Walpurgisnacht – Die Hexen vom Bechtelsberg

Von Konrad Kaufmann, Berfa (2007)

Zu Walpurgis zünden die jungen Burschen aus Berfa auf dem Bechtelsberg einen großen aufgestapelten Holzstoß an, der in heutiger Zeit als Maifeuer bezeichnet wird. Dieses Brauchtum des Maifeuers hat seinen Ursprung in heidnischer Zeit. Der Bechtelsberg war einst ein heiliger Berg, eine Kultstätte. Hier verehrten unsere Vorfahren in vorchristlicher Zeit die Göttin Berchta, die nach Ansicht der deutschen Altertumskunde eine Art Frau Holle war. Sie war die Führerin der Berchten, d.h. der Verborgenen, im Schoß der Erde lebenden Seelen der Toten. Mit den Seelen verstorbener Kinder fuhr sie in den zwölf heiligen Nächten, vom 25. Dezember bis zum 6. Januar dem Berchtenabend – mit großem Ungestüm durch die Lüfte und es hieß dann die wilde Berchta zeige sich wieder. In dieser Zeit besuchte sie auch die Spinnstuben und bestrafte die faulen Spinnerinnen. Doch hatte Berchta auch eine freundliche Seite. So war sie die Göttin der Fruchtbarkeit, ließ die Ackerfrüchte und das Vieh gedeihen. Wenn der Nebel über Feld und Flur zog, so glaubten die Menschen, Frau Berchta im langen weißen Schleier über die Erde schweben zu sehen. Dieser Göttin diente das Volk der Umgebung. An sie richteten unsere Vorfahren ihre Gebete, ihr brachten sie ihre Opfer, auf ihre Hilfe und Zuneigung hofften sie.

Ihre Wohnung war im Inneren des Berges, der Ein- und Ausgang zu ihrem unterirdischen Schlosse eine trichterförmige Vertiefung auf der höchsten Erhebung des Berges, die heute in der Bevölkerung als Hexenkaute bekannt ist. Auf dem nahe gelegenen Basaltkegel – der Rumpelskuppe – glaubte man das unterirdische Treiben mit Getöse und Donnergrollen aus der Tiefe des Berges herauf dringen zu hören. Die Wallfahrten der Frauen aus der Umgebung zum heiligen Berg fanden mit der Einführung des christlichen Glaubens ihr Ende. Nach der Christianisierung wurde die Berchta als Hexe verdammt und der Eingang zu ihrem Schloss zur Hexenkaute umbenannt. Dort versammeln sich zu Walpurgis – so erzählt die Sage – die Hexen aus den umliegenden Orten auf dem Bechtelsberg, um mit ihrem Meister – dem mit dem Pferdefuß – zu feiern. Punkt zwölf Uhr kommen sie auf einem stumpfen Besen oder auf einem schwarzen Hahn mit ohrenbetäubendem Lärm durch die Luft geritten, um mit dem Teufel zu tanzen, zu lärmen und allerlei Unfug zu treiben. Wer zu spät erscheint oder beim Tanzen einen Fehltritt macht, erhält eine kräftige Portion Besenhiebe. Dazu stimmen alle Versammelten ein höllisches Gelächter an. Es wird getanzt bis zur Erschöpfung. Der Meister hat inzwischen eine Mahlzeit zubereitet. Was davon übrig bleibt, wird als Wegzehrung für die Heimfahrt eingepackt. Alle Teilnehmer wünschen sich ein fröhliches Wiedersehen im nächsten Jahr und dann verschwindet der ganze Hexenspuk wieder durch die Luft. So feiern die Hexen die Walpurgisnacht auf dem hessischen Blocksberg bei Berfa.

Die Frau des Schmiedes

Die Geschichte dieser aus Berfa, die eine Hexe war, erzählt ebenfalls von dem Treiben zu Walpurgis. Der Schmied, der von der unheimlichen Verwandlung seiner Frau zu besagter Stunde wusste, versuchte, sie von der Zusammenkunft mit den bösen Gesellen abzuhalten. Er ging am späten Abend noch in die Schmiede zum Arbeiten und ließ seine Frau den Blasebalg ziehen, um das Schmiedefeuer am Brennen zu halten. Als die Turmuhr zwölf schlug, stand statt seinem Weib ein Bündel Stroh da. Wutentbrannt hielt er das glühende Eisen daran, doch er besann sich rasch und löschte das brennende Stroh schnell wieder. Am nächsten Morgen lag seine Frau jammernd im Bett und hatte nur noch einen Arm. So wie in dieser Geschichte leben noch heute Motive aus vorchristlicher Zeit in Form von Sagen und Bräuchen weiter. Der Aberglaube war bei den Menschen in den Ortschaften um den Bechtelsberg besonders tief verwurzelt. So durfte man auf Walpurgis keine Feldarbeit verrichten, ebenfalls kein Brot backen, da sonst das Glück und der Segen verwehrt blieben. Der sagenumwobene Bechtelsberg galt für den bekannten hessischen Geschichtsforscher Landau als der hessische Blocksberg. Ein alter Brauch, das Hexenschnappen zu Walpurgis, hatte sich in Berfa noch bis zum Zweiten Weltkrieg erhalten. Die jungen Männer zogen mit kräftigem Peitschenknallen durch den Ort und deuteten damit die Vertreibung von Hexen und bösen Geistern an. Das heidnische Treiben wurde von der Kirche scharf verurteilt. So geht aus einer Kirchenrechnung vor 300 Jahren hervor, dass einige Burschen aus einem Nachbardorf mit einer Geldstrafe belegt wurden, weil sie an Walpurgis, es war ein Sonntagabend, mit Geißelplatzen einem fremden Gott einen Dienst erwiesen hätten. Die Strafe beruhte auf der Ref. Ord. von 1656. Nach Kapitel 8, § 5 sind „alle leichtfertige Üppigkeiten, so nach heidnischer Weise zu Fastnacht, Walpurgis, Pfingsten, Johannistag und anderer Zeit, mehr durchs Jahr vom gemeinen Mann geübt und vorgenommen werden“, verboten.

Doch Strafen und strenge Verordnungen haben den alten Brauch nicht ausrotten können, der ehemals Verehrung und Huldigung der heiligen Berchta war und erst in christlicher Zeit als Hexenaustreibung interpretiert wurde. In heutiger Zeit gehen viele alte Sitten, Bräuche und Überlieferungen verloren oder laufen Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. So ist es erfreulich, dass einige dieser alten Sitten von der jungen Generation weiter gepflegt wird, wenn auch für sie der Ursprung und die Quelle im Dunkel liegen.

Wie die Bezeichnung Walpurgisnacht entstand

In der Nacht zum 1. Mai fliegen die Hexen zum Blocksberg, um mit Geistern und Teufeln zu feiern und Menschen zu verzaubern. In dieser Zeit soll es für Geister und Elfen besonders leicht sein, aus ihrer Sphäre in die Welt der Menschen zu dringen. Schon die Germanen hießen den Frühling beim Beltane-Fest mit Freudenfeuern, Liedern und Tänzen willkommen und besuchten die Hagszissen, die weißen Frauen, die in heiligen Hainen (germanisch Hag) saßen, um sie nach der Zukunft zu befragen. Mit Beginn der Christianisierung war es mit derart heidnischem Tun natürlich vorbei. Allerdings wollte der Volksglaube von seinem Frühlingsfest nicht lassen. Deshalb deutete die Kirche die Freudenfeiern zu Treffen finsterer Mächte um. Aus den guten Geistern der Kelten, wie aus den germanischen Hagszissen machte die Kirche die Hexen, denen fortan nachgesagt wurde, nur bösen Zauber zu treiben und mit dem Teufel im Bunde zu sein. Zum Schutz vor ihnen bot die Kirche die am Mai heilig gesprochene Walburga an, nach der die Walpurgisnacht ihren Namen erhalten hat. Was die Hexen bei ihren geheimen Treffen wohl trieben, stachelte fortan die Fantasie der Menschen an. Beichtbücher, Dichtung und Holzschnitte malen sich seit dem Mittelalter aus, wie zügellose wilde Weiber vorzugsweise in Wäldern und auf den Bergen beim Tanz um das Walpurgisfeuer des Teufels Hintern küssen, die Besen verführerisch zwischen die nackten Schenkel geklemmt. Zugleich fürchtet man die magischen Kräfte, eine Furcht, die letztlich die grausamen Hexenverfolgungen nach sich zog. Trotzdem wurde in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai weiter um das Feuer getanzt – nur galt dies jetzt als Abwehrmaßnahme gegen die Hexen.

Walburga, die Namenspatronin der Walpurgisnacht, war Missionarin, Äbtissin und eine gelehrte Frau. Um 710 in England geboren, wirkte sie vor allem im heidnischen Deutschland. Um 779 starb Walburga, die in ihrem Leben einige Wunder vollbracht haben soll. Mit Hexen hatte Walburga zu Lebzeiten nie etwas zu schaffen. Erst als sie am 1. Mai 867 von Papst Hadrian II. heilig gesprochen wurde, verquickte sich der Volksglaube mit Walburgas Wundertaten und schließlich erhielt die Nacht auf den 1. Mai den Namen Walpurgisnacht.

Erstveröffentlichung:

Konrad Kaufmann, Walpurgisnacht – Die Hexen vom Bechtelsberg, in: Magistrat der Stadt Alsfeld (Hrsg.): Alsfeld und seine Stadtteile (Band 12), Berfa, Alsfeld 2007, S. 330-331.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
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[Stand: 06.04.2024]