100 Jahre Alsfelder Pfingstsingen

Von Hermann Bender, Alsfeld (1964)

„So sei gegrüßt vieltausendmal,
holder, holder Frühling …“
Von Hoffman von Fallersleben

Der Freude über den wiedereingezogenen Frühling alljährlich im Lied Ausdruck zu verleihen, nichts anderes soll das Pfingstsingen sein, ist alte deutsche Sitte. Wenn die Alsfelder Sänger dazu ihre Lieder an einem hohen christlichen Festtag erschallen lassen, dann soll der Dank an Gott, den Schöpfer, damit verbunden sein.

Als in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts – genau nicht mehr festzustellen, aber wahrscheinlich im Jubiläumsjahr 1864 – die Alsfelder Sänger am 2. Pfingstfeiertag (am ersten Feiertag sang der Chor in der Kirche) früh morgens, im geschlossenen Zug, von der alten Stadtschule nach „Bückings Garten“ zogen, um von dort ihre Lieder über die Stadt erschallen zu lassen, folgten sie der Initiative eines vortrefflichen Alsfelder Bürgers. Hier in seinem, hoch über der Stadt gelegenen, terrassenartig angelegten Garten, Flur VII/113, am Südostabhang des Frauenberges, sollte alljährlich, so wollte es Caspar Gustav Bücking, der wiedereingezogene Frühling mit Volksliedern und volkstümlichen Liedern begrüßt werden.

Pfingstsingen unter der alten Friedhofslinde
Foto © Rudi Kaus

Als im Ersten Weltkrieg der Tod schreckliche Ernte gehalten hatte, empfanden die Sänger das Bedürfnis, an diesem Pfingstmorgen zuerst am Friedhof, unter der jahrhundertealten Linde (im Jahre 1958 vom Sturm umgerissen) der Verstorbenen mit einem Choral zu gedenken. Als das Ehrenmal am Friedhof für die Toten des zweiten Weltkrieges errichtet worden war, singen sie anschließend auch dort einen Choral. Erst dann begeben sich die Sänger in „Bückings Garten“, um dort ihre Gesänge fortzusetzen. In einer kleinen Pause oder sogleich nach dem letzten Gesang, nehmen die Sänger eine vom Verein gestiftete kleine Erfrischung ein.

Als in früherer Zeit der Lärm der Kraftfahrzeuge noch nicht störte, war das Pfingstsingen, bei einigermaßen günstigem Wind, wenigstens im oberen Stadtteil zu hören. In neuester Zeit ist dies nicht mehr möglich. Wer den Gesang hören will, muss sich schon auf den Friedhof, oder in seine Nähe, begeben.

Da der alte „Bückings Garten“ zu einer historischen Stätte der Alsfelder Sänger geworden ist, ist dem heutigen Besitzer dieses Grundstückes Dank dafür zu sagen, dass er gegen die Durchführung dieser alten Sitte nichts einwendet, sondern sie sogar freundlichst unterstützt. Der Deutsche Sängerbund hatte schon im Jahre 1930 das Pfingstsingen der Männergesangvereine als eine prächtige Sitte bezeichnet. Der Gesangverein Liederkranz-Harmonie wird das nun wohl 100 Jahre alte Alsfelder Pfingstsingen auch künftig nicht aufgeben.

Erstveröffentlichung:

Hermann Bender, 100 Jahre Alsfelder Pfingstsingen, in: Festschrift 125 Jahre Gesangverein Liederkranz-Harmonie, 125 Jahre Männerchorgesang in Alsfeld, Alsfeld 1964, S. 42-43.

[Stand: 14.02.2024]