Berfa besteht seit über 700 Jahren

Von Konrad Kaufmann, Berfa (2007)

1982 feierte Berfa vom 11.-20. Juni mit einem umfangreichen Festprogramm sein 700-jähriges Jubiläum. Zum Festkommers, am Freitag, den 11. Juni, konnte der Ortsvorsteher, Konrad Kaufmann, zahlreiche Ehrengäste und Persönlichkeiten aus der Stadt, dem Kreis und den benachbarten Orten begrüßen, die auf unterschiedlichste Weise mit Berfa verbunden sind.

Seine besonderen Grüße galten dem Bürgermeister der Großgemeinde Alsfeld, Hans-Ulrich Lipphardt und Baron von Schwertzell zu Willingshausen, dessen Haus und das Dorf Berfa seit Jahrhunderten durch eine lange, gemeinsame Geschichte verbunden seien. Auch der Vorsitzende des Schwälmer Heimatbundes, August Helwig, der den Festvortrag an diesem Abend hielt, wurde herzlich willkommen geheißen.

Berfa am Fuße des Bechtelsberges
© Konrad Kaufmann

Konrad Kaufmann führte unter anderem weiter aus: „Ein kleines Dorf, wie viele in unserem Hessenland, feiert sein 700-jähriges Bestehen. Dieser historische Tag ist geeignet, Rückschau zu halten und derer zu gedenken, die die Voraussetzung für dieses Jubiläum geschaffen haben. Die Bewohner von Berfa waren in den vergangenen Jahrhunderten nicht auf Rosen gebettet und nicht mit Reichtümern gesegnet. Besonders in Kriegszeiten haben die Menschen viel Not und Elend ertragen müssen. Hunger, Kummer und Sorge waren ihre ständigen Begleiter. So waren, wie die Überlieferung berichtet, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges nach den schrecklichen Verwüstungen durch die Kroaten, nur noch 17 Familien in Berfa ansässig. Wenn unsere Vorfahren ihr Schicksal geduldig ertrugen, immer wieder den Mut und den Willen zu einem Neubeginn aufbrachten, dann war es ihr unerschütterliches Gottvertrauen, ihre Tüchtigkeit, ihre Beharrlichkeit, ihr Gemeinsinn und nicht zuletzt ihre tief verwurzelte Heimatliebe, die sie in hoffnungslosen und schweren Tagen nicht verzagen ließen. Diese unsere Vorfahren ehrenden Eigenschaften mögen auch in Zukunft den nachfolgenden Generationen die Kraft geben, das übernommene Erbe zu erhalten und weiterzugeben. Ich darf den Wunsch und die Hoffnung an diesem Tage aussprechen, dass die in den vergangenen Jahrhunderten gewachsene Verbundenheit und der Gemeinsinn sich auch in guten und schweren Zeiten bewähren mögen, zum Segen unseres Dorfes und seiner Einwohner“.

Kaufmann dankte anschließend allen, die – wie der Posaunen- und der Kirchenchor, sowie der Männergesangverein – mithalfen, den festlichen Abend vorzubereiten und zu gestalten und fuhr fort: „Wir feiern heute außer dem 700-jährigen Jubiläum des Dorfes Berfa, noch ein wesentlich jüngeres Jubiläum. Die zehnjährige Zugehörigkeit zur Stadt Alsfeld, oder die zehnjährige verlorene Selbständigkeit.“

Er wolle kein ‚Blatt vor den Mund nehmen‘ und sich kritisch zu dem Zusammenschluss mit Alsfeld äußern, meinte Kaufmann mit Blick auf Bürgermeister Lipphardt, „denn die Geschichte unseres Dorfes ist nicht nur ein Aufzählen von Daten und ein Aneinanderreihen von Geschichtszahlen. Die Geschichte unserer Dörfer ist lebendige Geschichte von Menschen und deren Schicksalen. Von Menschen die immer wieder vor neue Aufgaben und Probleme gestellt wurden und damit fertig werden mussten. Das Dorf als älteste Siedlungsform wird heute oft nur noch als Fußnote im Geschehen der großen Politik wahrgenommen, wozu die Verwaltungsreform – wenn auch ungewollt – ihren Beitrag geleistet hat. Das alte Dorf im historischen Sinne bestand doch aus einer von dem Einzelnen überschaubaren Gemeinschaft von Menschen. [Seite 491] Dadurch ergaben sich vielfältige Beziehungen der Dorfbewohner untereinander. Durch die persönlichen Kontakte waren auch die Probleme des Einzelnen weitgehend in der Gemeinschaft bekannt. Diese zusammengewachsene Dorfgemeinschaft übernahm auch die Verpflichtung. einem in arger Bedrängnis stehenden Menschen zu helfen. Heute ist dieses sich selbst versorgende soziale Netz des Dorfes brüchig geworden oder gar zerrissen. Das Verständnis für den Nächsten, die Bereitschaft zu helfen, sind geringer geworden, weil die Verantwortung der Gemeinde, dem Kreis oder allgemein dem Staat überlassen worden ist. Bedingt einmal durch den rasanten technischen Fortschritt, der den Menschen unserer Tage zu Nummern degradiert hat, zum anderen durch die immer weiter um sich greifende Zentralisierung und die damit verbundene Veränderung der gesellschaftlichen Normen, ist die Verständigung des einzelnen Bürgers mit der Behörde schwieriger geworden. Das gleiche Spiegelbild. wenn auch nicht so drastisch, zeichnet sich ab zwischen den aufgelösten kleinen Gemeinden und den jetzigen großen Verwaltungszentren. Es würde den Rahmen dieser Feierstunde sprengen, im Einzelnen auf diese Problematik einzugehen. Doch möchte ich Ihnen den letzten Absatz aus der ‚Geschichte von Berfa‘, nicht vorenthalten. Da heißt es im Kapitel „Die politische Gemeinde und das Dorfgeschehen“:

„Nach zehnjähriger Zugehörigkeit zur Stadt Alsfeld lässt sich abschließend sagen, dass trotz guter Zusammenarbeit mit den städtischen Gremien und der Verwaltung die der Gebietsreform vorausgesagten Erwartungen, Bürgernähe und Kosten sparende Verwaltung nicht eingetreten sind. Waren in den kleinen selbständigen Gemeinden die Gemeindevertreter mit den Belangen und Problemen in ihrer Gemeinde auf das Engste vertraut und bis ins Detail orientiert, so ist es den Stadtverordneten in dem Großraum heute fast unmöglich geworden, sich intensiv mit den aktuellen und dringlichsten Angelegenheiten der Kernstadt und den 16 Stadtteilen auseinander zu setzen. Sind doch in jedem der einzelnen Bezirke die Anliegen und Prioritäten verschiedentlich gelagert. Kleinste Maßnahmen, die früher von einem Bürgermeister ohne Verzögerung und unkompliziert erledigt wurden, bedürfen einer aufwendigen Bürokratie. bis eine Entscheidung gefällt werden kann. Angelegenheiten, die für die Dorfbewohner oft von großer Bedeutung und Wichtigkeit sind, werden von den Außenstehenden für unwichtig und überflüssig gehalten. So ist der Wunsch der Bevölkerung verständlich und nachfühlbar; den Dörfern die verlorene Selbständigkeit wieder zu geben und ihnen damit eine echte kommunale Selbstverwaltung einzuräumen.“ Das seien harte Worte, sagte Kaufmann damals 1982, zehn Jahre nach der Gebietsreform, aber man solle sie nicht als Kirchturmpolitik oder Spinnstubenromantik abtun, sondern in ihnen die Meinung der Bürger sehen. „Hat man denn übersehen. das Dorf als eigenständige Lebensform wahr zu nehmen? Sind die ihm eigenen Strukturbedingungen, die sich aus seiner Größe. seinen geschichtlichen Erfahrungen, dem Umgang mit der Natur und der sich daraus ergebenden Wirtschaftsformen bei all den Reformen gewürdigt und berücksichtigt worden? Diese Fragen beschäftigen uns heute nach zehn Jahren Verwaltungsreform. Die Politik und die Politiker müssten sich nun um befriedigende Antworten bemühen“, meinte der Ortsvorsteher kritisch.

Anschließend würdigte Bürgermeister Hans-Ulrich Lipphardt das historische Ereignis und lobte die in Berfa praktizierte Bürgergemeinschaft, die ihren Niederschlag im lebendigen Vereinsleben finde. In seinen Betrachtungen über die Eingliederung Berfas vor zehn Jahren in die Stadt Alsfeld, hob er hervor, es sei stets das Bestreben der städtischen Körperschaften gewesen, gleichberechtigt für die Belange der Kernstadt und der Stadtteile einzutreten. Es habe einen großen Nachholbedarf gegeben. Wenn auch nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten, so sei doch Beachtliches geleistet worden. Vom Angebot des Bürgermeisters, sich in das „Goldene Buch“ der Stadt [Seite 492] einzutragen, machten die Besucher regen Gebrauch. Für langjährige Verdienste um die demokratische und soziale Gestaltung des Gemeindelebens wurden Paul Dickel, Konrad Kaufmann, Hans Kaufmann, Karl Muhl, Hans Schött und Adolf Wahl mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet.

Der Vorsitzende des Schwälmer Heimatbundes, August Helwig aus Treysa, betonte in seinem Festvortrag, dass die Berfaer „eine besondere Rasse“ seien. Berfa gehöre nicht zur Schwalm, da hier keine typischen Schwälmer Namen zu finden seien. Das Dorf sei sehr wahrscheinlich keltischen Ursprungs und schon in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends besiedelt gewesen. Jubiläen, die nach der ersten urkundlichen Erwähnung gefeiert würden, gingen in der Regel auf eine Steuerveranlagung damals zurück. Im Privatleben käme heute niemand auf die Idee, seine erste Steuerveranlagung als Grund für eine Feier zu betrachten.

Am 12. Juni lud das Rote Kreuz zu einem Altennachmittag ein. Ab 20 Uhr konnten die Besucher beim Tanz- und Unterhaltungsabend gemeinsam feiern. Der Sonntag war mit einem Kinderfest und einem bunten Nachmittag den Kleinen gewidmet. Abends spielte die Musik wieder zum Tanz auf. Am Montag fanden die Sportler Gelegenheit, das „runde Leder“ zu bewegen. Der Donnerstag begann um 10 Uhr mit einer Gemarkungswanderung, an der sich die Bevölkerung rege beteiligte. 800 Besucher fanden sich zum Dorfabend am Freitag, dem 18. Juni ein und belohnten die Akteure mit reichlichem Applaus. Am darauffolgenden Samstag fand eine Großübung der Freiwilligen Feuerwehr Berfa, des Alarmzuges der Hauptstützpunkt Feuerwehr Alsfeld-Mitte und der Bereitschaft des Deutschen Roten Kreuzes Ottrau statt. Als Schadensereignis hatte man den Absturz eines Privatflugzeuges auf den Kindergarten angenommen. Die Übung fand bei den zahlreichen Zuschauern große Beachtung. Den Abschluss der Festwoche bildete der Festzug am Sonntag, dem 20. Juni. Bei herrlichem Wetter, konnte er pünktlich um 14 Uhr starten. Über siebzig Motivgruppen präsentierten sich den fast viertausend begeisterten Zuschauern. Alles in allem war es ein gelungenes Fest, an dem sich das gesamte Dorf beteiligte und von dem man noch lange erzählte.

Erstveröffentlichung:

Konrad Kaufmann, Berfa besteht seit über 700 Jahren (1982), in: Magistrat der Stadt Alsfeld (Hrsg.): Alsfeld und seine Stadtteile (Band 12), Berfa, Alsfeld 2007, S. 490-498.

[Stand: 10.02.2024]

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