Zur Geschichte Liederbachs

Von Dr. Herbert Jäkel, Alsfeld (1994)

Lage und Landschaft

Das Dorf Liederbach – seit der Gebietsreform 1972 ein Stadtteil von Alsfeld – liegt südwestlich der Stadt nur wenige Kilometer entfernt, 295 m ü.d.M. und zählt 533 Einwohner (Juli 1993). Das locker bebaute Haufendorf, das seit jeher auf eine eigene Kirche im Dorfzentrum verzichten musste, ist eine bäuerlich-gewerbliche Mischgemeinde mit einem inzwischen starken Anteil an rein städtisch ausgerichteter Wohnbebauung, die vor allem am Südhang des Holzberges entstanden ist.

Liederbach
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Der dörfliche Siedlungskern hat sich abseits großer Handelsstraßen am gleichnamigen Bach längs der Hauptdorfstraße – heute Merschröder Straße – in beide Richtungen entwickelt mit einigen Schwerpunkten von Hofanlagen in den Fluren „Der Hof“, „Im Raabgarten“, „Am Dorf“, beim „Eisenhäuschengarten“ und „Am Thoracker“. Dörflicher Mittelpunkt scheint aber das Dreieck gewesen zu sein, wo die Gemeindehäuser – die alte Schule und das Backhaus – standen, durch den Bach deutlich getrennt von der einstigen adligen Burganlage der Herren von Liederbach.

Das in der Niederung des Liederbachs liegende Dorf ist eingebettet zwischen den nördlichen Ausläufern des Vogelsberges mit den aus Basalt aufgebauten Höhenzügen des Häuscheskopfs (414,9 m), des Baumgartskopfs (423,2 m) und des Gänsbergs (364,5 m) im Osten, der Rabenstruth (380,5 m) und dem Romröder Berg (350 m) im Westen. Als markanter Landschaftsteil wird ein weiterer in der Mitte der Gemarkung verlaufender Höhenrücken von der Heidenkammer (374 m) über den Hainberg (340,2 m), zuletzt steil abfallend bis fast an das Dorf, von den beiden lieblichen Tälchen des Krebsbachs und des Liederbachs eingeschlossen.

Während der Krebsbach von der Heidenkammer und vom Junkersgrund beim Merschröder Teich her kommt, entspringt der Liederbach im quellenreichen Oberröder Grund – der lokalen Vorstellung nach aus der Quelle unterhalb Oberrods – mit Zulauf aus der Grünau oberhalb des schmalen Wiesentals, in dem auf einer kleinen Anhöhe das einsam gelegene Kirchlein von Oberrod aufragt, fließt weiter durch den namengebenden Ort und wurde nördlich von Liederbach im Jahre 1350 mit Iandgräflicher Genehmigung in ein neues Bett zum Nutzen der Alsfelder Bürger nach Alsfeld umgeleitet. Um diesen Liederbach, der nach hiesigem Sprachgebrauch „Die Lärrebach“ genannt wird, ranken sich manche Geschichtchen.

Gemarkung und Flurnamen

Liederbach besitzt eine 725 ha große Gemarkung, begrenzt von den Nachbargemeinden Alsfeld, Altenburg, Hopfgarten, Strebendorf, Romrod und Leusel. Davon entfallen über 300 ha allein auf den Wald, der vor allem die genannten Höhenrücken mit den z.T. steilen Abhängen im Süden und Westen einnimmt. Längs der beiden Bäche erstreckt sich natürliches Grünland, während die mit Löß bedeckten offenen Flächen zum Alsfelder Becken hin als Ackerland genutzt werden.

Nach der Parzellenkarte der Gemarkung Liederbach aus dem Jahre 1849 umfassten die Hofflächen 7 Morgen, die Gärten 25,3 Morgen, das Ackerfeld 921,5 Morgen, die Wiesen 508,9 Morgen, der Wald 1317,8 Morgen, die Wege, Bäche usw. 118,1 Morgen, die gesamte Gemarkung somit 2898,8 Großherzoglich Hessische Morgen.

Aus dem im gleichen Jahr angelegten Grundbuch der Gemeinde Liederbach wurden die folgenden Flurnamen in ihrer damaligen Schreibweise entnommen und nach Sachzusammenhängen gegliedert:

a) Hof, Oberhof, Riedhof, Am Kirchhof;

b) Im Bruchgarten, Im Raabgarten, Im Steinbügelsgarten, Eisenhäuschengarten, Sieggarten (Siechgarten), Brumbelsgärten, Im Neuengarten, Am Berggarten, Im Biengarten, Im Lotzengarten, Der Sämenlappen;

c) Im Steinbügelsfeld, Burgfeld, Im Hübelfeld, Galgenfeld, Im Holzbergfeld im Loch, Im Hainbergfeld, Im Poppenfeld;

d) Am Thoracker, Am Langengartenacker, Die Rainäcker, Die Leimenäcker. Die krummen Äcker, Burgwiesenacker, Siegacker (Siechacker), Am Schwarzacker, Zollacker. Trieschacker, Am Kreuzacker, Reichacker, Mergenacker;

e) Die Viehwiese, Die Gänswiese, An der Seemenwiese, Huhnbachswiesen, An der Langwiese, Die Riedwiese, Die Teichwiese, Bienwiese, Walterswiese, Heidtwiesen, Mergenwiese, Gänshuth, Die Huth, Der Kuhstriemen, Katzentriesch, Bockstriesch;

f) Vor dem Berg bei den Gallen, Vor dem Hainberg, Der Hainberg, Vor dem Gänsberg, Am Holtzberg, Im Berg, Am Rödenberg, Vor dem Poppenberg, Am Geräusch; [Seite 10]

g) Ottersbach, Adersbach, Am Teich, Am Graben, Die Gall;

h) Im Oberröder Grund, Im Lingengrund, Im Loch, Im Grund, In der Grünau, Im Dietenrödergrund, Am Bruch;

i) Leusler Wald, Oberröder Wald;

j) An der Hohl, Am obersten Hohlweg, Am Billertshäuser Pfad, An der Chaussee, Im Berg an der Chaussee, Am Hohlweg;

k) Sieggarten (Siechgarten), Oberrod, Nonnenstück, Oberröder Wald, Am Kirchhof, Oberröder Grund, Pfaffenleid;

l) In der Heidenkammer, Galgenfeld, Eisenhäuschengarten.

Name

Das Dorf Liederbach ist nach dem gleichnamigen Bach benannt worden. Der Name bedeutet „der rauschende Bach“ [1]. Er taucht erstmals auf in einem um 1160 aufgeschriebenen Verzeichnis für eine Grenzbeschreibung des Zehntgebietes der Kirche von Schlitz, datiert 812, bzw. des Zeller Kirchengebiets, datiert 825. Der im Codex des Fuldaer Mönches Eberhard erwähnte Name lautet „Liderbach“. Nach der Auflösung der Grenzbeschreibungen nach Haas werden als Grenzpunkte noch der Hainberg („Hegeneberc“) und die unter dem Namen „Gleichen Hügeln“ („Glihenbuchelen“) gemeinten Baumgartskopf und Häuscheskopf genannt [2].

Obwohl nach der Endung des Ortsnamens auf -bach mit der Entstehung der Siedlung in der Zeit der Landnahme und des Landausbaus im 8. und 9. Jahrhundert zu rechnen ist, bleibt es unklar, ob sich der für die Jahre 812 bzw. 825 belegte Name auf den Ort oder auf den Bach bezieht. Wahrscheinlich ist der Name des Ortes vom Namen des Baches abgeleitet.

Bronzezeitliche Besiedlung

Im Gegensatz zu der Landnahme- und Landausbauzeit des frühen Mittelalters waren bereits in der Bronzezeit (2000-1100 v.Chr.) die Höhenrücken um Liederbach besiedelt gewesen, wie die zahlreichen Hügelgräber und Hauspodeste belegen. Diesen vorgeschichtlichen Zeitabschnitt hat man nach der Bestattungsform für die Toten und nach dem Material ihrer Werkzeuge und Waffen die Hügelgräberbronzezeit benannt. Allein 16 Hügelgräber konnten in der Gemarkung Liederbach festgestellt werden [3]. Sie befinden sich in einer Höhenlage von über 300 m ü.d.M. und gruppieren sich vor allem auf dem Bockstriesch. Als Einzelgräber sind sie auch auf dem Romröder Berg und auf dem Hainberg anzutreffen. Als Bodendenkmäler stehen sie unter dem Denkmalschutzgesetz. Leider sind bereits mehrere Hügelgräber abgetragen bzw. zerstört worden. Sie geben Auskunft über das Leben jener Bewohner der damals meist waldfreien Höhenrücken, auf denen sie Viehhaltung trieben und der Jagd nachgingen. Die an den Hängen unter heutiger Waldbedeckung erkennbaren Ackerterrassen stammen allerdings erst aus dem Mittelalter.

Die Herren von Liederbach

Die Geschichte des Dorfes Liederbach war vom 13. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts stark verbunden mit der Geschichte der Herren von Liederbach. Dieses Adelsgeschlecht hatte sich im Talgrund des Liederbachs eine Burg errichtet, die man der lokalen Tradition nach im sog. Engelhardschen Hof lokalisiert, wo auch noch ein Teich vorhanden ist und aus dem man auf eine Wasserburg schließen könnte. Nach Wagner, der für diese Familie 64 Urkunden aus der Zeit von 1236 bis 1624 zusammengetragen hat, weist das Wappen der Liederbach, das im gespaltenen roten Schild vorn einen halben goldenen Adler am Spalt, hinten zwei silberne Balken, auf dem Helm zwei (Hirsch-)Hörner zeigt, große Ähnlichkeit mit den Wappen derer von Ehringshausen, Gleimenhain, Ruze, Wahlen und Hertingshausen auf. Dies rückt die Familie in die Nähe freier Reichsritter [4].

Wappen der Herren von Liederbach

1236 wurde mit Godefridus de Liderbach, der als „miles“ bezeichnet wird, erstmals das Geschlecht urkundlich erwähnt, ebenso 1245. Eckehardus de Liderbach war 1259 Burgmann in Alsfeld. 1263 schenkten Ritter Eckehard von Liederbach und seine Gattin Gertrude ihre Güter zu Alsfeld, Liederbach, Dirsrode, Vockenrod, Ehringshausen, Wolfhain und Lichtenscheid dem Deutschen Orden in Marburg. Damit scheinen die Herren von Liederbach im 13. Jahrhundert Inhaber von Gericht, Zwing und Bann über Liederbach, Dirsrod und Alsfeld sowie über Ehringshausen, ferner im Norden über Vockenrod und im Süden im hohen Vogelsberg über Wolfhain und Lichtenscheid [Seite 11] gewesen zu sein. Sie stellten die Burgmannen zu Alsfeld, wie 1283 Conrad und 1296 Berthold von Liederbach. Werner von Liederbach erscheint 1299 als Landkomtur der Deutsch- Ordens-Ballei Hessen.

Die Urkunden lassen erkennen, dass die Liederbach großen Besitz und zahlreiche Rechte besaßen. 1332 verzichtete Ludwig von Liederbach auf Güter zu Appenrod. 1366 hatte Dietmar von Liederbach seinen Wohnsitz auf Altenburg. 1367 empfing Hermann von Liederbach als Lehen Haus, Scheuer und Garten zum Haus zu Altenburg, Geld, ein Haus zu Alsfeld an der Mainzer Pforte und den halben Zehnten zu Ryperade, der von Romrod zu Lehen ging.

1371 erhielten die Herren von Liederbach einen Finkischen Teil des Gerichts Schwarz; 1450 besaßen sie ein Viertel des Gerichts. Landgraf Hermann von Hessen versetzte 1377 das Gericht auf dem Hoyge (Hougk) vor Alsfeld um 600 Schillinge Tornos an Dietmar von Liederbach wegen dessen Forderungen aus dem Solms’schen Krieg. Dieser hatte das Gericht auf dem Hougk schon während des Sternerkrieges (1371-1374) inne. 1383 war Hermann von Liederbach Burgmann zu Altenburg.

1417 empfing Henne von Liederbach zu Burglehen ein Haus zu Alsfeld bei dem Mainzer Tor, 3 Mk Pfg. aus dem Gericht zu Heidelbach, eine Hofstatt zu Romrod in der Burg und im Tal. 1423 besaß Henne von Liederbach den halben Zehnten zu Habbertshausen, Kemnadenberg und Ober-Gleen vom Grafen Johann II. von Ziegenhain. 1455 erhielten Dietmar, Werner und Eckhard von Liederbach den romrodischen Teil am Gericht zu Schwarz, Köhlberg, Rainrod und Brauerschwend als Pfandschaft. 1490 kam das Gericht Schwarz durch Anna an deren Gatten Eberhard von Merlau.

Gottschalk der Jüngere von Liederbach war 1472-1506 Burgmann zu Alsfeld. Auch Hermann von Liederbach war Burgmann zu Alsfeld und Altenburg. Er verkaufte 1535 seine Behausung mit allem Zubehör in der Mainzer Gasse zu Alsfeld, die er vom Landgrafen zu Lehen trug, an Thoma von Offenbach und Margarethe von Urff.

Stam von Liederbach wurde 1585 zum Küchenmeister des Landgrafen Ludwig d. Ä. bestellt. 1598 erscheint er als Oberforstmeister am Vogelsberg, als ihm die Stadt Alsfeld einen vergoldeten Becher im Werte von 22 Gulden „auf seinen Tanz“ verehrte. Er war Burgmann zu Alsfeld und Altenburg und Oberforstmeister am Vogelsberg. Er verstarb am 18. März 1605 in Alsfeld ohne männliche Nachkommen. Mit dem Tod des ledigen Klosterbruders Johann von Liederbach, Komtur zu Schiffenberg, am 2. September 1624 erlosch das Geschlecht der Herren von Liederbach im Mannesstamm.

Nach Wagner hatten die von Liederbach folgende Lehen besessen: als ziegenhainische Lehen: die Zehnten zu Vockenrod, Hermannshain, Brückendorf bei Ruhlkirchen, Widdelbach bei Neustadt, 3 Pfund aus dem Forst bei Allendorf und den halben Zehnten zu Habbertshausen, Kemnadenberg und Ober-Gleen; als hessisches Lehen: das Burglehen auf der Burg Altenburg, ein Haus zu Alsfeld, das Kirchenlehen und den Hof zu Holzburg, 18 Tornos zu Forst und ein Gütchen zu Heidelbach, das halbe Gericht zu Schwarz und 3 fl. Geldes zu Willingshausen und den Burgsitz und die Hofreite zu Altenburg, die von denen von Lehrbach heimgefallen war.

Noch 1574 gab es den freien Burgsitz samt dazu gehörigen Äckern, Wiesen, Gärten und anderem in und vor Liederbach, den Emmerichs von Liederbach sel. Geschwister geerbt hatten. Dieser Burgsitz und die Güter waren frei und eigen. Allerdings wird bereits im Dorfbuch von 1630 nicht mehr von adligen Gütern in Liederbach berichtet [5].

Über das weitere Schicksal der Burg von Liederbach und der adligen Besitzungen ist nichts bekannt. Erst aus einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1802 geht hervor, dass der Premierleutnant Friedrich von Gilsa dem Fürstlichen Schultheißen J. H. Keudel den Hof zu Liederbach verkauft habe. Nach dem Grundbuch von 1849 ist Heinrich Keudel der Besitzer der Hofreite und des Teiches, wo man die alte Wasserburg der Herren von Liederbach lokalisiert.

Die Kirche von Oberrod

Liederbach hatte nie eine eigene Kirche im Dorf, sie befindet sich vielmehr südlich von Liederbach auf einem kleinen Sporn, der sich in das zwischen bewaldeten Höhenzügen eingebettete Tälchen hineinschiebt und auf dem das idyllisch gelegene Waldkirchlein von Oberrod wegen seines altertümlichen Aussehens auf ein hohes Alter schließen lässt. Die Kirche ist von einem kreisförmig ummauerten Friedhof umgeben sowie von einem alten Baumbestand von Linden und Eichen, unter denen die sog. Bonifatius-Linde die Überlieferung wachhält, dass diese Kultstätte eine Gründung des Bonifatius darstelle.

Die Kirche in Oberrod
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Unter Bonifatius fand die Missionierung und der Aufbau der kirchlichen Organisation unter dem Schutz der Merowinger von den Missionsmittelpunkten Amöneburg (721) und Fulda (744) [Seite 12] aus auch in unserem Gebiet statt. Fuldaer Besitzrechte wurden bereits in den Grenzbeschreibungen des 9. Jahrhunderts genannt, wobei zu den Zehntgebieten der Kirche von Schlitz und Zell auch als Grenzpunkt Liederbach, wahrscheinlich der Bach, aufgezählt wurde. Oberrod liegt etwa auf einer Verbindungslinie zwischen Amöneburg und Fulda. Die Kirche von Oberrod, zu der Liederbach, Nieder-Breidenbach und ursprünglich Romrod gehörten, zählte nach dem Synodalregister aus dem Spätmittelalter zur Sedes Kirtorf, diese zum Dekanat Amöneburg des Archidiakonates von St. Stephan in Mainz [6].

Oberrod, dessen Name als höher gelegene Siedlung auf durch Rodung urbar gemachtem Land zu deuten ist, ist eine Teilwüstung. Erhalten blieb von der eigentlich erst in der Rodungsperiode des Mittelalters entstandenen Siedlung lediglich die Kirche sowie das zugehörige Wirtschafts- und Wohngebäude des Küsters.

Erst im Jahre 1272 wird Oberrod urkundlich durch einen Henricus clericus de Oberrade erwähnt, 1278 durch den Pleban Henricus. Als Patrone der Kirche erscheinen 1337 Friedrich von Herzberg und Ludwig von Romrod. Diese waren machtvolle Ritter und hatten damals die Kapelle in ihrer Burg Romrod von der Pfarrei Oberrod abgelöst, bei der die Gemeinden Liederbach und Nieder-Breidenbach blieben.

In reformatorischer Zeit wirkten in Oberrod Nikolaus Hultscher aus Alsfeld (1526-1555) und Urbanus Bauer 1568 als Pfarrer. In den 80erJahren des 16. Jahrhunderts wurde die Pfarrei Oberrod zusammen mit den Filialen Nieder-Breidenbach und Liederbach mit Romrod verbunden. Im 17. Jahrhundert verlor Oberrod sein Pfarrecht [7].

Die im Kern mittelalterliche Kirche, vielleicht aus dem 13. Jahrhundert, war mit ihren gewaltigen Stützmauern ursprünglich eine Saalkirche, die querhausartig nach Norden zur T-Form erweitert wurde. Sie wurde 1773 erneuert und 1966 restauriert. Sie besitzt über dem Westeingang einen Haubendachreiter, in dem zwei Glocken aus vorreformatorischer Zeit hängen [8].

Die größere Glocke, 56 cm Durchmesser und 45 cm hoch, scheint nach den Schriftzügen die ältere zu sein und weist auf beiden Seiten nicht mehr gut erkennbare Reliefdarstellungen auf. Das Schriftband aus hohen gotischen Buchstaben lautet: „awe mariia graccia plena“. Die kleinere Glocke, 49 cm Durchmesser und 40 cm hoch, hat auf der einen Seite ein Reliefband mit der Grablegung Christi und eine eingegossene, 2 cm im Durchmesser große Münze. Die gotischen Buchstaben 12 des Schriftbandes lauten ebenfalls „Ave + maria + graccia + plena“ [9].

Die 1966 wiederhergestellte Kirche zeigt im Innern eine freundliche Raumwirkung. In der Mitte der südlichen Langseite befindet sich nunmehr der Altarplatz, gegenüber die umlaufende Empore. Spätgotisch sind der Taufstein mit reichem Astschlingenwerk und der Kruzifixus. Die Kanzel stammt vom Anfang des 16. Jahrhunderts und besitzt Barockprofile. Das Luther-Bildnis ist aus volkstümlichen Gründen interessant. Es stammt aus dem Jahre 1818 von Heinrich Hisgen und hat Ähnlichkeit mit Darstellungen in zeitgenössischen Gesangbüchern [10].

Auf dem alten Friedhof vor der Kirche sind noch neun historische Grabsteine aus der Zeit von 1582 bis 1834 erhalten. Sie sind leider meist sehr stark verwittert. Eine Vielzahl von kleineren Namensplatten erinnern an die am 30. März 1945 bei Liederbach und Alsfeld gefallenen, meist 16- und 17-jährigen Soldaten, die hier ihre letzte Ruhestätte beim Ehrenmal für die Gefallenen der Kriege erhalten haben.

Neben dem Friedhof steht ein Fachwerkgehöft von 1808, das den Vogelsberger Haustyp darstellt. Nach der Inschrift wurde das Gehöft zunächst in Altenburg errichtet: „Dieser Bau ist mit Gottes hilf und Beistand durch Christoph Steuernagel und seine ehliche Hausfrau Anna Catharina Altenburg den 29. Juniy 1808.“ Eine weitere Inschrift lautet: „Meine hoffnung stehet feste auf dem lebendigen Gott er ist mir der allerbeste der mir beisteht in der noth Er allein soll es seyn den ich mir von Herzen wünsch.“

Liederbach im Jahre 1574

Als in der Landgrafschaft Hessen-Marburg die Salbücher im Sinne einer landesherrlichen Bestandsaufnahme angelegt wurden, kamen im Jahre 1574 Rentmeister und Rentschreiber auch nach Liederbach, das zum Amt Romrod gehörte [11]. Als die „Vornehmsten, Aufrichtigsten und Verständigsten“ sagten Cloß und Heintz Hiltmann und Cuntz Koler aus, welche Rechte der Landesherr und andere im Dorf hatten und welche Pflichten auf den Bewohnern lasteten.

Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Namen der Bewohner genannt. Es hatten damals in Liederbach Pflüge: die Ackermänner Caspar Bindewaldt, Cloß Hiltmann, Heintz Hiltmann, Cloß Karnn, Henn Karnn, Curt Obermann. Heintz [Seite 13] Obermann und Caspar Rabe sowie die Einläuftige Heintz Fuchs, Naw Gela, Heyntz Gielß, Jost Kesseler, Cuntz Koeler und Anna Roerich Steppers Witwe. Aus diesen 14 Namen lässt sich eine Einwohnerzahl von 60 bis 65 Personen errechnen.

Die genannten Einwohner waren verpflichtet, „auf Erfordern des Landgrafen oder seiner Amtleute zu Alsfeld“ in- und außerhalb des Landes „in Heerzügen oder sonst fahrende und Handdienste“ zu leisten.

Dem Landesherrn hatte das Dorf jährlich 5 fI zu 27 alb Altdienstgeld sowie ,,20 fI für die Holzfahrt“ und ,,40 fI für den Ackerdienst“ an Neudienstgeld zu geben. Das Dienstgeld war eine Abgabe als Ablösung der Frondienste. Die Untertanen mussten weiter jährlich 5 Viertel Altdiensthafer in die Renterei Alsfeld liefern und „an Neudiensthafer 69 Viertel erlegen“.

Sie gaben jährlich 3 fI zu 27 alb statt einer Kuh, die sie früher zur Hofküche schicken mussten. Der Landgraf konnte „aber jeder Zeit die Kuh erheben und das Geld fallen lassen.“

Eine weitere Leistung war das Weinfuhrgeld. Der sog. „Satz Zell“, zu dem Zell, Billertshausen und Liederbach gehörten, musste „jährlich eine Weinfahrt tun“, für die jetzt 7 fI 6 alb zu 27 alb gezahlt wurden.

Über den Zuzug neuer Einwohner gab es folgende Regelung: „Wenn sich ein Ausländischer mit Weib und Kind zu Liederbach häuslich niedertun will, muss er es mit Vorwissen der Beamten tun und dem Landgrafen 2 fI Einzugsgeld, der Gemeine einen ledernen Eimer geben. Wenn aber ein fremder, lediger Gesell sich an eines Nachbarn Tochter oder Witwe bestattet, erlegt er nur halb soviel.“

Wurde ein „Rodacker oder -wiese“ veräußert, so musste so viel Weinkauf erlegt werden als Zins darauf stand. Der Weinkauf war der Freitrunk bei Abschluss eines Geschäftes bzw. die Geldleistung statt des Freitrunks. Der Landgraf hatte in Liederbach keinen „Rodzehnten“, da das vermessene Rodland „meistenteils Wildbrett halber wüst“ lag. Lediglich auf dem „Kreysch“ gab es einen Rott- oder Neubruchzehnten.

Wer Hämmel oder Schafe hielt, war gehalten, um Walpurgis einen tauglichen und guten Weidhammel zu entrichten. Wer dagegen neu „schäfern“ wollte, war im ersten Jahr davon frei, musste aber dem Rentmeister und dem Schultheißen einen Schafskäse geben.

Jeder Einwohner Liederbachs – außer Schöffen, Setzer und Heimberger – hatte jährlich ein Fastnachtshuhn zu geben. Wurde bei Aufhebung der Hühner eine „Kindbetterin“ angetroffen, so zahlte sie „mit dem Kopf“ und durfte das Huhn behalten.

Der Landgraf hatte in Liederbach keine eigenen Leute, also keine Leibeigenen.

1574 gab es in Liederbach folgende Höfe:

Die Geschwister des Emmerich von Liederbach haben einen freien Burgsitz mit dazugehörigen Äckern, Wiesen und Gärten, Caspar Rabe hat ein Gut, auf dem die Deutschen Herren etliche Zinsen und die Lehenschaft hatten, das aber Caspars Vorfahr mit Brief und Siegel frei gekauft hat,

Caspar Groß hat ein Gut, Cloß und Heintz Hiltmann haben ein Gütchen,

Cuntz Koeler hat ein Gütchen, dessen Zinsen an das Kloster Immichenhain oder an den Landgrafen Wilhelm von Ziegenhain gehen,

Curtt Obermann hat einen halben Hof, Caspar Obermann desgl.,

Johannes Rüel zu Kestrich „hat das Dudenroder Gutgenoben zu Dudenrodt in der Waldecke“,

Kern Henn hat einen halben Hof,

Kern Hen und Kenn Cloes haben ein Gut und Kern Cloßgen hat einen halben Hof.

Aus den Dorfbüchern von 1630

1630 mussten in Liederbach ein Bauer vierspännig, 5 Bauern zweispännig und ein Bauer einspännig mit „Fuhren fronen“ sowie 8 Bauern mit dem Leib dienen [12]. Damals gab es in Liederbach ein Siechenhaus mit acht armen aussässigen Personen, die aber nicht gespeist wurden, denen zwar jährlich etliches Geld zur notwendigen „Sustentation und Leibeßerhaltung“ gereicht wurde, sich aber meist auf dem Land von Haus zu Haus ernähren mussten. Die Liederbacher waren zur Steinmühle in Altenburg mit zwei oberschlächtigen Gängen gebannt, die dem Amtmann und Oberforstmeister Schefel zu Merzhausen zuständig war.

1669 wird die Seelenzahl Liederbachs mit 126 angegeben.

Wo stand der Galgen?

Der Flurname „Galgenfeld“ beiderseits der Gemarkungsgrenze zwischen Alsfeld und Liederbach verweist auf den Standort eines Galgens, wo man die zum Tode Verurteilten hinrichtete. Das Recht, Todesurteile zu fällen, lag nach dem „Salbuch über [Seite 14] Stadt und Amt Alsfeld und Romrod“ von 1574 in der Zuständigkeit des Alsfelder Landgerichts: „Was vor ubeltheter Alhier ergriffen, so Leib und Leben verwirkt, werden entweder gehn Marpurgk geschickt oder zu Alsfeldt gerechtfertigt, und da eynn ubeltheter vor peynlich Halsgericht gestelt wird müssen die Schepffen des Landgerichts Alsfeldt und Romrod über den ubeltheter erkennen.“ [13]

Bei der Suche nach dem Standort des Galgens fand sich im Flurbuch der Stadt Alsfeld aus der Zeit um 1700 [14], in dem alle Grundstücke verzeichnet sind, im 140. Gewann „Im Galgenfeld“ eine Ackerparzelle Nr. 6, bei der eingetragen worden ist: „Acker wo vormals der Galgen gestanden hatt“. Demnach stand der Galgen unmittelbar westlich des Weges von Alsfeld nach Liederbach hart an der Gemarkungsgrenze noch auf dem Gebiet der Alsfelder Gemarkung, was auch die Zuständigkeit des Gerichts bestätigt. Die Stadt Alsfeld hatte 1611 einen neuen Galgen für 44 fl 19 alb errichten lassen [15].

Bei der Beschreibung der Gemarkungsgrenze der Stadt Alsfeld durch den Ing. Daniel Merian 1705 findet sich noch eine interessante Eintragung: „Von solchem (Grenzstein) über den Weg so von Alsfeld auf Liederbach gehet hinüber bis auf den Köppel, alwo Krieger Velten verbrannd worden ist“ [16]. Diese Redewendung kommt schon 1631 vor.

Das Siechenhaus

Die Flurnamen „Sieggarten“ und „Siegacker“ linkerhand am Eingang zum alten Dorf erinnert an das Siechenhaus vor Liederbach, wo sich früher ein Brunnen befunden haben soll. Mit dem Dreißigjährigen Krieg scheint die entsetzliche Krankheit des Aussatzes wiedereingeschleppt worden zu sein. Die Aussätzigen wurden in Sondersiechenhäusern außerhalb von Siedlungen untergebracht, so auch in einem Siechenhaus in Liederbach. Wann und von wem es gegründet worden war, ist unbekannt. Erhalten sind aber im Alsfelder Stadtarchiv die Liederbacher Siechenhausrechnungen von 1663 bis 1716 mit einigen Lücken. 1630 waren 8 Aussätzige im Siechenhaus untergebracht. Die letzten Insassen haben 1690 das Liederbacher Siechenhaus verlassen. Es waren Johannes Vackenrodt und sein Schwiegersohn Johannes Habicht, die nach mehrmaliger Werbung durch die Reichsstadt Wetzlar und mit großen Versprechungen schließlich am 13. September das alte Siechenhaus bei Niedergirmes bezogen, wo ihnen aber durch den Streit zwischen der Reichsstadt Wetzlar und den Grafen von Solms-Greifenstein übel mitgespielt worden war.

Die Einkünfte aus Stiftungen für das Liederbacher Siechenhaus, vor allem aus Alsfeld und Romrod, hatte der Landgraf diesen Städten zugewiesen. Die Stadt Alsfeld verwandte diese Einkünfte für den Neubau der Schule am Kirchplatz im Jahre 1698 [17].

Das alte Schulhaus von 1775

Im alten Zentrum des Dorfes, Kirchengasse 2, steht ein auffallendes Fachwerkhaus in Rähmbauweise mit Fachwerkfiguren des „Wilden Manns“, geschnitzten Profilen und einer langen Balkeninschrift, die wie folgt berichtigt werden müsste:

„Diesen Schuhlbau hadt erbaudt die Gemeinde Liederbach und zwar mit Ihre Zwei bevollmächtigte baumeister Johann Heinrich Ploch und Johann Jacob Spieß ist erhoben im Jahr 1775.“

Aus einigen vorhandenen Quittungen der Liederbacher Gemeinderechnungen ließ sich entnehmen, dass am 10. Mai 1774 Johann Henrich Ploch 7 alb 4 pfg erhalten hat „Vom Gemeinen SchulHauß zu Tagsiren“. Im gleichen Jahr waren 40 „Gebackstein“ zu dem Schulhaus geliefert worden. Eine Rechnung vom 24. Oktober 1774 über 18 alb betrafen ,,6 Scheiben in der Schul“. Von dem Maurer Johann Jost Bernhard von Zell liegt ein Quittung vor.

Ob die letzte, nachgebesserte Zahl der Erbauungszeit korrekt ist?

Die Glocke von 1802

Auch aus den Belegen der Gemeinderechnungen von 1802 konnten einige Erkenntnisse über die vorhandene Glocke aus dem Liederbacher Schulhaus gewonnen werden. Die 44 cm im Durchmesser fassende und 31 cm hohe Glocke trägt die Inschrift: „GOS*MICH* GEBRUIDER*BARTHELS*IN* FRANCKFURT*1802.“

Diese Glocke wurde zur Schule, Sonntags eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst und zu Beerdigungen geläutet. Hatte der Trauerzug etwa die Mitte des Weges von Liederbach nach Oberrod erreicht, so fingen die Oberröder Glocken an zu läuten. Diese wurden außerdem zum Gottesdienst und zu Trauungen gezogen [18].

Die Glocke hatte bei ihrer Lieferung einigen Ärger verursacht; denn die „Gebrüder Barthels, Stadt-Stück-Glockengießer in Frankfurt“, schrieben am 9. April 1802 folgenden Brief: „Mit verwunderung haben wir ersehen, dass die Glocke welche sie von uns empfangen nicht gantz ausbezahlt soll werden, sie [Seite 15] glauben vielleicht Einen Gießer Glockenguss vor sich zu haben allein darin irren sie sich wirklich es werden bey uns so viele Glocken gemacht und ist deswegen uns noch gar keine Klagen vorgekommen sie wollen sich gar zu erst sezen und wir müssten doch auch auf unsere Sicherheit bedacht seyn nur auf dass zureden des fuhrmanns welcher noch Eine Carolin zugelegt hat um doch wenigstens den größten Teihl der Auslagen so gleich zu bezahlen das übrige wollen wir 1/4 Jahr stehen lassen nach verfließung dessen muss uns der fuhrmann vor das Geld stehen.“

„Die Glocke wiegt 89 Pf.
das Pfundt per Acord 45 x             66 fl 45 x
der Schwengel                                          2 fl
der Riemen                                              48 x
Summa                                           69 fl 33 x
Hierauf habe Empfangen                       44 fl
Bleibt rest zu zahlen                     25 fl 33 x“

Die Gebrüder Barthels schrieben am 9. September nochmals: „Wir ersuchen sie hiermit freundschaftlich uns den Rest von der Ihnen übersanden Glocke welches in noch 25 fl 33 x bestehet zu übersenden, weil wir überzeugt sind, dass die Glocke ohne Tadel auch die Gewährzeit schon lang vorüber ist bitte dem fuhrmann Döring wenn er wieder nach Franckfurt fährt, solches mitzugeben.“ Darunter steht: „Ist zu hofl. Dank bezahlt.“

Dem Johann Jost Schmitt wurden 2 fl 46 kr für Eisen und Schmiedarbeit an der neuen Glocke am 16. April 1802 bezahlt.

Liederbach im 19. Jahrhundert

Mit den ungeheueren Belastungen der Kriegsjahre. wie sie aus den Kontributionsregistern der Jahre 1774-78 und den Kriegsrechnungen der Jahre 1797-99 und 1813-15 hervorgehen, ging – wie viele andere Gemeinden – auch Liederbach in das 19. Jahrhundert.

Die Bevölkerungsentwicklung ist oft der Maßstab für das Bild eines Dorfes. Liederbach zählte:

1804 261 Einw.          1843 339 Einw.          1871 353 Einw.
1806 266                     1846 361                    1875 344
1826 299                     1852 341                    1880 334
1828 360                     1858 346                    1885 325
1831 359                     1861 343                    1890 332
1834 361                     1864 347                    1895 344
1837 339                     1867 334                    1900 344

Der Bevölkerungszunahme bis zur Mitte der 30er-Jahre stand ein Rückgang und eine Stagnation bis zur Jahrhundertwende entgegen. Sehr deutlich sieht man das in der Wanderungsbilanz:

Zeitraum 1871-1900
Geburtenüberschuss: 116
Bevölkerungsabnahme – 9
Wanderungsverlust – 125

Gab es 1805 42 Wohnhäuser, so waren es 1843 45 Wohnhäuser und 2 öffentliche Gebäude. Bei den 60 Familien wurden 52 Knaben und 63 Mädchen unter 14 Jahren sowie 123 männliche und 124 weibliche Personen gezählt. Nach der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Einwohner gehörte eine Person zu der Gruppe der staatlichen, kirchlichen oder landherrlichen Diener. 16 Männer waren Ackerleute, 18 Gewerbetreibende, 6 wurden als Ackerleute und Gewerbetreibende gezählt. Es gab ferner 10 männliche und 14 weibliche Tagelöhner, 11 männliche und 9 weibliche Dienstboten, 1 männlicher und 2 weibliche Arbeiter in Fabriken sowie 5 Handwerksgesellen. Schließlich wurden 19 Ortsangehörige registriert, die sich außerhalb des Ortes, aber im Inland aufhielten.

1861 verzeichnete Liederbach 68 Haushaltungen mit 335 Personen, darunter 3 Ausländer, ferner 36 Personen als abwesend im Inland und 6 als abwesend im Ausland [19].

Bau des Spritzenhauses 1812

Das Liederbacher Spritzenhaus wurde unter dem Schultheißen Johannes Decher im Jahre 1812 erbaut. Die erhaltenen Baurechnungen verzeichnen eine Gesamtausgabe von 331 Gulden 57 1/2 Kreuzer.

Der Förster Wahl zu Romrod lieferte aus dem Forst Romrod das Eichenholz und aus dem Forst Grebenau das Tannenholz für den Bau zu den Kosten von 34 fl 9 1/2 kr..

Die Zimmerarbeiten führte der Zimmermeister Heinrich Krommelbein aus Romrod für 54 fI 30 kr. aus. Der Maurermeister Heinrich Martin zu Romrod erhielt 30 fl, der Schreinermeister Bast zu Wallenrod 14 fl, der Schlossermeister Johannes Schneider zu Romrod und der Schmiedemeister Johann Jost Schmidt aus Liederbach bekamen 23 fI 45 kr und der Blechschmied Friedrich Wollrab zu Alsfeld 4 fl. [Seite 16] Für weiteres Baumaterial bekamen der Häfner Heinrich Theophilus Etling aus Alsfeld und der Ziegler Reibling von der Ziegelhütte Rainrod 62 fl 50 kr. An Transportkosten fielen 74 fl 35 kr, für Handdienste 3 fl 40 kr an. Für die Gänge nach Romrod, für Diäten und an Gebühren mussten 12tl 45 kr und für Stell- und Abhörgebühren 2 fl 53 kr bezahlt werden. Als der Bau errichtet wurde, hatte die helfende Mannschaft Bier und Branntwein in Höhe von 14 fl 50 kr vertrunken [20].

Das neue Schulhaus

Die größte Investition, die jemals die selbständige Gemeinde Liederbach getätigt hat, war wohl der Neubau der Schule 1893/1894 unter dem Bürgermeister Fink und den Gemeinderatsmitgliedern Schlitt, Bing, Merle, Decher, Hofmann, Weiß, Kalbfleisch, Vierheller, Rau. Bereits am 7. Juni 1892 legte der Kreistechniker Braun den Voranschlag für die Erbauung des Schulhauses vor:

Erd- und Maurerarbeit           2078,06 Mark
Materialien                             3559,00 Mark
Steinhauerarbeit                     850,76 Mark
Zimmerarbeit                         1454,00 Mark
Dachdeckerarbeit                   705,00 Mark
Spenglerarbeit                        171,70 Mark
Schreinerarbeit                       1665,64 Mark
Glaserarbeit                            687,48 Mark
Schlosserarbeit                       1197,87 Mark
Weißbinderarbeit                   980,20 Mark
Pflasterarbeit                          60,00 Mark
Einfriedigung + Schulhof      800,00 Mark
Unvorhergesehene Arbeiten 1026,29 Mark
zusammen                             15000,00 Mark
dazu kam das Türmchen für Glocke 500,00 Mark

Unter den Materialien waren 160 cbm Bruchsteine, 52000 gebrannte Backsteine, 330 Zentner Luftkalk, 100 cbm Mauersand, 10 Tonnen Portlandzement, 7000 Schwemmsteine und 46 qm Zementplatten sowie auf 17 Seiten besondere technische Bestimmungen aufgeführt. Die Submission fand am 18. November statt.

Den Zuschlag erhielten:
für die Maurerarbeit unter 6 Bewerbern Konrad Wenzel III., Liederbach, der 21 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Zimmerarbeit unter 5 Bewerbern Johannes Georg IV., Storndorf, der 12 1/2 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Steinhauerarbeit unter 3 Bewerbern Heinrich Martin, Alsfeld. der 6 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Dachdeckerarbeit unter 2 Bewerbern Peter Rößner, Alsfeld, zum Voranschlag,
für die Spenglerarbeit unter 5 Bewerbern Ernst Klingehöfer, Alsfeld, der 17 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Schlosserarbeit unter 4 Bewerbern Heinrich Bornmann. Alsfeld. der 15,1 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Glaserarbeit unter 3 Bewerbern Christian Haber, Alsfeld, der 6 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Schreinerarbeit unter 10 Bewerbern Ludwig Mohr. Romrod, der 10 % unter dem Voranschlag blieb,
für die Weißbinderarbeit unter 8 Bewerbern Werner Müller IV., Liederbach, der 10 1/2 % unter dem Voranschlag blieb
und für die Pflasterarbeit unter 2 Bewerbern Christian Haber, Alsfeld. zum Voranschlag.

Die Lieferung von Kalk fiel an Georg Knierim, Alsfeld, von Eisen, Gusseisen und Abtrittsrohren an Emmel und Himmler, Alsfeld. von Zement an Heinrich Ramspeck, Alsfeld. und von Zementplatten an Georg Herwig, Alsfeld.

Am 18. November 1892 wurden die Anfuhren von Backsteinen, Schwemmsteinen, Walzeisen und Kalk versteigert. 10 Wagen Mauersteine kamen aus dem Bruch der Stadt Lauterbach, durchgeführt von Hans Fuhr, Friedrich Roth, J. Konrad Fink, Georg Bing III., Johannes Weiß II.. Georg Merle, Heinrich Weiß II. und Georg Kalbfleisch. Am 14. April 1893 wurden nochmals fünf Fuhren an Georg Merle, Georg Bing III., Johannes Weiß, Hans Fuhr und J. Konrad Fink vergeben. In der Zeit vom 3. März bis 29. Juni 1893 kamen am Alsfelder Bahnhof 16 Waggons mit zusammen 38.600 Backsteinen, 16.660 Verblender, 630 Ecksteine u.a.m. von der Dampfziegelei Müller in Kinzenbach an, wie die Frachtbriefe ausweisen. Die Lahnkalk-Industrie lieferte am 3. und 4. Juni 1893 zwei Waggons mit Ziegelsteinen.

Am 1. Juni 1893 wurde die Anfuhr von 43 cbm Mauersand aus der Sandgrube Maria I bei Zell an Johannes Fuhr, Konrad Fink, Friedrich Roth, Georg Bing III., Georg Heinrich übermann und Georg Heinrich Kalbfleisch vergeben.

1400 Backsteine kamen vom Feldbrand des Freundlieb zu Alsfeld, der Kies wurde von der Gemeindewüstung am Hainberg geholt.

Der Wirt Peter Weiß IV. lieferte anlässlich des Aufschlagens des Holzwerkes am 29. März 1893 zur Erfrischung der Maurer und [Seite 17] Zimmerleute 58 1/2 Liter Bier à 27 Pfg. und 3 Liter Branntwein, um 5. Juli nochmals 40 Liter Bier, 1 Liter Branntwein sowie 11 1/2 Pfund Wurst mit Brot und am 8. Juli weitere 29 Liter Bier.

Im September wurde Erde für den Vorplatz angefahren und fand die Auffüllung für den Turnplatz statt.

Vom 10. bis 18. November 1893 hatte die Ehefrau des Ludwig Robert aus Liederbach das Schulhaus und die Lehrerwohnung gereinigt; sie erhielt pro Tag eine Mark!

Zur Finanzierung des Schulbaus hatte der Gemeinderat beschlossen, folgende Kapitalien aufzunehmen:
um 4. April 1893 von Peter Weiß, Hergersdorf, 1000 Mark,
um 8. Mai von Johannes Caspar, Zell, 1000 Mark,
um 26. Juni von Georg Heinrich Geisel, Leusel, 1000 Mark,
um 5. Juli von Maria Becker, Liederbach, 900 Mark,
um 1. August von Johannes Dippel, Reibertenrod, 2000 Mark,
um 1. Juli von Johannes Kaspar, Liederbach, 700 Mark,
um 1. Dezemb. von Johannes Weiß 11., Liederbach, 1200 Mark,
um 30. Dez. v. Fr. Birkenstock Ww., Reibertenrod, 1000 Mark,
um 11. Okt. 1894 v. Gottfried Schmitt, Liederbach, 1000 Mark.

Das waren zusammen 9800 Mark zu 3 1/3 Prozent, lediglich Johannes Weiß II. hatte 3 3/4 % erreicht. Dazu kam vom Großh. Hess. Ministerium des Innern und der Justiz, Abteilung Schulangelegenheiten, ein Staatszuschuss von 2000 Mark und aus dem Versteigerungserlöß des alten Schulhauses am 7. März 1894 der Kaufschilling von 2100 Mark, so dass für den Schulhausneubau 13.900 Mark bereit standen. Vor Geldinstituten scheint sich der Gemeinderat gescheut zu haben.

Es gab natürlich noch weitere Ausgaben, so für die Mauer, die 18 Zaunpfeiler und 54 lfd. Meter Zaun, 24 Mark für die Wetterfahne, die Heinrich Bornmann lieferte, für die Öfen von J. A. Waldeck und für 20 4-sitzige Schulbänke, 1 Schiefertafel mit Gestell, 1 Katheder und 1 Stuhl im Wert von 852 Mark von der Firma Georg Kurtz jr.

Nach der vom 13. Oktober 1894 stammenden Wirtschaftsrechnung über den Schulhausbau hatte der Kreistechniker Braun, der für seine technische Leistung 300 Mark erhielt – sein Rotstift kam der Gemeinde sehr zugute –, die Kosten für das Hauptgebäude mit 17.918,06 Mark, für das Nebengebäude (Schülerabtritt) mit 334,88 Mark, zusammen mit 18.252,94 Mark errechnet [21].

Am 3. Juni 1894 wurde die neue Schule eingeweiht. Gegen 2 Uhr nachmittags versammelten sich in dem mit Fahnen und Kränzen geschmückten Dörfchen die zahlreichen Festteilnehmer. Nach einleitendem Gesang nahm Lehrer Hahn in einer Rede Abschied von dem alten Gebäude. Dann bewegte sich der Festzug, an der Spitze die Schuljugend, weiß gekleidete Jungfrauen und die Vertreter der Kreis-Schulkommission zu der neuen Schule, wo die Schlüsselübergabe stattfand. In dem geräumigen Schulsaal hielt Pfarrer Klingenschmidt die Festrede. Kreisamtmann Rach sprach den Dank der Behörde an die Gemeinde aus, „die in richtiger Erkenntnis , dass die Wohlfahrt des Einzelnen, der Gemeinde und des Staates abhängig sei von der religiös-sittlichen Bildung und Erziehung der Jugend, von der rechten Pflege des Körpers und des Geistes, die erforderlichen Mittel zur Erbauung einer so schönen Bildungs- und Erziehungsstätte bewilligt habe.“ Dank gebühre der Großh. Regierung für die Zuwendung, dem Kreistechniker Braun, den Bauhandwerkern und allen, die mitgewirkt haben. Kreisschulinspektor Müller wandte sich an die Schuljugend, „ihren Dank durch Pflichttreue und redliches Streben nach Vervollkommnung zu bethätigen“. [22]

Anlässlich der Einweihung der Schule wurde für den 3. Juni 1894 „von 4 Uhr bis 4 Uhr“ eine Tanzerlaubnis beim Wirt Roth erteilt – sie kostete 6 M 90 Pfg. Der Gemeinderat beschloss am 23. Mai, diese Kosten zu übernehmen, ebenso die Kosten von 40 Mark für den Musikmeister Gg. Heinrich Schwarz. [Seite 18]

Fußnoten:

[1] L. Reichardt: Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen, Alsfeld und Lauterbach in Hessen, Göppingen 1973, S. 234.

[2] Th. Haas: Alte Fuldaer Markbeschreibungen. Fuldaer Geschichtsblätter XI, 1912, S. 113 f. / H. Jäkel: Die kirchliche Entwicklung und Gliederung des Kreises Alsfeld im Mittelalter, in: Mitt. GAVA, 9. Reihe, 1959, S. 204.

[3] E. Stephan: Messtischblätter, Regionalmuseum Alsfeld.

[4] H. Jäkel: Adels- und Herrengeschlechter. in: Mitt. GAVA, 10. R., 1964, S. 89, mit Quellenangaben; zuletzt: G. Habermehl: Die Herren von Liederbuch, Schwarz 1993.

[5] H. Kosog: Die Dorfbücher des ehemaligen Kreises Alsfeld, 1629 und 1630, in: Mitt. GMVA, 13. Reihe, 1983, S. 22.

[6] H. Jäkel: Die kirchliche Entwicklung und Gliederung des Kreises Alsfeld im Mittelalter, in: Mitt. GAVA, 9. Reihe, 1959, S. 201 ff.

[7] W. Diehl: Hessen-Darmst. Pfarrerlind Schulmeister-Buch, Hassia sacra, Bd. 1, 1921, S. 412.

[8] D. Großmann: Topographie der Kunstdenkmäler, in: Der Kreis Alsfeld, Stuttgart 1972, S. 133.

[9] W. S.: Die Glocken von Oberrod und Liederbach. in: Mitt. GAVA, 2. Reihe, 1908, S. 165 ff.

[10] D. Großmann: a.a.O.

[11] E.E. Becker: Die Salbücher des Kreises Alsfeld, Alsfeld 1940, S. 54 ff.

[12] H. Kosog: a.a.O., S. 24.

[13] H. Heuser: Gerichtsverfassung und Verfahrensrecht an Stadtgericht und Landgericht Alsfeld im 16. Jahrhundert, Gießen 1989. S. 52.

[14] H. Jäkel: Der grundherrschaftliche Besitz in der Gemarkung der Stadt Alsfeld. in: Mitt. GAVA, 8. Reihe, 1954, S. 171 ff.

[15] E. Becker: Aus den verbrannten Stadtrechnungen. Mitt. GAVA, 3. Reihe, 1912, S. 200.

[16] StA Alsfeld, XV/1 Grenzbeschreibung von Daniel Merian 1700.

[17] H. Jäkel: Zur Geschichte der Alsfelder Lateinschule, in: Festschrift zur 125-Jahr-Feier der Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld, Alsfeld 1986, S. 38.

[18] W. S.: Die Glocken von Oberrod und Liederbach. a.a.O., S. 166.

[19] Gemeindearchiv Liederbach: C II, Statistik, Volkszählungen.

[20] Gemeindearchiv: Rechnung über das Spritzenhaus 1812.

[21] Gemeindearchiv Liederbach: Urkunden zur Rechnung der Gemeinde Liederbach 1893/1894.

[22] Kreisblatt des Kreises Alsfeld. Nr. 44, 5. Juni 1894.

Erstveröffentlichung:

Dr. Herbert Jäkel: Zur Geschichte Liederbachs, in: Magistrat der Stadt Alsfeld (Hrsg.), Alsfeld und seine Stadtteile (Band 6), Liederbach, Alsfeld 1994, S. 9-18.

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[Stand: 30.01.2024]