier Wände zurück. Er hatte seine Steuern zu bezahlen und zu gehorchen, und damit war seine Wichtigkeit für das öffentliche Leben fertig. Die Zeit des fürstlichen Absolutismus ging ihrem Höhepunkt entgegen. Die Bewohner eines Landes, ob hoch, ob niedrig, waren „Untertanen“, und jede Mitwirkung an der Entscheidung über ihr eigenes Wohl und Wehe blieb ihnen versagt. Überall gab es nur die alleinige Einheitsgewalt des vollkommen unverantwortlichen Fürsten [24].

So bietet auch Alsfeld am Ausgang des 17. und im ganzen 18. Jahrhundert nur ein Bild des Niedergangs. Eintönig floss das Leben der Stadtbewohner in den vorgeschriebenen Formen dahin. Nichts mehr von der überschäumenden Lebenslust der Renaissancezeit. Nichts mehr von der großzügigen Bautätigkeit der Stadt. Die Barockkunst blühte bloß an fürstlichen Residenzen [Seite 17] wie im benachbarten Fulda, in bescheidenem Maße auch in dem Riedeselischen Lauterbach. Hier und da wurden noch schöne Privathäuser gebaut, die wir heute noch bewundern. Der Mauerring verfiel, er konnte nicht mehr schützen. Von kriegerischen Drangsalierungen blieb die Stadt nach dem großen Kriege ja auf hundert Jahre verschont. Ein Glück für die schwer mitgenommene Stadt, die sich auf diese Weise materiell wenigstens einigermaßen erholen konnte. Und um die Mitte des 18. Jahrhunderts war wieder eine gewisse Wohlhabenheit in der Stadt vorhanden. Da brach der Siebenjährige Krieg aus [25]. Der Landgraf von Hessen-Darmstadt, Ludwig VIII. (1739-1768) blieb der Politik seiner Vorfahren treu und stand in diesem Kriege auf Seiten Habsburgs gegen Preußen. Hessen-Kassel dagegen war mit Preußen verbündet. Die blutigen Kämpfe um den Besitz Schlesiens, die den Kern des Siebenjährigen Krieges bildeten, berührten natürlich unsere Gegenden nicht. Aber deshalb bekam besonders Oberhessen den Krieg doch ganz empfindlich zu spüren. Denn hier drehte es sich um die Kämpfe auf dem Nebenkriegsschauplatz, auf dem der bekannte Herzog Ferdinand von Braunschweig, der Schwager Friedrichs des Großen, als Oberbefehlshaber der „Alliierten“ Friedrichs gegen die Franzosen focht, die bekanntlich seit 1757 mit Maria Theresia verbündet waren. Die „Alliierten“ waren die Streitkräfte der Engländer, Hannoveraner, Braunschweiger, Hessen-Kasseler und Gothaer. Für die Franzosen war also Oberhessen „Freundesland“, für die Deutschen „Feindesland“. Das bedeutete aber nur, dass die Franzosen als Freunde, die andern als Feinde plünderten und requirierten. Denn das war das Schicksal der Gegenden, die der Krieg berührte, wenn sie nicht, was noch viel schlimmer war, die Schlachtfelder stellen mussten. Hiervor blieb Alsfeld ja diesmal bewahrt, aber was es in den Jahren 1758-1762 an Einquartierungen zu erdulden, an Lieferungen und Kontributionen zu leisten hatte, das brachte die Stadt wieder an den Bettelstab. Die Feldzüge der genannten Jahre verliefen in der Regel so, dass die Franzosen unter Soubise vom Main und der Wetterau her gegen Kassel vorstießen und dann von Ferdinand wieder zurückgeworfen wurden. Jedesmal wälzten sich die Truppenmassen durch Oberhessen. Die Jahre 1760 und 1761 waren die schlimmsten für die Stadt. Im Jahr 1761 lagen vier Regimenter Alliierte fünf Wochen lang im März und April in und um Alsfeld. Als sie abzogen, ließen sie ihre Kranken in der Stadt zurück. Es wurden Hospitäler errichtet im Weinhaus, im Hochzeitshaus und in der Stadtschule, ja viele Privathäuser bekamen Kranke zugeteilt; es waren ihrer über 400. Natürlich verbreiteten diese Kranken die berüchtigten Lazarettkrankheiten, Typhus und Ruhr, in der ganzen Stadt. Das Sterberegister des Jahres 1761 verzeichnet 172 Personen. In demselben Jahr wurde von den Franzosen ein Mehlmagazin für 50.000 Sack Mehl in der Dreifaltigkeitskirche und sonstigen Gebäuden angelegt. Die Umgegend musste das Mehl anliefern. 200-300 Wagen kamen bisweilen auf einmal an und stauten sich in und vor der Stadt. Und als das Depot endlich gefüllt war, wurde es in aller Eile wieder fortgeschafft, wobei der Stadt an [Seite 18] Fuhrwerksgestellung das Unmöglichste zugemutet wurde. Dafür legten die Franzosen ein Heu- und Strohmagazin in der Dreifaltigkeitskirche, der Scheuer des sogenannten Forsthofs (Haus Wallach in der Rittergasse) und auf der Bleiche an. Dieses Magazin fiel im nächsten Jahre mit gewaltigen Vorräten den Alliierten in die Hände. Die Dreifaltigkeitskirche war durch diesen rohen Missbrauch schwer beschädigt worden und wurde erst nach Krieg 1767 wieder hergestellt.

Das sind nur ein paar flüchtige Bilder aus den Drangsalen des Siebenjährigen Krieges. Sie zeigen, was die Stadt in diesen wenigen Jahren wieder gelitten hat.

1789 brach in Paris die große französische Revolution aus. Dass dieses Ereignis auch in dem abgelegenen und stillen Alsfeld nachzitterte, ist erst neuerdings bekannt geworden. Ein unruhiger Kopf, der Stadtschreiber Minnigerode, schmiedete revolutionäre Pläne, freilich gänzlich unzeitig, und ging darüber zu Grunde. In dem Beitrag von Gustav Paul („Eine Alsfelder Episode […]“) in dieser Festschrift ist jene Episode eingehend behandelt.

Die französische Revolution brachte die Revolutionskriege, und die Revolutionskriege brachten neues Elend über die Stadt [26]. Waren im Siebenjährigen Krieg die Franzosen als „Verbündete“ gekommen, so kamen sie jetzt als Feinde, denn die Landgrafen von Hessen standen in ihrer dynastischen Politik immer getreu auf Seiten Österreichs, und diesmal gingen die französischen Revolutionsheere gegen das kaiserliche Österreich. Auch von diesen Drangsalen seien nur ein paar Proben gegeben. Es ist immer wieder das alte Bild: Einquartierungen, Lieferungen, Requisitionen, verbunden mit Plünderungen und Kontributionen.

Die erste Einquartierung kam im Februar 1793. Es waren kurhessische Truppen auf dem Durchmarsch nach Grünberg. Im März kam ein zweites Bataillon, und dann ging es den ganzen Sommer so weiter mit preußischen Truppen. In den folgenden Jahren 1794 und 1795 hatte die Stadt endlose Lieferungen an die österreichischen Magazine nach Gießen, Gladenbach und Hachenburg zu leisten. Im September 1796 kam die erste schwere Einquartierung von Franzosen, die auf dem Rückzug nach ihrer Niederlage bei Würzburg mehrere Tage in der Stadt lagen, auch vor der Stadt ein großes Lager hatten und übel hausten. Zu allem Unglück schleppten sie auch noch eine Viehseuche ein. Aber das war alles nur ein Vorspiel. Am 28. April 1797 kamen die Franzosen wieder ins Quartier und blieben in Alsfeld ohne Unterbrechung bis den 12. Dezember 1798! 578 Tage lang. Die Truppen waren in einem unglaublich schlechten Zustand, völlig verlumpt. Aber die Herren wussten sich zu helfen. Im Mai 1797 hatte die Stadt ein französisches Dragonerregiment einfach neu einzukleiden. Die darüber noch vorhandene Rechnung lautet auf 2.985 fl. für Tuch, Leinen, Stiefel usw.. Im gleichen Monat Mai trug eine den Ämtern Alsfeld, Romrod und dem Gericht Schwarz auferlegte Kontribution der Stadt außerdem noch 3.305 fl. Dazu lieferte die Stadt für die Tafel des Generals Cleyn, der hier im Quartier [Seite 19] lag, vom 28. April bis 20. Mai an Wein, Fischen, Geflügel, Eier, Butter, Zitronen, Rosinen, Weißbrot, Kaffee, Zucker, Schokolade, „Epicerie“ und Fleisch für 1.217 fl. So ging das zwanzig Monate lang. Die Herren Franzosen lebten gut auf Kosten des ausgeschundenen Bürgers. Die Kriegsrechnungen im Stadtarchiv reden eine erschütternde Sprache. Die Endsumme aller Kriegskosten betrug 1798 nicht weniger als 93.867 Gulden.

Die politische Umgestaltung Hessens durch den Lüneviller Frieden 1801 hatte auch eine Neugestaltung des hessischen Militärs zur Folge, und auf diese Weise wurde Alsfeld vom 1. Juni 1803 bis 6. Juni 1805 einmal Garnisonstadt [27]. Die Alsfelder Garnison gehörte zur neuerrichteten Brigade Landgraf, die aus zwei Linienbataillonen und einem Füsilierbataillon zu je vier Kompagnien bestand. Die beiden Linienbataillone kamen in Garnison nach Gießen, das Füsilierbataillon aber nach Alsfeld. Die Alsfelder Füsiliere trugen eine sehr schmucke Uniform: Hellgrüne Röcke mit rotem Unterfutter, hellblaue Kragen, Brustklappen und Aufschläge, weiße Westen, weiße Tuchhosen und schwarze Gamaschen. Dazu weiße Knöpfe und weißes Lederzeug. Bei dieser Garnison dürfen wir aber nicht an eine moderne Garnison mit Kasernen, Exerzierplätzen, Schießständen usw. denken. Das war alles nicht nötig, denn der weitaus größte Teil der Mannschaft befand sich fast das ganze Jahr über auf Großurlaub – aus Ersparnisgründen. Der Dienstbestand des Alsfelder Bataillons betrug im Januar 1805 einmal nur zehn Mann! Nur im Frühjahr wurde das ganze Bataillon einmal auf etwa vier Wochen zum Exerzieren zusammengezogen. Sein Etat betrug dann einschließlich Offiziere, Unteroffiziere und Beamten 428 Köpfe. Sie wurden dabei alle in Bürgerquartieren untergebracht. Die Alsfelder waren ja an Einquartierungen gewöhnt. Aber als die Garnison im Juni 1805 nach Darmstadt verlegt wurde, herrschte allgemeine Freude in der Stadt. Soldaten waren keine gern gesehenen Gäste. Die Erinnerung an diese Garnisonszeit hat sich auch vollständig verloren.

Die Alsfelder Garnison war aber kaum ein halbes Jahr abgerückt, da rückten wieder – im Dezember 1805 – die Preußen ein. Jetzt beginnen die Kriege gegen Napoleon. Und wieder beginnt das alte Lied: Einquartierung, Requisitionen, Kriegsfuhren usw.. Seit 1806 stellte der neue Großherzog von Hessen dem hohen Protektor des Rheinbunds, Napoleon, auch die Soldaten zu seinen Kriegen. Im Jahre 1840 lebten in Alsfeld noch 53 Veteranen aus den Napoleonischen Kriegen, darunter noch fünf, die mit in Russland gewesen waren und den Untergang der großen Armee überlebt hatten [28]. Von der großen Erhebung gegen Napoleon im Frühjahr 1813 merkte man natürlich in Alsfeld nichts, denn der Großherzog Ludwig war nach wie vor Rheinbundsfürst, und seine Truppen machten die Feldzüge des Jahres 1813 auf französischer Seite mit.

Die Kriegslasten der Freiheitskriege endigten für Alsfeld erst im April [Seite 20] 1815. Eine eingehende Schilderung dieser Zeiten hat Emmy Spitz in den Mitteilungen, 4. Reihe, Nr. 11-14 (1913) unter dem Titel „Alsfelder Kriegsnöte vor hundert Jahren“ gegeben.

Der Gedanke liegt nahe, dass die Stadt durch diese Kriegsschicksale völlig verarmt sei. Es war dies jedoch nicht der Fall. Wenigstens widerspricht eine gleichzeitige Schilderung der Alsfelder Verhältnisse deutlich dieser Annahme.

Im Jahr 1817 schrieb der damalige Großherzogliche Regierungssekretär und Stadtsyndikus Karl Dieffenbach eine „Geschichte der Stadt Alsfeld“. Es ist leider ein völlig kritikloses und ebenso wortreiches als inhaltsarmes Büchelchen, reichlich geschmückt mit poetischen Zitaten, bemerkenswert nur durch die Abschnitte, die von den damaligen Zuständen der Stadt handeln. In diesen Abschnitten spricht der Verfasser, der doch alle diese Kriegsnöte miterlebt hat, mit keinem Wort von Niedergang und Verarmung; im Gegenteil, er spricht ausdrücklich von einer hohen Blüte von Landwirtschaft und Industrie in Alsfeld. „Die Agrikultur und Manufaktur haben eine nie gekannte Größe erreicht“, heißt es im 17. Abschnitt seines Werkchens, „den gegenwärtigen Zustand der Stadt Alsfeld betreffend“. Für den Stand der Wollen- und Leinenindustrie gibt er sogar genaue Zahlen, aus denen sich allerdings ergibt, dass in den drei Kriegsjahren 1813-1815 die Tuchindustrie andauernd gestiegen ist, ja dass das Jahr 1815 die höchste Produktion der Jahre 1807-1816 erreicht: 2.450 Stück Tuch zu 45 Ellen im Wert von 80.302 fl. Noch bedeutender war die Leinenindustrie. Hier wird eine Jahresproduktion von 14.000 Stück zu 66 Ellen im Werte von 246.200 fl. angegeben.

Dieffenbach schließt seine historischen Betrachtungen mit den Worten: „Ich beklage es, dass ich die Fortschritte nicht ahnden kann, welche der menschliche Geist nach dem Verlauf eines weiteren Säkulums in unseren Kindern und Kindeskindern gemacht haben wird“. Er wäre gewiss zufrieden gewesen, wenn er nach hundert Jahren die Entwickelung der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert hätte überblicken können.

Wenige Jahre nach dem Erscheinen der Dieffenbachischen „Geschichte der Stadt Alsfeld“ fiel die Verfassung der Stadt, die seit dem „Korebrief“ mehr als 400 Jahre in Geltung gewesen war. Der letzte, auf den Dreikönigstag von der gesamten Bürgerschaft feierlichst gewählte Stadtbürgermeister war Georg Melchior Hölscher 1821. Ihm folgte als erster Großherzoglicher Bürgermeister nach der neuen Landgemeindeordnung Kaspar Ernst Bücking 1822-1825; sein Nachfolger war der allbekannte Gerhard Jakob Ramspeck 1825-1871, dessen wunderlich originelle Amtssprache eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Auf ihn folgte Werner Ramspeck bis 1879, dann Ernst Arnold bis 1906, dann dessen Sohn Karl Arnold bis 1. Juli 1908. In diesem Jahr beschloss der Gemeinderat, die Leitung der Stadtverwaltung einem Berufsbürgermeister zu übertragen. Als solcher wurde der derzeitige Bürgermeister, Dr. jur. Karl Völsing gewählt, der seit dem 1. Dezember 1909 seines Amtes waltet.

Fußnoten:

[01] Von zusammenhängenden Darstellungen der Alsfelder Stadtgeschichte kommt heute ausschließlich in Betracht die von Wilhelm Gottlieb Soldan in zwei Gießener Gymnasialprogrammen aus den Jahren 1861 und 1862 veröffentlichte wertvolle Abhandlung: „Zur Geschichte der Stadt Alsfeld.“ Durch sie sind alle vorausgegangenen Arbeiten erledigt. Leider führt die Soldansche Darstellung nicht über das 17. Jahrhundert hinaus, und für das 18. und 19. Jahrhundert fehlt bis heute noch eine zusammenhängende Bearbeitung. Wertvolles Quellenmaterial für die Geschichte der Stadt findet sich in den „Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld“, die seit dem Jahr 1902 in zwanglos erscheinenden Nummern von Prof. Dr. Eduard Edwin Becker herausgegeben werden. Im Folgenden ist auf sie mit der Abkürzung „Mitteilungen“ verwiesen. Sonstiges Quellenmaterial ist bei Gelegenheit angeführt. Vollständigkeit ist nirgends angestrebt.

[02] Über die Burg in Alsfeld vgl. die interessante Abhandlung von Otto Berth in den Mitteilungen, 1. Reihe, Nr. 4.

[03] Seit 1264 war Hessen eine selbständige Landgrafschaft und von Thüringen getrennt. Sophie, die Tochter der Heiligen Elisabeth und des Thüringer Landgrafen Ludwig IV., war vermählt mit dem Herzog Heinrich von Brabant; ihr Sohn war Heinrich, mit dem Beinamen „das Kind“, der erste Landgraf von Hessen, von 1264 bis 1308. Alsfeld hat nie einen anderen Stadtherrn gehabt, als die Landgrafen von Hessen. Ein Versuch des Erzbischofs von Mainz, die Stadt im 13. Jahrhundert durch gefälschte Urkunden in seinen Besitz zu bringen, misslang. Vgl. darüber W.G. Soldan, a.a.O., Teil 1, S. 12 f. Einen Beweis für die Zugehörigkeit Alsfelds zu Hessen bildet auch schon das Wappen der Stadt Alsfeld führt nicht nur den hessischen Löwen im Wappen, den andere hessische Städte auch führen, sondern auch als einzige hessische Stadt den Ritterhelm mit den silbernen, mit sogenannten Kleestengeln besteckten Büffelhörnern, den Wappenhelm der hessischen Landgrafen. Ein Zeichen besonderer landesherrlicher Gunst.

[04] Vgl. darüber Eduard Edwin Becker in den Mitteilungen, 5. Reihe, Nr. 8, wo eine sehr interessante, bisher unbekannte Urkunde aus dem Landgräflich Hessischen Archiv in Philippsruhe veröffentlicht ist.

[05] Nach dem Münzvertrag der rheinischen Kurfürsten von 1386 wurden von einer Mark Gold (234 Gramm) 66 Goldgulden geprägt. Ein Goldgulden wog also 3,55 Gramm, etwas weniger als unser Zehnmarkstück. Dieser Goldgulden galt 20 Silberpfennige, Weißpfennige, später Albus genannt. Ein Silberpfennig wog nicht ganz 1 Gramm. Der Heller war ein halber Pfennig. Das Pfund Heller war im 14. Jahrhundert nur noch Rechenmünze und hatte einen etwas geringeren Wert als ein Goldgulden Bei dem Pfund ist an das Münzpfund zu denken, nicht etwa an unser heutiges Pfund. Eine kleine Handvoll Münzen, etwa 40-50 Stück. Ursprünglich wurden bei größeren Zahlungen die kleinen Münzen in der Tat nicht gezählt, sondern gewogen, da man bei der noch mangelhaften Technik des Münzprägens die Münzen nicht ganz genau gleich an Gewicht machen konnte. Man wog dann eine bestimmte Gewichtsmenge von ihnen ab, ohne sie zu zählen. Das war das Pfund. Vgl. das englische Pfund Sterling, eine Goldmünze. Silber und Gold hatten im 14. und 15. Jahrhundert noch einen sehr hohen Wert.

[06] Mit dem Bau des Leonhardsturms und dem gleichzeitigen Ausbau der Befestigung an der Ostseite der Stadt wurde die in der Nähe gelegene Burg als Befestigung überflüssig und verfiel bald. Der Name des Turms hat mit dem Eigennamen Leonhard nichts zu tun, sondern bedeutet sehr wahrscheinlich Leinweberturm.

[07] Über das alte Rathaus, vgl. Eduard Edwin Becker in den Mitteilungen, 2. Reihe, Nr. 6.

[08] Auf ein sehr lehrreiches Beispiel in dieser Beziehung weist Soldan a.a.O., Teil 2, S. 32 hin. In unsrer Nachbarstadt Grünberg herrschte Anfang des 14. Jahrhunderts ein Streit zwischen der Bürgerschaft und den Schöffen, der 1305 durch einen Vergleich beendigt wurde. In diesem Vergleich verpflichteten sich die Schöffen ausdrücklich, dass sie in Zukunft alle ihnen obliegenden Verpflichtungen treulich erfüllen und insbesondere ihren Anteil an den landesherrlichen Auflagen und Beeden bezahlen wollten (!). Offenbar hatten sie sich vorher bei Steuerausschlägen sehr wenig oder gar nicht berücksichtigt.

[09] Abgedruckt bei Soldan, a.a.O., Teil 1, S. 45 f.

[10] Über das Zunftwesen in Alsfeld vgl. die eingehende treffliche Darstellung von Soldan, a.a.O., Teil 2, S. 12 ff. und von Eduard Edwin Becker in den Mitteilungen, 5. Reihe, Nr. 10-12.

[11] Abgedruckt in den Mitteilungen, 3. Reihe, S. 148-151. Eine der ältesten Urkunden des Stadtarchivs.

[12] Vgl. darüber Eduard Edwin Becker in den Mitteilungen, 3. Reihe, Nr. 18.

[13] Das berühmte Alsfelder Passionsspiel wurde in der nachreformatorischen Zeit, wie es scheint, nicht mehr aufgeführt. Urkundlich zum letzten Mal wird seine Aufführung 1517 erwähnt. Vgl. Fritz Herrmann, Tilemann Schnabel, S. 8.

[14] Ludwig starb 1604 kinderlos, und sein Land wurde an die noch bestehenden Kasseler und Darmstädter Linien aufgeteilt. Der nördliche Teil des heutigen Oberhessens mit Alsfeld kam an Hessen-Darmstadt. Der neue Herr, der Darmstädter Landgraf Ludwig V. (1596-1626) war 1605 persönlich in Alsfeld anwesend, begleitet von „etzlichen vom Adel und anderen Dienern“, und tat auf dem Rathaus mit Bürgermeister und Rat einen Trunk. Dabei sind 8 fl. und 6 Albus „ufgangen“.

[15] Über den Besuch der deutschen Hochschulen durch Alsfelder Studenten im 15., 16. und 17. Jahrhundert vgl. die namentlich für die Familienforschung sehr wertvolle Schrift von Karl Dotter, Studierende aus Alsfeld vor 1700. Beilage zum Jahresbericht der Großherzoglichen Realschule zu Alsfeld 1909.

[16] Vgl. darüber Fritz Herrmann, Aus der Geschichte der Alsfelder Lateinschule, Mitteilungen, 1. Reihe, Nr. 6.

[17] Vgl. darüber Eduard Edwin Becker, Alsfelder Schulhäuser, in den Mitteilungen, 3. Reihe, Nr. 22.

[18] Das Original befindet sich im Alsfelder Ratsbuch. Abgedruckt bei Diehl, Die Schulordnungen des Großherzogtums Hessen, I, 488 f..

[19] Über diese Einrichtung vgl. die interessante Abhandlung von Karl Dotter, Das Collegium musicum zu Alsfeld, Mitteilungen, 1. Reihe, Nr. 11.

[20] Vgl. dazu Kobelt, in den Mitteilungen, 3. Reihe, Nr. 11, „Alsfelder Schulverhältnisse vor Einrichtung der städtischen Realschule“.

[21] Über Tilemann Schnabel und sein Werk vgl. die ausgezeichnete Schrift von Fritz Herrmann, D. Tilemann Schnabel, der Reformator von Alsfeld. In ihr werden die Zustände vor der Reformation in Alsfeld, Schnabels Lebensgeschichte und sein Wirken als Reformator ausführlich und anziehend dargestellt.

[22] Fritz Herrmann, Tilemann Schnabel, S. 33.

[23] Vgl. darüber Eduard Edwin Becker, Die Pestepidemie in Alsfeld im Jahr 1635, in: Hessische Chronik 1912, Heft 1.

[24] Vgl. Lindner, Geschichte des deutschen Volkes, Band 2, 7.

[25] Über die Schicksale Alsfelds im Siebenjährigen Krieg vgl. Karl Unverzagt, Oberhessen und seine Nachbargebiete im Siebenjährigen Krieg. Mitteilungen, 2. Reihe, Nr. 8 und 9.

[26] Vgl. darüber Emmy Spitz, Kriegsnöte in Alsfeld zur Zeit der französischen Revolutionskriege. Mitteilungen, 3. Reihe, Nr. 23, 24/25.

[27] Vgl. darüber den sehr interessanten Aufsatz von Karl Dotter in der „Oberhessischen Zeitung“ 1910 vom 27. Januar.

[28] Die hessische Brigade war in einer Stärke von 5.222 Köpfen mit nach Russland ausgerückt und mit 40 Offizieren und 276 Mann zurückgekehrt (Tagebuch des Prinzen Emil).

Erstveröffentlichung:

Eduard Decker: Zur Geschichte der Stadt Alsfeld, in: Geschichts- und Altertumsverein der Stadt Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 1-20.

Im Text erwähnte Vertiefungsliteratur:

Berth, Otto: Die „Burg“ in Alsfeld / Die Burg in Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 4, 1903, S. 3-6 (45-48).

Becker, Eduard Edwin: Vom Rathaus zu Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 2. Reihe, Nr. 6, 1908, S. 121-124.

Becker, Eduard Edwin: Die Pestepidemie zu Alsfeld im Jahre 1635, in: Hessische Chronik, 1. Jahrgang, 1912, S. 16-21.

Becker, Eduard Edwin: Aus den verbrannten Stadtrechnungen (1577-1662) (Teil 2/6), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 3. Reihe, Nr. 18, 1912, S. 140-142.

Becker, Eduard Edwin: Bilder aus dem Volksleben zu Alsfeld im Mittelalter, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 3. Reihe, Nr. 19/20, 1912, S. 145-155.

Becker, Eduard Edwin: Alsfelder Schulhäuser. Zur Einweihung der neuen Stadtschule. Die Schulhäuser bis 1835. Das Schulhaus 1835-1912, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 3. Reihe, Nr. 22, 1912, S. 169-176.

Becker, Eduard Edwin: Die Alsfelder Chroniken des 17. Jahrhunderts (Teil 7/7), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsverein der Stadt Alsfeld, 5. Reihe, Nr. 8, 1920, S. 29-33.

Becker, Eduard Edwin: Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 5. Reihe, Nr. 8, 1920, S. 35-36.

Becker, Eduard Edwin: Vom Zunftwesen in Alsfeld (3 Teile), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 5. Reihe, Nr. 10, 1921, S. 51-52 / Nr. 11, 1921, S. 57-60 / Nr. 12, 1922, S. 63-65.

Dieffenbach, Karl: Geschichte der Stadt Alsfeld, nebst einem Epilogus, der dritten säkularischen Feyer der Reformation gewidmet, Gießen 1817.

Dotter, Karl: Das Collegium musicum zu Alsfeld. Geschichte der Alsfelder Kirchenmusik, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 11, 1907, S. 3-35 (129-161).

Dotter, Karl: Studierende aus Alsfeld vor 1700, in: Beilage zum Jahresbericht der Großherzoglichen Realschule zu Alsfeld 1908/1909, Darmstadt 1909.

Dotter, Karl: Der Streit um den Homberg (1547-1553), in: GAV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 33-96.

Herrmann, Fritz: Aus der Geschichte der Alsfelder Lateinschule, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1. Reihe, Nr. 6, 1904, S. 3-10 (65-72).

Herrmann, Fritz: Die Belagerung und Einnahme der Stadt Alsfeld durch die Niederhessen im Jahre 1646, in: GAV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 113-126.

Herrmann, Fritz: D Tilemann Schnabel. Der Reformator der Stadt Alsfeld, F. Ehrenklau, Alsfeld 1925 (2. Auflage, Alsfeld 1925).

Kobelt, Gustav: Alsfelder Schulverhältnisse vor Einrichtung der städtischen Realschule, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 3. Reihe, Nr. 11, 1911, S. 86-88.

Kraft, Leonhard: Johann Georg Neßtfell aus Alsfeld, ein vergessener Kunsthandwerker des 18. Jahrhunderts,
in: GAV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 97-112.

Paul, Gustav: Eine Alsfelder Episode aus dem Kampf der hessen-darmstädtischen Stände gegen den Absolutismus im Revolutionsjahr 1789, in: GAV Alsfeld (Hrsg.): Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 21-32.

Soldan, Wilhelm Gottlieb: Zur Geschichte der Stadt Alsfeld. (2 Teile). Wissenschaftliche Beigabe: Programm des Großherzoglich hessischen Gymnasiums zu Gießen, als Einladung zu den am 20., 21. und 22.03.1861 statt findenden öffentlichen Schulfeierlichkeiten, 1861. als Einladung zu den am 08.04.1862 und 09.04.1862 statt findenden öffentlichen Schulprüfungen, 1862.

Spitz, Emmy: Kriegsnöte in Alsfeld zur Zeit der französischen Revolutionskriege (2 Teile), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 3. Reihe, Nr. 23, 1912, S. 177-182 / Nr. 24/25, 1912, S. 185-195.

Spitz, Emmy: Alsfelder Kriegsnöte vor hundert Jahren (1805-1813) (3 Teile), in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 4. Reihe, Nr. 11/12, 1913, S. 90-95 / Nr. 13, 1914, S. 97-103 / Nr. 14, 1914, S. 105-110.

Unverzagt, Karl: Oberhessen und seine Nachbargebiete im Siebenjährigen Krieg (2 Teile). Unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 2. Reihe, Nr. 8, 1908, S. 153-165 / Nr. 9, 1909, S. 169-175.

Winkelmann, Johann Just: Lobrede auf Alsfeld, in: Jäkel, Herbert: Johann Just Winkelmann. Der Historiograph der Stadt Alsfeld im 17. Jahrhundert und seine Beschreibungen […], in: Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld, 11. Reihe, Nr. 9/10, 1969, S. 125-151, hier: S. 130-133.

[Stand: 15.02.2024]