Die Skipiste am Bechtelsberg

Von Konrad Kaufmann, Berfa (2007)

Der lange und schneereiche Winter 1962/1963 hatte wieder eine Vielzahl von Freunden des Wintersports in Berfa auf die Bretter gelockt. Der erste Schnee fiel Mitte November am Buß- und Bettag und blieb mit einer Unterbrechung von 14 Tagen vor Weihnachten bis in den März liegen. Auch die folgenden Jahre waren sehr schneereich. Das brachte einige Wintersportler auf die Idee, auf dem Bechtelsberg eine Piste für die Abfahrt anzulegen. Der ideale Ort war der Nordwesthang, wo den ganzen Tag über keine Sonne hinkam und der Schnee wesentlich länger liegen blieb als auf dem Südhang, der Stirn. Die Anregung kam von drei schon etwas älteren Pistenfans, Kaufmann, Wagner und Fieser. Doch wie sollte man denjenigen beibringen, eine Piste anzulegen, für die der Schnee nur ein unvermeidliches Übel war? Für sie war der Winter lediglich eine unangenehme Zeit, in der der Fußball wegen Unbespielbarkeit des Platzes ausfiel. Es gab sogar Mitglieder im Sportverein, die aus dem Verein austreten wollten, wenn eine Piste angelegt werde. In der Gemeindevertretersitzung kam die Angelegenheit zur Sprache, denn das Gelände und der Wald waren Eigentum der Gemeinde. Es entspann sich eine heftige Diskussion um das Für und Wider. Doch der Sportvereinsvorsitzende Paul Dickel erkannte den Vorteil dieser Einrichtung und auch, wie mit geringem Aufwand eine neue Einnahmequelle für den Verein geschaffen werden konnte. Die Gegner machten trotzdem Schwierigkeiten und beteuerten, wenn eine Schneise von 10 bis 15 Metern Breite geschlagen werde, läge beim nächsten Sturm der halbe Bechtelsberg um. Konrad Kaufmann hatte schon mit dem Einwand gerechnet und sich beim Oberförster Kröning in Ottrau erkundigt, ob diese Befürchtung zutreffe. Dessen Meinung war: „Die Bäume auf dem Bechtelsberg sind im Laufe ihrer Wachstumszeit so stark verwurzelt, dass mit Sturmschäden kaum zu rechnen ist.“ Somit waren die Argumente gegenstandslos geworden und in der am 2. März 1970 einberufenen Sitzung stimmte die Vertretung dem Antrag des Sportvereins auf Anlegung einer Skipiste auf dem Bechtelsberg einstimmig zu. Allerdings sollte jeder Baum, der gefällt werden musste, mit einem Bindfaden markiert werden, was bei einigen Vertretern und auch Zuschauern mit einem Schmunzeln quittiert wurde. Kröning markierte die Bäume, die der Motorsäge zum Opfer fallen sollten. Somit war der Weg frei und die freiwilligen Helfer konnten zum Einsatz kommen.

Die Bäume wurden von Mitgliedern des Sportvereins gefällt und mit Schleppern hoch gezogen. Der Fuhrunternehmer Heinrich Fieser transportierte mit Schlepper und Seilwinde die Stöcke bergauf und Konrad Kaufmann schaffte sie mit seinem Hanomag mit Frontlader in den in der Nähe liegenden und seit fünfzehn Jahren stillgelegten Steinbruch. Zum Frühstück saßen alle um ein zünftiges Feuer herum, das von Rudolf Walther entfacht worden war und hatten eine interessante Unterhaltung. Heinrich Fieser, geplagt von Asthma, war gegen Rauch allergisch, saß bei der kalten Witterung aber auch dicht an der wärmenden Flamme und schien hier von dem Rauch unbeeindruckt, bis er plötzlich beim Tännche Kurt Quehl entdeckte, der den Rain bei seiner Feldhalle angezündet hatte. Fieser wurde ganz aufgeregt, fing an zu schimpfen und zu husten, schwang sich auf seinen Schlepper, führ runter zu Quehl und machte dem die heftigsten Vorwürfe wegen des Rauches, der bei ihm Husten und Atemnot verursache. Das Frühstücksfeuer hatte ihm jedoch nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitet. Auch abends im Gambrinus, bei einer kleinen Nachfeier schien ihn der Zigarettenrauch nicht zu stören. Es fanden sich noch zahlreiche Freunde des Wintersports ein zum Planieren der Piste. Nun wurde mit Sehnsucht der erste Schnee erwartet, um eine erste Abfahrt zu riskieren. Es folgten einige Wintersportveranstaltungen des Vereins, die keine Ausgaben verursachten aber beachtlichen Einnahmen brachten, was auch die letzten Kritiker von den Vorteilen der Anlage überzeugte. Heinrich Wagner hatte mit Schlepper und Seilzug einen Aufzug erstellt, was den Skifans das mühsame Aufsteigen ersparte. An den Skifesten nahmen auch viele Freunde des Wintersports aus der näheren Umgebung teil; so war der Bechtelsberg für einige schneereiche Winter zum beliebten Ausflugsziel geworden.

Was noch fehlte, war eine Skihütte, um bei Veranstaltungen allen Besuchern Speisen und Getränke anbieten zu können. Kaufmann sprach mit dem zuständigen Forstbeamten, der darauf aufmerksam machte, dass solche Baulichkeiten in der freien Natur nicht gestattet seien und einer Genehmigung bedürften. Doch er ließ durchblicken, dass er von nichts wisse und auch nichts gesehen habe. So war der Weg frei, das Projekt in Angriff zu nehmen. Hier war wieder die einheimische Firma Loos gefragt, mit Kompressor und Mischmaschine auszuhelfen, um das Fundament zu erstellen. Das geschah an einem Samstag, an dem nachmittags etwa zehn Zentimeter Schnee fielen. Gegen Abend klarte der Himmel auf und die Nacht brachte 10 Minusgrade, eine glückliche Fügung für den Erfolg der Bauarbeiten. Die Hütte wurde auch ohne vorherige Planung – ähnlich wie das Sportheim – aufgestellt. Das Sägewerk Stork in Vockenrod hatte das Holz geschnitten, das an zwei Seiten abgeschrägt war. Die Anlieferung erfolgte bei nasskalter Witterung mit einem Unimog, der aber die letzten 300 m zur Baustelle nicht schaffte. Der Fahrer kippte schließlich die Ladung in der Wiesenfläche ab. Kaufmann führ dann das gesamte Material mit seinem Hanomag einzeln hoch. Unter der Leitung von Zimmermann Konrad Schenk ging es nun ans Werk. Zunächst waren einige Helfer mit der Entfernung der Rinde beschäftigt. Der Fachmann übernahm die Eckverbindungen; so wuchs der Bau nach und nach zu einer ansehnlichen Blockhütte. Die Richtfestfeier wurde natürlich nicht vergessen. Zur Einweihung am 17. Juni 1977 konnte Ortsvorsteher Kaufmann den Männergesangverein, sowie Vertreter der Stadt Alsfeld, die das Material zur Verfügung gestellt hatte, willkommen heißen. Alle Arbeiten erfolgten in Berfaer Eigenleistung. Ritter Hänns baute einen Grill in die Mitte des Raumes. Ein Abzugstrichter mit Rohr wurde installiert. Nun konnte die Grillhütte ihrer Bestimmung übergeben werden. Sie wurde Ausflugsziel für viele Freunde des Bechtelsberges. Schulklassen, Vereine, Familien und Privatgruppen feierten auf dem schönen idyllischen Platz manches Fest. Nicht immer wurde er so verlassen, wie es erwünscht war.

Doch damit sollte das Kapitel Skihütte noch nicht beendet sein. Der Bechtelsberg, nach der Eingemeindung nunmehr Stadtwald geworden, unterlag der Aufsicht des Forstamtes Alsfeld. Bei einer, mit mehreren Forstbeamten und dem Magistrat der Stadt, durchgeführten Besichtigung herrschte der Oberforstrat den zuständigen Förster an: „Herr.., hier steht ja ein Haus, wie kommt denn das dahin?“ Der gab zur Antwort: „Ich bin nicht jeden Tag hier oben – nur sehr selten – und weiß doch nicht, was da alles geschieht!“ Am Tag darauf rief der Erste Stadtrat den Ortsvorsteher an: „Konrad, auf dem Bechtelsberg die Hütte, wer hat denn die gebaut?“ Kaufmann. „Die hat der Sportverein errichtet, das weißt Du doch“. „Ja, aber wem gehört denn die?“ Kaufmann: „Die gehört Dir!“ „Wieso denn das?“ Kaufmann: „Jedes Gebäude gehört dem jeweiligen Grundstückseigentümer, das steht doch im Bürgerlichen Gesetzbuch, und der Eigentümer des Grundstücks ist die Stadt Alsfeld, also gehört die Hütte Dir!“ „Ja, da liegt doch gar keine Zeichnung vor!“ Kaufmann: „Dann lass doch eine machen.

Aber es rührte sich zunächst nichts, bis im Frühjahr 1999 der Ortsvorsteher vom Kreisbauamt aufgefordert wurde, die Hütte abbrechen zu lassen, da Grillhütten im Wald nicht erlaubt seien. Nach längeren Verhandlungen mit dem zuständigen Sachbearbeiter einigte man sich, den Grill in der Hütte zu entfernen, dann könne sie als Schutzhütte für Wanderer weiter zur Verfügung stehen. 1997 haben zwei Ski- und Wanderfreunde die Hütte gestrichen und das Dach mit Teerpappe neu gedeckt.

Erstveröffentlichung:

Konrad Kaufmann, Die Skipiste am Bechtelsberg, in: Magistrat der Stadt Alsfeld (Hrsg.): Alsfeld und seine Stadtteile (Band 12), Berfa, Alsfeld 2007, S. 450-452.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihm genehmigt.

[Stand: 05.04.2024]